Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Kölner "Spielplatz"-Debatte Spiel- und Aktionsfläche für Berufsempörte

Ein neues Schild löst in Köln laute Empörung aus. Doch während Parteien und Prominente protestieren, gerät der demokratische Prozess dahinter völlig in Vergessenheit.
Köln hat ein neues Lieblingsthema für eine komplett unproduktive Diskussion gefunden: ein Wort auf einem Schild. Aktuell wird in der Domstadt darüber diskutiert, dass die Stadt den Begriff "Spielplatz" auf öffentlichen Schildern durch "Spiel- und Aktionsfläche" ersetzen will. Die Idee dahinter: Städtische Flächen sollen nicht mehr ausschließlich für kleine Kinder zur Verfügung stehen, sondern auch für Jugendliche. Die Umbenennung ist Teil eines umfassenden Inklusions- und Beteiligungsprozesses, bei dem auch Kinder und Jugendliche mitentscheiden konnten.
Dabei ist die Umbenennung kein Schnellschuss der Verwaltung, sondern Ergebnis eines demokratischen Prozesses. Bereits vor zwei Jahren wurde im Jugendhilfeausschuss – mit breiter Mehrheit von Grünen, CDU, SPD, FDP und Linken – beschlossen, die Kinder- und Jugendrechte zu stärken und Jugendliche stärker in Entscheidungen einzubinden. Das neue Schild ist das sichtbare Resultat dieser Beteiligung. Und entzündet heftige Debatten.
"Spielplatz bleibt Spielplatz" – Als ginge es um ein bedrohtes Kulturgut
Denn jetzt, wo die Umsetzung ansteht, wird die Debatte mit Schlagworten wie "Kinderschutz", "Tradition" oder "Steuerverschwendung" befeuert. Plötzlich wird aus der inklusiven Idee ein Skandal gestrickt. Parteien wie die CDU stimmten damals noch zu. Jetzt erklären sie auf Social Media: "Spielplatz bleibt Spielplatz!", als ginge es um den Schutz eines bedrohten Kulturguts. Aber ganz gleich wie der Spielplatz, oder eben die Spiel- und Aktionsfläche bald heißen mag: Die Jugendlichen und Kinder werden die Plätze ohnehin so nennen, wie sie die Plätze nennen wollen.
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Absurd wird es weiter, wenn sich neben den Parteien Prominente wie Ex-Big-Brother-Star und Medienpersönlichkeit Jürgen Milski und Gudio Cantz entrüsten. Sie vermischen Halbwissen und persönliche Befindlichkeiten – und treffen damit offenbar einen Nerv bei denen, die sich über "das Land, in dem wir leben" aufregen wollen. Wer wie Milski in seine Handykamera von "Wortklauberei" spricht und dabei übersieht, dass Jugendliche und Kinder hier tatsächlich mitgestaltet haben, der hat ganz einfach das Thema nicht verstanden.
Die "Spielplatz"-Aufregung ist ein Musterbeispiel für künstliche Debatten
Leider ging auch Oberbürgermeisterin Reker auf Distanz zur eigenen Verwaltung. Und wurde somit zum Teil überregionaler Berichterstattung. Die aktuelle Aufregung ist ein Musterbeispiel für künstliche Debatten, bei denen diejenigen am lautesten schreien, die am wenigsten Ahnung haben – oder sich an die eigene Zustimmung von damals nicht mehr erinnern wollen. Ihre Aussagen, die bereits getroffene Entscheidung, wieder zurück in den Stadtrat zu spielen, ist schwer nachvollziehbar. Denn Demokratie heißt auch: zu getroffenen Beschlüssen zu stehen – und nicht, wenn der Gegenwind weht, plötzlich auf Distanz zu gehen – das sollte der Oberbürgermeisterin klar sein.
Es geht hier nicht um den Untergang des Abendlands, sondern um ein kleines, inklusives Stück gelebter Demokratie. Wer das nicht erkennt, sollte vielleicht erst einmal nachlesen, worum es eigentlich geht – bevor er das nächste Mal lautstark Empörung ins Sommerloch gießt.
- Eigene Meinung des Autors