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"Hexe von Hanau": Prozess gegen Sylvia D. – wie starb Jan H.?


Vierjähriger erstickte qualvoll
"Hexe von Hanau" beschimpft totes Kind

Von t-online, sas

Aktualisiert am 18.05.2023Lesedauer: 3 Min.
Zweiter Prozess gegen Hanauer „Sektenchefin“Vergrößern des BildesDie "Sektenchefin aus Hanau" im Verhandlungssaal (Archivbild). Die Frau muss sich erneut wegen des Todes eines damals vierjährigen Jungen im Jahr 1988 verantworten. (Quelle: Boris Roessler/dpa/dpa)
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Vor dem Landgericht läuft der zweite Prozess gegen die Hanauer Sektenchefin Sylvia D. Ihr wird vorgeworfen, für den Tod eines vierjährigen Jungen verantwortlich zu sein. Nun äußerte sie sich über den Tag, als Jan H. starb.

Einmal wurde Sylvia D. bereits wegen Mordes verurteilt. Doch der Bundesgerichtshof hob die Entscheidung auf und verwies das Verfahren ans Frankfurter Landgericht. Dort wird der komplette Fall neu aufgerollt.

Am Mittwoch stand nun die Aussage von D. an, die als "Hexe von Hanau" bezeichnet wird. Sie sollte sich zum Tod des kleinen Jan H. äußern. Die Staatsanwaltschaft wirft der mutmaßlichen Sektenführerin von Hanau vor, den Jungen an einem heißen Tag in einen Sack gesteckt und sich selbst überlassen zu haben. Der Vierjährige sei qualvoll an seinem Erbrochenen erstickt.

Fast 35 Jahren danach hat die Angeklagte nun jegliche Schuld bestritten. "Ich liebe Kinder von Herzen", sagte sie. "Ich habe dem Kleinen nichts getan."

Die Sektenchefin erzählt: Der Junge war in ein Betttuch gewickelt

Zu Beginn des Prozesstages ist die Stimme von D. sanft und leise. Am Morgen des 17. August 1988, an dem der vierjährige Jan starb, habe sie mit Ohrstöpseln bis mittags geschlafen. Der Vierjährige sei von ihrem mittlerweile verstorbenen Mann und seiner Mutter versorgt worden, während sie schlief.

Sylvia D. leitete damals Berichten zufolge eine sektenähnliche Gemeinschaft in Hanau, der unter anderem ein Professor, ein ehemaliger Richter und weitere Akademiker angehörten. D. behauptete, einen direkten Draht zu Gott zu haben, der ihr Anweisungen erteile. Ihre Schäfchen müssten die Befehle strikt befolgen, verlangte sie.

Sylvia D. nennt totes Kind im Prozess "sadistisch"

Das Ehepaar H. folgte der mutmaßlichen Sektenchefin ebenfalls treu. Nur der Sohn des Paares, Jan H., zeigte sich widerspenstig. D. soll dem Jungen daraufhin nach dem Leben getrachtet und dessen Mutter eingeredet haben, dass ihr Sohn die "Reinkarnation Hitlers, ein Machtsadist und von den Dunklen besessen" sei.

Auch 35 Jahre später, im Prozess in Frankfurt, nannte D. das Kind nun wieder "sadistisch". Der Vierjährige habe ein "autistisches Wesen" gehabt.

In ihrer verworrenen und ausschweifenden Aussage berichtete die Frau wiederholt, von Gott "Bilder" erhalten zu haben, auch aus dem Jenseits. "Ich habe Bilder gesehen von dem Alten, meinem Schöpfer."

Aber: "Da waren keine Hinweise auf den Tod von dem Jungen zu sehen." Und: Schlimme Misshandlungen habe Jan bei ihr nie erlebt, "höchstens mal eine Ohrfeige".

Mutmaßliche Sektenchefin: In Tuch gepacktes Kind "plärrte"

Am Todestag von Jan sei dessen Mutter in die Küche gegangen, um Frühstück für alle und ihrem Sohn ein Marmeladenbrot zu machen. Der Ehemann von D. – so vermutet die Angeklagte – habe den Kleinen saubergemacht, weil er wach geworden sei. Mittags habe sie das Kind gesucht und im Bad gefunden, das als Kinderzimmer des Jungen genutzt worden sei. Er sei in ein altes, dünnes Betttuch eingepackt gewesen und habe "geplärrt".

Sie habe das Fenster zugemacht und ihm gesagt, er solle sich ausruhen, dann sei sie in den Garten gegangen. Später habe ihr Mann den leblosen Jungen entdeckt, sie hätten einen Notarzt alarmiert, der das Kind nicht mehr habe retten können.

"Damit er nicht gleich Kuckuck machen kann"

Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft beschreibt sie das Betttuch als ein an drei Seiten geschlossenes "ganz dünnes Baumwoll- oder Leinentuch". Es hatte "oben ein Bändel dran und war oben ein Stück offen, damit er nicht gleich Kuckuck machen kann". Ihr Mann habe ihn da wohl ins Tuch gelegt. Die Mutter habe dann zu Mittag etwas zu essen gemacht. "Ich war nicht dabei. Ich habe geschlafen. Sie war da", sagt sie.

Als die Angeklagte im Garten war, habe ihr Mann geschrien, dass der Junge nicht mehr atme. Ihr Mann habe probiert, den Jungen wiederzubeleben. Sie selbst habe den Notarzt gerufen. Als der Rettungswagen eintraf, sei ihr Mann mit dem Kind auf dem Arm auf ihn zugelaufen. Der Rettungsdienst habe darauf bestanden, ins Haus zu gehen. Auch sie hätte versucht, den Jungen zu reanimieren, doch ohne Erfolg. Danach sei die Polizei gekommen und habe den toten Jungen mitgenommen, erläutert die Angeklagte.

Nach dem Tod von Jan H. waren die Ermittler zunächst von einem Unfall ausgegangen. Erst als 2015 Sektenaussteiger von den Vorkommnissen berichteten und D. beschuldigten, beschäftigte der Fall doch noch die Justiz.

Verwendete Quellen
  • Reporterin vor Ort
  • spiegel.de: "'Vielleicht hatte er Angst vor ihr?'" (kostenpflichtig)
  • hessenschau.de: "BGH hebt Mordurteil gegen Hanauer Sektenchefin auf"
  • fr.de: "Wie starb Jan H.?"
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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