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Russland-Verbindungen in Niedersachsen: Sozialdemokraten unter Druck


SPD im Kreml-Sumpf?
"Moskau-Connection" löst Streit um Aktenberge aus

  • Patrick Schiller ist t-online Regio Redakteur in Hannover.
Von Patrick Schiller

Aktualisiert am 18.03.2023Lesedauer: 4 Min.
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Stephan Weil (SPD) vor dem Kreml (Montage): Wie sehr sind Niedersachsens Sozialdemokraten mit Moskau verstrickt?Vergrößern des Bildes
Stephan Weil (SPD) vor dem Kreml (Montage): Wie sehr sind Niedersachsens Sozialdemokraten mit Moskau verstrickt? (Quelle: info@f-geo.ru/Bernd Elmenthaler/Uf/t-online/imago images)

Die CDU fordert die Herausgabe Tausender Akten. Damit will sie Kontakte zwischen Ministerpräsident Stephan Weil und weiteren SPD-Spitzenpolitikern mit Russland offenlegen.

Inwiefern tragen die niedersächsischen Sozialdemokraten Verantwortung für die Abhängigkeit von russischen Energieressourcen? Gab es möglicherweise politische Handlungen seitens der Mitglieder der Landesregierung unter Stephan Weil (SPD), die im Interesse des Kremls standen? Wer sind die treibenden Kräfte hinter diesem Szenario? Und hat es Verbindungen zwischen diesen Akteuren und Zuwendungen an die Partei gegeben?

Diese Fragen zu klären, hat sich die CDU-Fraktion im Landtag zur Aufgabe gemacht. Doch nun ist Streit um eine Forderung entbrannt. Es geht um die Herausgabe Tausender Akten, die bis zum Beginn von Weils zehnjähriger Amtszeit zurückreichen. Die Veröffentlichung eines Enthüllungsbuches verschärft den Druck auf die Staatskanzlei noch einmal erheblich.

Der Chef der niedersächsischen Staatskanzlei, Jörg Mielke (SPD), hatte in einem Schreiben vom 2. März Akteneinsicht zugesichert – allerdings nur in Teilen. Das Schreiben liegt t-online exklusiv vor. In seiner Antwort zum Beschluss des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung schreibt er über Auslegungsschwierigkeiten, welche Akten konkret gemeint seien: "Der Begriff 'Verbindungen'" sei "dabei nicht definitionsscharf", schreibt Staatssekretär Mielke zu zwei Punkten in der Anfrage des Ausschusses. Stattdessen schlägt der SPD-Politiker der CDU vor, die Anfrage zu begrenzen.

Für die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU-Landtagsfraktion, Carina Hermann, ein Skandal: "Was will die Staatskanzlei hier verbergen?", fragt Hermann in einem Pressegespräch. Der Begriff "Verbindung" sei schon im Duden klar definiert, so die CDU-Politikerin weiter. Ihrer Meinung nach wären "Ministerpräsident Stephan Weil und die gesamte Staatskanzlei total nervös", sagt Hermann, die der Staatskanzlei keinen "Freifahrtschein" erteilen will – im Gegenteil.

In einem Antwortschreiben vom Donnerstag hat der Vorsitzende des Ausschusses, Christoph Eilers (CDU), Mielkes Bitte nun zurückgewiesen.

Um welche Akten geht es der CDU konkret?

Staatssekretär Mielke schlug der CDU in seinem Schreiben vor, zwei konkrete Anfragen erheblich zu reduzieren: Zum einen geht es um Kontakte von Ministerpräsident Weil und anderen Mitgliedern der Landesregierung zu "Organisationen, Verbänden und Interessenvertretungen, die in wirtschaftlicher, kultureller und politischer Verbindung zur Russischen Föderation stehen".

Laut Mielke stellt das die Staatskanzlei vor eine Herausforderung: Jede größere Organisation und Interessenvertretung aus Niedersachsen habe Verbindungen nach Russland. Auch hinsichtlich des Datenschutzes äußert Mielke bei Vorlage einer so großen Anzahl von Akten Bedenken. "Diese werden jedoch normalerweise einfach geschwärzt", sagt Sebastian Lechner, der Vorsitzende der CDU in Niedersachsen, t-online.

Dazu schlägt Mielke vor, Anfragen auf Organisationen, Kontakte und Verbände zu beschränken, die bestimmte Bedingungen während ihrer Kontakte mit Mitgliedern der Landesregierung erfüllt haben. Diese Bedingungen beinhalten, dass nur Akten zu Organisationen herausgegeben werden sollen, die entweder in Russland ansässig sind oder "ersichtlich maßgeblich von russischen Trägern oder Anteilseignern gesteuert werden". Oder "ausdrücklich Interessen des russischen Staates oder russischer Unternehmen oder russischer Verbände vertreten haben".

Auch die Herausgabe von Informationen zu Kontakten zwischen der Landesregierung und Unternehmen mit russischer Beteiligung gestalte sich laut Mielke schwierig: Niedersachsen verfüge schließlich über große Unternehmen mit Tausenden von Aktionären auf der ganzen Welt, darunter mutmaßlich auch solche, die in Russland leben. Bei Kleinanlegern habe dies in der Regel keinen Einfluss auf Regierungsgespräche mit Unternehmensvertretern. Der SPD-Politiker schlug stattdessen vor, die Anfrage auf russische Staatsunternehmen und Tochterunternehmen russischer Firmen und Institutionen beschränken zu wollen.

Dabei gehe es jedoch genau um solche Details, die aufgeklärt werden sollen, sagt CDU-Chef Lechner nach der Ablehnung von Mielkes Vorschlag. Es gehe konkret darum, diese komplexen Verbindungen haargenau darstellen zu wollen.

CDU weist Schreiben zurück

Im Fokus der sogenannten "Moskau-Connection" um Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) sollen neben Weil auch zahlreiche weitere SPD-Spitzenpolitiker stehen. Manager dieses Netzwerks sei der frühere russische Honorarkonsul Heino Wiese. Wiese war früher Geschäftsführer des einflussreichen SPD-Stadtbezirks Hannover und soll später über seine Beratungsfirma "Wiese Consult" Verbindungen zu Weil, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und weiteren SPD-Spitzenpolitikern aufgebaut und im Interesse Putins geführt haben.

Wiese soll dabei den SPD-Politikern Aufträge beschafft haben. Einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" aus dem vergangenen Jahr zufolge könnte Wiese selbst im Jahr 2020 noch Treffen mit russischen Delegationen in Hannover eingefädelt haben – ohne, dass diese öffentlich vermerkt worden sind. Überhaupt habe Weil kein anderes Land häufiger bereist als Russland, heißt es weiter. In dem Enthüllungsbuch "Die Moskau Connection" der "FAZ"-Journalisten Reinhard Bingener und Markus Wehner sollen es auch nach der Annexion der Krim und dem Bekanntwerden von Verstößen gegen Menschenrechte unter Putins Hand weiter zu Deals mit dem Regime gekommen sein.

Warum hat die CDU bislang nichts unternommen?

Bereits während der vergangenen Legislaturperiode hatte die inzwischen aus dem Parlament gewählte FDP-Fraktion versucht, Aufklärung hinsichtlich der "Moskau-Connection" zu schaffen. Damals war die CDU selbst noch Teil einer Großen Koalition mit den Sozialdemokraten. Damals habe die Partei zumindest Bestrebungen des Koalitionspartners, die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland weiter auszubauen, laut Lechner zumindest blockiert. Nun will sie aus der Oppositionsrolle heraus Aufklärung schaffen – notfalls mit rechtlichen Mitteln. Denkbar wäre demnach sogar ein Untersuchungsausschuss.

Ehe das aber nötig sei, hat die Fraktion der Staatskanzlei angeboten, die Aktenvorlage in zwei Tranchen aufzuteilen. Man wollte damit die "Funktionsfähigkeit der Landesregierung sicherstellen", heißt es in dem Antwortschreiben der CDU weiter.

Eine Sprecherin der Staatskanzlei erklärte t-online, dass die Akten derzeit zusammengestellt würden. Wie lange das allerdings beansprucht, stehe demnach noch nicht fest.

Verwendete Quellen
  • Schreiben zum Bechluss des Ausschusses für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung vom 2. März
  • Antwortschreiben von Christoph Eilers, Vorsitzender Arbeitskreis
  • faz.net: "Als in Hannover ein Privatjet aus Moskau landete"
  • Telefonische Anfrage an die niedersächsische Staatskanzlei
  • Telefonische Anfrage an die CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag
  • Gespräch mit Carina Hermann und Sebastian Lechner (CDU)
  • Eigene Recherche
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