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Atomschutzbunker in Köln: Sie geheimnisvoll ist es im Innern


Erbe des "Kalten Krieges" in Köln
Das Geheimnis hinter den blauen Eisentüren der U-Bahn Kalk Post

Von Lisa Oder

09.08.2019Lesedauer: 4 Min.
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Eine Tür neben einer U-Bahn-Treppe in Köln: Dahinter befindet sich eine ehemalige Schutzanlage aus der Zeit des "Kalten Krieges".Vergrößern des Bildes
Eine Tür neben einer U-Bahn-Treppe in Köln: Dahinter befindet sich eine ehemalige Schutzanlage aus der Zeit des "Kalten Krieges". (Quelle: Lisa Oder)

Während des Kalten Krieges hat sich Köln auf einen Atomkrieg zwischen dem Westen und dem Osten vorbereitet. Dort, wo es wohl kaum jemand vermutet, hätten Tausende ausharren sollen

Tausende Menschen steigen jeden Tag an der Haltestelle Kalk Post in Köln in die KVB-Linien 1 und 9. Die meisten davon laufen auf ihrem Weg einfach an ihr vorbei – an der blauen eisernen Tür in der Schalterhalle. Kaum einer weiß, was sich tatsächlich hinter ihr verbirgt: Während des Kalten Krieges baute die Stadt Köln 1979 hier eine sogenannte Schutzanlage.

Im Falle eines Atomangriffes hätte sich die Kalker U-Bahnstation binnen kürzester Zeit in eine von außen abgeschottete Schutzanlage umwandeln lassen. Drei dicke Stahltore sollten die Wege zur Schalterhalle sperren, sechs Bahnen die Menschen direkt in den Bunker hineinfahren. Danach hätten auch im Gleis zwei breite Stahltore die Tunnel verschlossen. 14 Tage lang hätten 2.366 Menschen hier gemeinsam die Katastrophe überleben können.

Auch die beiden Kalker Daniel Mentjukov und Christian Diete wussten lange nicht, was sich hinter der blauen Tür verbirgt. Obwohl beide jeden Tag nur wenige Meter entfernt in die Bahn ein- oder ausstiegen. Als Mentjukov den Aufsteller der Dokumentationsstätte Kalter Krieg (DOKK) in der Schalthalle bemerkte, meldete er sich und seinen Freund zur Führung an. "Es gab immer Gerüchte, dass sich hinter der Tür eine Art Atomschutzbunker verbirgt. Rein vom Äußeren würde man ja eigentlich eher einen Putzraum erwarten", sagt Mentjukov.

Langer Gang führt ins Innere des Bunkers

Jeden ersten Sonntag im Monat lüften die ehrenamtlichen Mitarbeiter des DOKKs bei zwei Führungen das Geheimnis hinter der blauen Tür. Besucher können sich von den Vereinsmitgliedern auch regelmäßig durch weitere Bunker oder preußische Festungen führen lassen. Ziel der drei Vereine, die die Anlagen erhalten, ist es laut des ersten Vorsitzenden Robert Schwienbacher, "keinen Teil der Geschichte zu verstecken und die Architektur des Unerfreulichen in Köln zu erforschen, zu dokumentieren und zu zeigen".



Gemeinsam geht es für die Gruppe, die an einem Sonntag Anfang August an der Führung teilnimmt, den langen, dunklen Gang entlang. An beiden Seiten führen Treppen hinab zu den Gleisen. Mehrere Türen mit Aufschriften wie "Z51 Damen Toilette" und "Z66 Umluftraum" säumen den Weg. Der Boden vibriert, wenn die Bahnen unten einfahren. Die Luft ist stickig. Der Weg endet in der einstigen Krankenstation der Schutzanlage.

Inzwischen hat der Verein einen der Lazaretträume umfunktioniert. Vorne befinden sich Beamer und Laptop, auf der Wand ist ein riesiger Atompilz abgebildet. An den Wänden hinten stehen mehrere vierstöckige Betten. Auf der untersten Liege lehnen einige Kissen an die Wand an. Von den oberen Liegen hängen Gurte herab. "Falls sich das Gebäude bewegt, fällt so niemand direkt aus dem Bett", erklärt später der Schriftführer des Vereins, Andreas Altena, den Besuchern die Konstruktion.

Platz für bis zu 2.500 Menschen

Es wird eng, als sich alle Besucher in dem Aufenthaltsraum sammeln. Dabei befinden sich weit weniger Menschen in dem Raum, als für den Ernstfall geplant. "Der Raum hier war für etwa doppelt so viele Menschen ausgelegt", erzählt Schwienbacher. Im Ernstfall hätten sogar in den Bahnen Matten zum Schlafen ausgelegen. Die Gänge zwischen den Betten wären nur 60 Zentimeter breit gewesen. Es wäre kaum möglich gewesen, aufzustehen und durch die Anlage zu laufen.

Schwienbacher nimmt die Leute mit in die Zeit des Kalten Krieges. Als sich die USA und die Sowjetunion gegenüberstanden und es lange Zeit so aussah, als gebe es keinerlei Alternative zu einem Dritten Weltkrieg. Auch der Rudolfplatz in der Innenstadt sollte damals im Ernstfall circa 1.500 Menschen Schutz bieten. Doch was wäre mit den restlichen Bewohnern passiert? Schließlich lebten auch 1979 schon etwa eine Million Menschen in der Stadt. "Die sollten alle einen eigenen Schutzbau haben. Die beiden Anlagen waren nur für Durchreisende gedacht, die es nicht mehr rechtzeitig nach Hause geschafft hätten", erklärt Schwienbacher.

Mancher aus der Besuchergruppe schnauft verächtlich. Denn damals hatte wohl kaum jemand eine solche Schutzanlage im eigenen Garten stehen. "Wir fragen immer in die Runde, ob irgendwer eine solche Anlage privat besitzt. Bisher haben wir leider niemanden gefunden", sagt Schwienbacher.

Die Luft wird schon bei einer kleinen Gruppe knapp

Je mehr er und seine Vereinskollegen erzählen, desto planloser wirkt die Idee der Schutzanlagen. So hätte es beispielsweise schon 14 Tage gedauert, alles für den Notfall vorzubereiten. Auch, ob die Anlage überhaupt den Einschlag einer Atombombe überstanden hätte, bleibt fraglich. Denn die Bombe hätte mindestens 20 Kilometer entfernt einschlagen müssen. Obwohl sowohl Köln als auch die damalige Bundeshauptstadt Bonn wahrscheinlich Ziele eines Angriffs gewesen wären.

Am meisten vernachlässigt hatten die Planer wohl den Menschen selbst. Schließlich können 14 Tage eine lange Zeit sein. Kaum Platz, die Luft wird trotz der Lüftungsanlage schnell stickig. Duschen gibt es keine. Niemand weiß, was draußen passiert. Es gibt keinen Kontakt zur Außenwelt. Nur der Bunkerwart durfte das grüne Telefon nutzen, um das Warnamt anzurufen. Wahrscheinlich gibt es Verletzte. "Es gibt einen kleinen Raum, in dem die Leichen untergebracht worden wären. Es ist der einzige Raum ohne Beschriftung", erzählt Schriftführer Altena auf den langen Wegen durch die Anlage.

Essen nur alle zwei Tage geben

Alle zwei Tage war für jeden eine Ein-Mann-Ration der Bundeswehr eingeplant. "Hier sind zum Beispiel Ravioli mit Champignons und Hartkekse drinnen", sagt Altena und hält eine Pappbox mit mehreren verschweißten Boxen hoch.



Der Sinn der Anlage war es, zu überleben. "So richtig fit hätten Sie die Anlage nicht verlassen", ist sich Altena sicher. Wenn es denn überhaupt wieder raus gegangen wäre. Schließlich hätte draußen ein Atomkrieg getobt. Was nach den 14 Tagen gekommen wäre, wenn der Diesel für das Dieselaggregat alle und der Strom ausgegangen wäre? "Am Ende des Handbuchs steht, dass die Zivilisten hinausgeführt werden sollen und sie dann Busse abholen", antwortet Altena einem fragenden Teilnehmer und muss dabei leicht lächeln.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • Gespräche mit Teilnehmern der Führung
  • Gespräche mit Robert Schwienbacher und Andreas Altena
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