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Hamburg "Tatort" vor dem Aus? Das wäre ein Fehler vom NDR – ein Pro und Kontra


Tatort aus Hamburg
Der NDR begeht einen großen Fehler


Aktualisiert am 05.09.2023Lesedauer: 1 Min.
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Der "Tatort: Fegefeuer" mit Til Schweiger ruft beim deutschen TV-Publikum unterschiedliche Reaktionen hervor.Vergrößern des Bildes
Der "Tatort: Fegefeuer" mit Til Schweiger rief beim deutschen TV-Publikum unterschiedliche Reaktionen hervor. (Quelle: NDR/Gordon Timpen)

Der NDR dampft die Produktion der Krimireihe "Tatort" in Hamburg ein. Schlechte Nachricht für den Filmstandort?

Der NDR wird in diesem Jahr keinen neuen "Tatort" aus Hamburg senden. Das Ermittler-Duo Til Schweiger und Fahri Yardım bekommt erst mal keinen weiteren Sonntagabendkrimi. Wie es überhaupt mit dem Hamburg-Tatort weitergeht, lässt der NDR bislang noch offen.

Der letzte Fall von insgesamt sechs Filmen aus Hamburg ist inzwischen drei Jahre alt. Bei den aktuellen Ermittlerteams taucht der TV-Ermittler Nick Tschiller aus Hamburg gar nicht mehr auf.

Damit bleibt der Krimi-Slot in Deutschlands zweitgrößter Stadt ein weiteres Jahr leer. Dass sich der NDR von Til Schweiger als Ermittler trennen könnte, ist noch nicht endgültig ausgemacht, berichtet das "Abendblatt". Man habe "nach einem passenden Konzept für den neuen Fall gesucht", zitiert das Blatt den NDR. Daher habe es bislang keinen neuen Film gegeben.

In der Saison 2023/24 plant die ARD 33 "Tatort"-Premieren. Und während das Team aus Münster um Axel Prahl und Jan-Joseph Liefers sogar zwei Filme bekommt, bleibt Hamburg eine "Tatort"-freie Stadt. Aber braucht eine Millionenmetropole wie Hamburg einen eigenen Tatort im deutschen Fernsehen?

Pro
Martin Busche

Der Tatort ist Heimat

Es gibt Termine in diesem Land, die sind heilig: Samstag, 15.30 Uhr, ist Bundesliga. Sonntag, 20.15 Uhr, ist Tatort.

Beide müssen bleiben: unbedingt. Das gilt auch für den Hamburg-Tatort. Nur dort können Fans mitraten, ob die Szene in Wandsbek, Blankenese oder Steilshoop gedreht wurde.

Das mag nach Dalli-Dalli klingen, dem spießigen Ratespiel mit Hans Rosenthal aus den Siebzigerjahren. In Wirklichkeit ist es aber ein Stück Heimat und Identität.

Ein Krimi vor der Haustür ist für Hamburger einfach "näher dran" als ein Krimi aus München-Grünwald, Frankfurt-Preungesheim oder Hannover-Linden.
In "fremden" Städten entscheidet die Story, ob der Tatort gut ist oder nicht. Beim Heimatkrimi zählt beides: der Drehort und die Geschichte.
Da haben gerade die Hamburger auch eine Menge zu bieten: Über "Reifezeugnis" mit Christian Quadflieg und Nastassja Kinski hat 1977 die Nation gesprochen.
Ab 1986 haben Manfred Krug und Charles Brauer als singendes Duo Deutschland gerockt.
Das Gesinge musste man nicht mögen. Welcher reale Polizist fährt zum Einsatz und pfeift vorher erst mal was auf der Mundharmonika? Welcher Kollege stimmt da mit ein? Aber genau das macht den Tatort aus. Die Leute reden darüber, vorher, nachher. Der Tatort verbindet die Menschen. Auch das hat er mit dem Fußball gemein.
Auch deshalb darf ein Tatort aus Hamburg nicht fehlen.
Wer viel probiert, darf auch mal scheitern. Auch das gehört dazu. Til Schweiger als Kommissar Tschiller ist tatsächlich überflüssig, kann weg. Tatorte sind nun mal keine Action-Krimis mit möglichst viel Krawall und wenig Handlung. Wer das sehen will, sollte ins Kino gehen oder Netflix schauen. Diesen Tatort aus Hamburg hat zu Recht kaum jemand gesehen und noch deutlich weniger haben ihn gemocht. Das belegen die Quoten und die schlechten Kritiken. Die Tatorte aus Hamburg deshalb aber sterben zu lassen, haben sie nicht verdient. Das Scheitern hat ja einen Vorteil: Das, was dann kommt, kann nur besser werden.

Kontra
Katharina GrimmKatharina GrimmHead of Regio Nord

Der Tatort stirbt eh aus

Es ist schon schwierig mit dem Tatort: Ein liebgewonnenes, aber längst angestaubtes TV-Format trifft auf immer enger geschnürte Budgets der Sender, während die Zielgruppe langsam ausstirbt. So überrascht es auch gar nicht, dass der NDR den Berufsjugendlichen Til Schweiger als Actionhelden nicht weiter ermitteln lässt.

Auch wenn es ein paar wenige Fans gegeben hat, die es prima fanden, dass bei Schweiger ohne Not mehr Dinge in die Luft geflogen sind als bei Cobra 11, so war der Großteil der Zuschauer eher irritiert bis abgeneigt. Schweiger ist also raus.

Aber auch Wotan Wilke Möhring, immerhin in seinem zehnten Jubiläumsjahr als Tatort-Ermittler, bekommen die Zuschauer nicht zu Gesicht. Der war zwar auch in Niedersachsen unterwegs, aber der Hamburg-Kenner erkannte die Drehorte aus der Hansestadt schnell wieder.

Also wird 2023 ein Jahr ohne Hamburg-Tatort.

Das mag die klamme Kasse des NDR schonen. Der Schweiger-Tatort ist mit rund 1,7 Millionen Euro teurer als alle anderen Krimis der Reihe, moniert sogar der Bundesrechnungshof. Aber dass es nur die Wahl zwischen superteuer oder gar nicht gibt, wird vor allem die älteren Zuschauer der ARD treffen.

Denn sie sind die Zielgruppe des Tatorts. Schon vor zehn Jahren war rund die Hälfte der Zuschauer mindestens 45 Jahre alt, das Durchschnittsalter lag bei 61 Jahren. Und das war vor zehn Jahren, die Zuschauer werden weiter gealtert sein.

Junge Leute gucken Serien bei Netflix oder Disney. Wenig verwunderlich, schließlich tummeln sich die Tatort-Ermittler in der Alterskohorte ihrer Großeltern: Mehr als die Hälfte ist Ü50, unter 40 Jahren sind es gerade einmal drei Kommissare. Die Ermittler aus München sind schon längst im Rentenalter: Ivo Batic wird 70 Jahre alt, Franz Leitmayr wird 65 Jahre alt. Ein Ende dieses Tatort-Duos ist nicht in Sicht.

Auch der moralinsaure und leider oftmals lebensferne Zeigefinger, der von den Drehbuchautoren erhoben wird, stößt jüngeren Zuschauern schnell auf. Wer will schon, dass die eigene Lebenswirklichkeit von der Vorvorgängergeneration erklärt und auch gleich negativ bewertet wird?

Dass es jetzt ausgerechnet Hamburg trifft und die Stadt im Reigen der Tatort-Städte nicht mehr stattfindet, ist schade. Denn Tatort ist eben auch Stadtmarketing: Unterschwellig werden Architektur, Lebensart und Lokalkolorit angepriesen. Davon profitieren zwar eher die kleineren Städte wie Ludwigshafen oder Münster, aber es gibt "Tatort-Touristen", berichtete der Fernsehkritiker Hendrik Efert schon vor einigen Jahren dem "Deutschlandfunk".

Auf diese Werbung ist Hamburg sicherlich nicht angewiesen. Dennoch: Es fühlt sich falsch an, dass eine Stadt wie Hamburg hinter Weimar oder Wiesbaden ansteht.

Doch vielleicht ist das eben auch eine Chance für den NDR, sich die teuren Hamburg-Tatorte zu sparen und die Kohle lieber in ein moderneres Format zu stecken. Deutsche Filme und Serien müssen nicht per se lahm und altbacken sein. Dann schalten vielleicht auch jüngere Zuschauer ein.

Verwendete Quellen
  • abendblatt.de: Tatort aus Hamburg nur alle paar Jahre: NDR, was soll das?
  • de.statista.com: Anteil der Befragten insgesamt und nach Altersgruppen, die häufig die Krimiserie Tatort schauen
  • stern.de: Warum auch Teenies "Tatort" sehen
  • horizont.net: Münster-"Tatort" holt erneut Wahnsinns-Quote
  • handelsblatt.com: Rechnungshof moniert zu teure Til-Schweiger-Tatorte
  • wikipedia.org: Batic und Leitmayr (Stand: 30. August 2023)
  • deutschlandfunkkultur.de: "Sie profitieren von den Krimi-Touristen"
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