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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Interview mit Bettina Böttinger "Es gibt eine gewisse Muffeligkeit in dieser Stadt"

Nach 17 Jahren "Kölner Treff" hat Bettina Böttinger wieder mehr Zeit für Hobbys. Mit t-online spricht die Kölnerin über ihre Stadt, ihren neuen Podcast – und über Motorsport.
Mit 30 Jahren Talk-Erfahrung gehört Bettina Böttinger zu den versiertesten Moderatorinnen im deutschen Fernsehen. Nach ihrer letzten "Kölner Treff"-Moderation im Oktober 2023 produziert sie nun einen Podcast.
In "Zwischen den Zeilen" lädt die Rheinländerin wöchentlich eine prominente Persönlichkeit zu einem offenen Gespräch ein. t-online traf Bettina Böttinger kurz vor der Ausstrahlung der ersten Folge am 27. Mai.
t-online: Frau Böttinger, Sie haben vier große Talkshow-Formate moderiert – "Parlazzo", "B.Trifft", den "Kölner Treff" und "Böttinger. Wohnung 17". In dieser Zeit haben Sie mit mehr als 5.000 Menschen gesprochen. Welche Frage wollten Sie Ihren Gästen niemals stellen?
Bettina Böttinger: Außer mit Dolly Buster, die ja mal Pornostar in Deutschland war, habe ich meines Wissens mit niemandem über Sex geredet. Es sei denn, es gab mal einen guten Gag darüber. Ich habe immer überlegt: Wo ist eigentlich die Grenze des anständigen Miteinanders zum Privaten oder Übergriffigen? Das sind meiner Meinung nach wichtige Vorgedanken, die man sich stellen sollte. Und natürlich hat eine Bundeskanzlerin eine andere Grenzziehung verdient, als eine Person, die mit ihrem Privatleben anders umgeht. Das war immer eine Maxime und, glaube ich, ein Schlüssel zum Erfolg.
Viele Menschen verbinden Sie mit dem "Kölner Treff", den Sie von 2006 bis 2023 moderiert haben. Wie wichtig war das Format für Sie persönlich?
Das klingt vielleicht ein bisschen kitschig oder naiv, aber ich glaube, dass sich mein Menschenbild in dieser Zeit positiv entwickelt hat. Unser Bestreben als Team war, Gastgeber und Gastgeberin zu sein, Menschen auf einer guten Ebene zu begegnen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Etwas Urdemokratisches. Bei uns gab es natürlich auch kritische und unerwartete Fragen, aber wir haben uns immer um einen guten Unterhaltungsabend bemüht. Ich habe das als bereichernd empfunden.
Ich habe meines Wissens mit niemandem über Sex geredet
Bettina Böttinger über ihre Gäste
Welche Momente sind Ihnen in den 17 Jahren besonders in Erinnerung geblieben?
Das Besondere an der Sendung war: Man konnte niemals sicher sein, wie die Runde funktioniert. Denn die Konstellation dieser sechs Gäste, die es dann da gab, die hat es vorher nicht gegeben und die wird es auch nie wieder so geben. Es hat aber fast immer funktioniert.
Der Plan der Sendung war, dass Menschen miteinander ins Gespräch kommen, aber auch erst einmal einander zuhören. Und dieses Zusammenprallen von Menschen, die sich sonst wahrscheinlich im wahren Leben nie begegnet wären, machte den Reiz aus.
Ich erinnere mich an Kardinal Woelki – man mag heute zu ihm stehen, wie man will – und Daniela Katzenberger, die ins Gespräch kamen und sich köstlich amüsierten. Oder das Zusammenprallen von Generationen. Die Rapperin Badmómzjay sprach mit dem Ehepaar Walter Sittler und Sigrid Klausmann über das Thema Beziehungen. Das waren Gespräche, die über Grenzen hinweg gingen.
Stimmt es, dass sie in den 17 Jahren nur zweimal eine Sendung absagen mussten?
Ja. Einmal hatte ich Corona, das muss 2021 gewesen sein. Und einmal war ich hingefallen und hatte mir wehgetan. Als ich mich an einem Freitagmorgen im Bett herumdrehte, hörte ich plötzlich ein Geräusch, als wenn ein Ast kracht. Ich hatte mir eine Rippe gebrochen. Das fand ich schon wieder so lustig, dass ich furchtbar lachen musste. Keine gute Idee mit einem Rippenbruch.
Haben Sie nach dem Ende des "Kölner Treffs" mehr Zeit für Hobbys?
Ja. Ich gehe ins Fitnessstudio, weil ich in meinem Alter gegen den Muskelabbau anarbeiten muss. (grinst) Ich spiele Golf in der Eifel. Da dürfen die Hunde mit auf den Platz. Das ist spektakulär. Und außerdem lese ich einfach wahnsinnig gerne, aber immer ein bisschen unter Druck. Ab und zu denke ich: "Du musst aber noch was anderes sehen." Und dann fahre ich in den Urlaub.
Jetzt starten Sie einen neuen Podcast "Zwischen den Zeilen". Warum haben Sie sich für dieses Format entschieden?
Gegenwärtig befinden wir uns in schwierigen Zeiten mit antidemokratischen Tendenzen. Meinungsverschiedenheiten hält man nicht mehr aus, sondern drischt aufeinander ein. Ich hatte Lust, mit Leuten intensiver ins Gespräch zu kommen – und eben nicht nur 15 Minuten mit sechs unterschiedlichen Personen wie im "Kölner Treff". Gleichzeitig möchte ich mit Menschen reden, die eine Haltung haben. Mir geht es darum, mit meinen Gästen herauszufinden: Was gibt uns Halt oder Hoffnung in dieser Zeit?
Gemeinsam lesen Sie Schlagzeilen über den prominenten Gast und besprechen sie.
Wir haben es mit meinem ersten Gast Annette Frier ausprobiert, weil über sie viel geschrieben wird und sie sich auch schon häufiger geäußert hat. Das war schon lustig, denn an manche Sachen, die sie mal gesagt hat, konnte sie sich schon gar nicht mehr erinnern. Dann relativiert man manchmal, was man selber mal gedacht oder gesagt hat. Ich habe aber auch ein Instagram-Zitat über Langeweile und Ruhe aufgegriffen, das ich an dem Tag gelesen hatte. Dann haben wir über Ruhephasen und das Runterkommen gesprochen.
Auf Ihrer Webseite steht: "Geboren in Düsseldorf, im Herzen Kölnerin."
Ich würde sagen, ich bin im Herzen Rheinländerin. Das rheinische Dreieck ist mir lieb und teuer. An Karneval bin ich am liebsten in Köln. Das gebe ich jetzt einfach mal zu. Die schönsten Wagen hat Düsseldorf mit Jacques Tilly, auch klar. Und Bonn ist einfach eine unglaublich schöne, aufregende Stadt, in der ich das große Vergnügen habe, eine Reihe an der Oper zu kuratieren und zu präsentieren, was auch großartig ist. Ich habe wahnsinnig gerne in Bonn gelebt.
Mittlerweile wohnen Sie seit 31 Jahren in Köln. Wie würden Sie die Stadt jemandem, der noch nie da war, in wenigen Worten beschreiben?
Es gibt natürlich auch eine gewisse Muffeligkeit in dieser Stadt. Aber ich glaube schon, dass Köln eine Stadt freiheitsliebender und freiheitlich denkender Menschen ist. Wenn ich nach Berlin komme, schlägt mir schlechte Laune entgegen. Und selbst der Humor ist meistens in einer schlechten Laune verpackt. Da bin ich schon sehr froh, wenn ich wieder im Rheinland bin.
Was mich wahnsinnig aufregt, ist die Zufahrt zur Philharmonie in der Trankgasse
Bettina Böttinger über ihre Heimatstadt Köln
Was läuft gut in der Stadt? Und wo gibt es Verbesserungspotenzial?
Ich habe immer in der Südstadt gewohnt. Und in den Park in der Südstadt kommen die unterschiedlichsten Leute, die einen bauen ihre Grills auf, andere machen Yoga. Wenn ich aus dem Fenster gucke und am Schreibtisch sitze, sehe ich immer mindestens einen Hund, was mich persönlich sehr freut. Und meine beiden Dackel Finchen und Ilse stehen mit der Nase quer.
Auf der anderen Seite gibt es die ganzen Mietpreiserhöhungen, das ist sehr fatal. Und was mich im Moment wahnsinnig aufregt, ist die Zufahrt zur Philharmonie in der Trankgasse. Die ist so schlecht geplant, dass es dort immer zu Riesenschlangen kommt. Die Besitzerin vom Restaurant "Em Krützche" hat mal erzählt, dass deswegen ständig Reservierungen platzen. Die Gäste rufen verzweifelt an und sagen, dass sie die Reservierung nicht wahrnehmen können, weil sie in der Zufahrt festhängen.
Natürlich müssen wir daran arbeiten, dass die Stadt autofreier und die Luft besser wird. Aber gerade, wenn wir mit so vielen Menschen von auswärts rechnen, die in der Kölner Philharmonie ein wunderbares Konzert erleben wollen, dann kann man denen das nicht schon im Vorfeld versauen.
Wenn das die größten Probleme der Stadt sind, dann geht es ihr ja ganz gut.
Dann kommen wir zu den Kürzungen im Kulturbereich. Zehn Jahre lang hat Henriette Reker versucht, diese Stadt so zu regieren, wie sie es nach bestem Wissen und Gewissen getan hat. Um es auf den Punkt zu bringen: Das ist die viertgrößte deutsche Stadt. Es ist eine Millionenstadt, in der sich sehr viel bündelt. Industrie, Kultur, Politik, Raumfahrt. Und dann besteht der Rat der Stadt Köln aus ehrenamtlichen Menschen, die über alles Mögliche entscheiden. Ich glaube, dass das Ganze professioneller organisiert werden muss. Das kostet Geld, aber das bringt auch etwas.
Es gibt viele Menschen, die Henriette Rekers zehnjährige Amtszeit durchaus kritisch sehen.
Man muss sagen, dass der Ukraine-Krieg die großen Städte und kleinen Kommunen massiv belastet hat. Das war nicht vorhersehbar. Aber die Tatsache, dass die Oper, wenn sie mal fertiggestellt sein sollte, kein Magnet für Menschen außerhalb Kölns sein wird, ist eine Katastrophe. Anders als zum Beispiel die Elbphilharmonie in Hamburg. Wir haben dann ein schönes Opernhaus im Stil der 50er-Jahre. Ich kann mir kaum vorstellen, dass jemand von außerhalb sagt: Wir tun alles, um dieses einmalige Bauwerk zu sehen.
Sie engagieren sich viel für queere Initiativen, sind selbst mit einer Frau verheiratet. Ist Köln wirklich so queer-freundlich, wie immer behauptet wird?
Jährlich nehmen in Deutschland die Angriffe auf die LGBTQ-Community zu. Das ist in Köln leider auch so. Und ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, ich würde abends als schwules Paar nicht gerne über die Ringe gehen. Trotzdem glaube ich, dass die Kölner tatsächlich ein freiheitsliebendes Völkchen sind. Ich glaube, die Allermeisten haben damit überhaupt kein Problem.
Aber es gibt eine sich radikalisierende Gruppe, die die Aggressionen dagegen offener zum Ausdruck bringt. So wie das Ungesagte heute sagbarer wird, geht es auch zum Teil offen in Handgreiflichkeiten über. Wir als Zivilgesellschaft sind aufgefordert, solidarisch zu sein und dem etwas entgegenzusetzen.
Die Italiener an der Ecke, die für Nudeln jetzt 16 Euro verlangen, wo wenig drauf ist, da bin ich raus
Bettina Böttinger über Essenspreise in Köln
Sie genießen Wein und gutes Essen. Welche Restaurants und Kneipen in Köln sollte man mal besucht haben?
Das sage ich Ihnen jetzt nicht. (grinst) Aber kürzlich habe ich von einem kleinen vietnamesischen Restaurant gelesen: It It. Da will ich unbedingt hin. Vorhin bin ich nur ganz schnell in ein libanesisches Restaurant in der Bonner Straße gelaufen, da bekommt man einen Falafel-Teller für neun Euro. Das finde ich sehr fair. Die Italiener an der Ecke, die für Nudeln jetzt 16 Euro verlangen, wo wenig drauf ist, da bin ich raus. Aber gelegentlich gönne ich mir ein richtig gutes Restaurant. Das ist dann ein Ereignis wie ein Theaterbesuch.
Apropos gönnen: Sie haben eine Rennfahrer-C-Lizenz für die Formel 3.
Hatte.
Verliert man die wieder?
Ja, die muss man jedes Jahr erneuern. Erstens ist es zeitaufwendig, zweitens kostet es Geld. Relativ viel sogar. Und dann hatte ich in Oschersleben mal einen relativ schweren Unfall.
Was ist passiert?
Bei einem Rennen bin ich irgendwann vom Führenden überrundet worden. Und der hat mich abgeschossen, weil er sich verschätzt hatte. Ich habe mich gedreht, dann ging mein Auto aus und ich wusste: In zwei oder drei Sekunden kommen die anderen Fahrer und wissen nicht, dass ich hier stehe. Das waren interessante Sekunden in meinem Leben, weil ich nicht wusste, ob ich das lebend überstehe.
Es kam zur Massenkarambolage. Der Wagen wurde komplett zerlegt. Aber ich hatte den Schalensitz, war angeschnallt und hatte den Bügel um mich herum. Ich habe nur ein Schleudertrauma erlitten. Da dachte ich mir: Es gibt Warnschüsse im Leben. Und das war das Ende meiner Rennfahrer-Karriere.
Wo wir schon von pfeilschnellen Gefährten sprechen – haben Sie Ihre 30 Jahre alte Ente (Citroën 2CV, Anm. d. Red.) eigentlich noch?
Ja. Aber die fahre ich nur noch bei Sonne. Ich habe sie meinem Nachbarn mehr oder weniger zur Verfügung gestellt. Der hat sie komplett auseinandernehmen lassen und noch mal aufgebaut. Die muss unbedingt mal in einem Spielfilm dabei sein. Wenn schönes Wetter ist, fragt mein Nachbar: "Wie wär's denn noch mal mit einer Ententour?" Und ich sage: "Komm, mach auf." Durch die Eifel fahren, wenn die Rapsfelder blühen – ich könnte ausflippen. Das ist wirklich ganz, ganz toll.
- Gespräch mit Bettina Böttinger