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Hannover: SPD-Politiker Steffen Krach spricht über Morddrohungen


Politiker im Fadenkreuz
"Morddrohungen lassen einen nicht kalt"

  • Patrick Schiller ist t-online Regio Redakteur in Hannover.
InterviewVon Patrick Schiller

27.05.2024Lesedauer: 6 Min.
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Steffen Krach: Der Präsident der Region Hannover kritisiert, dass sich die Bundesregierung bei der Bezahlkarte für Asylbewerber nicht einig ist: "Das beschädigt das ganze Thema."Vergrößern des Bildes
Steffen Krach im Gespräch (Archivbild): Der Präsident der Region Hannover fordert mehr Kommunikation von der Politik. (Quelle: Carolin Weinkopf)

Attacken und Drohungen gegen Politiker nehmen zu. Auch Hannovers Regionspräsident Steffen Krach stand zuletzt im Fokus. Der SPD-Politiker ist besorgt über den Zustand der Demokratie.

Die jüngsten Angriffe und Morddrohungen gegen Politiker in Deutschland zeigen, dass die politische Gewalt eine neue Eskalationsstufe erreicht hat. Der sächsische SPD-Politiker Matthias Ecke wurde brutal angegriffen, und auch in Lehrte bei Hannover wurden Morddrohungen gegen SPD- und Grünen-Politiker in Umlauf gebracht.

Steffen Krach (SPD) ist ebenfalls betroffen. Im Gespräch mit t-online berichtet der Präsident der Region Hannover über seine persönlichen Erfahrungen – über Morddrohungen, die Auswirkungen auf seine Arbeit und die Bedeutung von Kommunikation und Transparenz in dieser angespannten politischen Lage.

t-online: Herr Krach, vor dem Rathaus in Lehrte sind vor wenigen Wochen mehrere Karten aufgetaucht, die zum Mord an Ihnen aufrufen. Wie sind Sie sowohl professionell als auch persönlich damit umgegangen?

Steffen Krach: Wir wurden zwei Tage vor der Veranstaltung zum 1. Mai in Lehrte über die Morddrohungen informiert. Wir haben uns entschieden, dennoch an der Kundgebung teilzunehmen – mit Unterstützung der Polizei. Ich mache mir aber nicht nur um mich selbst Gedanken, sondern auch um die Mitglieder der Regionsversammlung und die Mitarbeitenden bei uns im Regionsgebäude. Die stehen im direkten Kundenkontakt – und die Stimmung ist da teilweise auch angespannt.

Persönlich lassen einen Morddrohungen nicht kalt. Mir war es wichtig, dass meine Kinder davon möglichst nichts mitbekommen. Sie lesen gerne Zeitung, also habe ich versucht, dass sie an dem Tag keine Möglichkeit dazu haben.

Welche Maßnahmen haben Sie zu Ihrem Schutz und dem Ihrer Mitarbeiter ergriffen?

Wir überprüfen die Sicherheitsstruktur im Gebäude insgesamt. Es geht dabei nicht nur um mein Büro, sondern um das gesamte Haus und die Mitarbeitenden. Das Thema war allerdings schon vorher präsent, auch nachdem bereits die Fraktionsvorsitzende der Grünen beschimpft, beleidigt und bedroht worden ist. Der Mordaufruf war noch einmal eine weitere Eskalation.

Demnächst wählt Europa. Was machen solche Übergriffe mit ehrenamtlichen Kommunalpolitikern, die gerade tief im Wahlkampf stecken?

Es gibt immer wieder Vorfälle. Vor allem Beleidigungen und Bedrohungen. Viele ziehen nicht mehr allein los, um zum Beispiel Plakate aufzuhängen, sondern nur noch in Gruppen. Ich selbst war am Wochenende mit einigen Sozialdemokraten nach Chemnitz gereist, um die SPD dort im Wahlkampf zu unterstützen. Auch da fahren manche mit einem mulmigen Gefühl mit. Ehrenamtliche, die sich für die Demokratie einsetzen, machen sich Gedanken über ihre Sicherheit. Das ist erschreckend. Die Hemmschwelle für Bedrohungen und Gewalt gegen Politiker in den vergangenen Jahren ist enorm gesunken.

Aber es betrifft nicht nur Politiker, sondern auch andere Menschen, die sich für die Gesellschaft engagieren. Rettungskräfte oder ehrenamtliche Fußballtrainer und Schiedsrichter. Die Angriffe auf Einsatzkräfte an Silvester sind dafür ein Beispiel.

Warum stehen Kommunalpolitiker besonders im Fokus?

Wenn im Bundestag ein Gesetz für mehr Windkraft beschlossen wird, ist das sehr abstrakt und in gewisser Weise auch "weit weg". Aber wenn direkt vor Ort Windkraftanlagen gebaut werden und jemand vermeintlich seinen schönen Ausblick verliert, entsteht Unmut. Das gilt auch für die Umstrukturierung von Krankenhäusern oder den Bau von Geflüchtetenwohnheimen. Kommunalpolitiker sind da am nächsten dran – und bekommen ein unmittelbares Feedback. Der direkte Kontakt ist grundlegend für die Kommunalpolitik, kann aber auch eine Gefahr sein.

Schreckt das bereits Menschen vor der Politik ab?

Ja, ehrenamtliches und politisches Engagement leidet unter der Angst vor Beleidigung, Bedrohung oder Schlimmerem. Und es gefährdet in der Folge die Wehrhaftigkeit unserer Demokratie, wenn sich die Menschen nicht mehr engagieren wollen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir die Debatte darüber führen. Unsere Demokratie lebt vom Engagement jedes Einzelnen. Es ist entscheidend, dass wir gemeinsam für die Werte eintreten, die unser Land stark gemacht haben: Freiheit, Toleranz und Gerechtigkeit. Das müssen wir entschlossener und lauter tun als bisher.

Wie schützt man sich vor diesem Druck?

Wir müssen als Gesellschaft zusammenhalten und dürfen uns nicht von Extremisten einschüchtern lassen. Das ist die drängendste Aufgabe der demokratischen Parteien. Der Gegner ist nicht die demokratische parteipolitische Konkurrenz, es sind die Antidemokraten.

Welche Rolle spielen soziale Medien bei der Verbreitung von Extremismus und Hassreden?

Eine große Rolle. Darum ist es für demokratische Parteien und Politiker wichtig, dort präsent zu sein – um gegenzusteuern. Wir müssen Jugendliche mit unseren Inhalten wieder erreichen und ihnen die Werte unserer Demokratie nahebringen. Soziale Medien können ein nützliches Werkzeug sein, um Nähe zu schaffen, positive Botschaften zu verbreiten, Politik zu veranschaulichen und in den Dialog zu gehen. Wir dürfen Plattformen wie TikTok deshalb nicht den antidemokratischen Kräften überlassen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will das Strafrecht als Reaktion auf Angriffe auf Politiker verschärfen. Wie stehen Sie zu diesem Ansatz?

Natürlich müssen wir uns überlegen, wie die Justiz konsequent auf solche Vorfälle reagieren kann. Es geht jedoch nicht nur darum, sofort das Strafrecht zu verschärfen. Damit ist keinem einzigen bedrohten Kommunalpolitiker geholfen. Ich befürchte, wir haben in der politischen Kommunikation mittlerweile Teile der Bevölkerung komplett verloren, insbesondere die Jugendlichen, die sich auf Plattformen wie TikTok informieren. Es wäre sinnvoll, wenn Frau Faeser sich Gedanken darüber machen würde, wie wir diesen Herausforderungen begegnen können, anstatt bei jedem Vorfall sofort nach härteren Strafen zu rufen.

Sondern?

Die Verschärfung von Strafen ist die einfachste und schnellste Antwort, aber die einfachen Antworten sind meistens nicht die besten. Diese Einfallslosigkeit nervt mich. Gewalt entsteht doch nicht aus dem Nichts. Wir müssen uns fragen, wie es dazu kommen konnte und was wir tun können, um das Vertrauen in die Demokratie wiederherzustellen. Wir dürfen uns nicht einfach über alle Menschen moralisch erheben, die frustriert von der Politik sind. Damit werden wir der Situation nicht gerecht und gewinnen schon gar nicht ihr Vertrauen zurück.

Dennoch: Wie kann man in dieser aufgeheizten Stimmung noch effektiv kommunizieren?

Man muss Entscheidungen transparent und hartnäckig erklären, um das Vertrauen der Bürger zu gewinnen. Sei es die Umwandlung eines Krankenhauses oder der Bau einer neuen Schule. Warum bauen wir ein Schwimmbad? Oder warum bauen wir es nicht? Das muss man alles erklären. Und deswegen reicht es nicht, einmalig etwas zu kommunizieren; man muss kontinuierlich erklären. Die Menschen haben ein Recht darauf zu wissen, warum Entscheidungen getroffen werden – und wie sie entstehen. Das bedeutet auch, dass man als Politiker Kritik aushalten und auf Gegenwind eingehen muss.

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Was meinen Sie konkret?

Wir müssen als Staat sicherstellen, dass es keine ganzen Landkreise oder Regionen gibt, in denen es im Prinzip kaum noch staatliche Infrastruktur mehr gibt: Wo Jugendzentren, Mobilitätsangebote oder Schwimmbäder wegfallen. In Deutschland werden 80 Schwimmbäder pro Jahr geschlossen. Das ist aus meiner Sicht ein politischer Skandal in einem so reichen Land wie Deutschland. Denn es geht nicht nur um Krankenhäuser und Verkehr, wir müssen Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche schaffen. Sonst machen diese Angebote vielleicht die Antidemokraten.

Haben Sie da in der Vergangenheit selbst Fehler gemacht?

Man sollte sich laufend hinterfragen, was man besser machen kann. Nehmen wir das Beispiel des Krankenhauses in Lehrte. Die Angst vor der Schließung verunsichert viele Menschen. Natürlich rechtfertigt das keine Morddrohungen, aber diese Verunsicherung zeigt, dass wir noch mehr kommunizieren müssen, warum diese Entscheidung getroffen wurde und welche Vorteile sie bringt. Deswegen war es mir auch wichtig, mich in Lehrte der Kritik zu stellen und auf sie einzugehen.

Sie legen großen Wert auf Ihre Außendarstellung. Mittlerweile gibt es auch Kritik an der Vergrößerung Ihrer Kommunikationsabteilung in der Region Hannover. Wie reagieren Sie darauf?

Ich lege großen Wert darauf, den Menschen die Arbeit der gesamten Regionsverwaltung und meine Arbeit näherzubringen. Ich wurde direkt gewählt und sehe es als Teil meiner Verantwortung, zu zeigen, was ich nun in meinem Amt bewirke. Transparenz und Dialog sind in diesen Zeiten von höchster Relevanz. Ich habe die Kommunikation deshalb neu aufgestellt, dafür wurden vor allem bestehende Stellen zusammengezogen. Der Bereich kümmert sich neben der Öffentlichkeitsarbeit übrigens auch um Partnerschaften mit anderen Kommunen, interne Kommunikation, die Würdigung des Ehrenamts und Veranstaltungen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Krach.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Steffen Krach
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