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Köln: So schwer ist es derzeit, Drogensüchtigen zu helfen


Drogenszene in Corona-Zeiten
"Blaue Lippen lassen sich unter der Maske nicht erkennen"

Lilover Laylany

Aktualisiert am 10.02.2021Lesedauer: 3 Min.
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Je ein Beratungsbus und ein Konsumbus stehen am Cäcilienhof: Hier finden Suchtkranke Hilfe.Vergrößern des Bildes
Je ein Beratungsbus und ein Konsumbus stehen am Cäcilienhof: Hier finden Suchtkranke Hilfe. (Quelle: Gesundheitsamt Köln)

Saubere und geschützte Drogenkonsumräume sind in Köln knapp. Bei dem mobilen Drogenbus am Cäcilienhof arbeiten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teils an der Kapazitätsgrenze. Die Corona-Krise erschwert die Arbeit mit den Suchtkranken zusätzlich.

Das Innere des kleinen Busses erinnert ein bisschen an einen umgebauten Krankenwagen. An der Wand hängen Regale mit Spritzen und Kanülen, penibel geordnet und nach Länge beschriftet. Auf einem kleinen Metalltisch liegt eine Nierenschale, wie man sie vom Zahnarzt kennt. Dennoch ist dies kein Ort, an dem Menschen gesund werden: "Wir heilen nicht, sondern leisten Überlebenshilfe", betont Stefan Lehmann. Seit Dezember 2019 leitet er das "mobile Drogenhilfeangebot", kurz "Konsumbus" genannt, das vom städtischen Gesundheitsamt am Cäcilienhof aufgestellt wurde.

Beim Thema Konsumräume ist Köln eines der Schlusslichter in Deutschland. Nur zwei Konsumräume mit insgesamt sieben Plätzen stehen den schätzungsweise 10.000 Drogenabhängigen zur Verfügung. Unter ärztlicher Aufsicht dürfen Süchtige hier ihre mitgebrachten Drogen injizieren oder rauchen. Sie bekommen dann eine OP-Maske ausgehändigt, nennen ihren Namen und die Droge, die sie konsumieren möchten und erhalten schließlich von den Mitarbeitenden die gewünschten Utensilien. Das sind meist ein Pfännchen, Wasser zum Aufkochen von Heroin, ein Filter und eine sterile Spritze.

Blaue Lippen sind unter der Maske nicht erkennbar

Die Corona-Situation habe die Arbeit mit den Suchtkranken in einigen Punkten erschwert, erzählt Sozialarbeiterin Sonja Schwab. Um bei Notfällen rechtzeitig eingreifen zu können, ist es wichtig, Gestik und Mimik der Konsumierenden zu beobachten – das falle nun wegen der Maske weg. Wichtige Anzeichen einer Überdosis, wie etwa blaue Lippen, seien hinter der Maske unmöglich zu erkennen. "Wir achten daher jetzt verstärkt auf Augen, Ohren und Körperhaltung."

Die aktuellen Beschränkungen seien für viele Suchtkranke eine Herausforderung. "90 Prozent derjenigen, die zu uns kommen, sind obdachlos und aufs Flaschensammeln und Betteln angewiesen", erklärt Schwab. Für die meisten bedeute die Corona-Krise deshalb vor allem eines: leere Straßen. Einnahmen aus Bettelei oder dem Sammeln von Pfandflaschen gingen zurück, dafür nehme Beschaffungskriminalität zu. Zudem sei es deutlich schwieriger geworden an Drogen zu kommen, denn durch die verstärkten Polizeikontrollen gebe es kaum Dealer, die sich zum Neumarkt trauen.

"Der Großteil ist einfach nur dankbar"

In seiner Art und Weise ist der extra angefertigte Konsumbus deutschlandweit einmalig. Ein ähnlicher Bus des Vereins "Fixpunkt" in Berlin, unterscheidet sich vor allem darin, dass dieser von Ort zu Ort zu den Drogenabhängigen fährt. Sein Kölner Pendant bleibt jedoch bewusst an der immer gleichen Stelle. Feste Betriebszeiten und ein festgelegter Standort sollen für Struktur in dem unstrukturierten Alltag der Suchtkranken sorgen.

Auch die Lage des Busses ist nicht willkürlich gewählt: Der kleine Cäcilienhof, zwischen dem Cäcilienkloster und der Jesuitenkirche Sankt Peter, war lange ein Hotspot in der Drogenszene. "Deswegen sind wir ja hier, wir bringen die Einrichtung quasi zu den Menschen", sagt Sonja Schwab.

Der Ansturm sei von Beginn an groß gewesen: Bis zu 90 Mal am Tag wurde das Angebot im Sommer genutzt. Bis zu 90 Konsumvorgänge, die nicht auf der Straße stattfinden mussten. Der Großteil der Klienten sei daher einfach nur dankbar, erzählt Lehmann. Hier bekommen sie saubere Spritzen, medizinische Hilfe und vor allem Privatsphäre.

Schließlich ist es für die Drogenabhängigen, die sich oftmals in den Oberschenkel spritzen, ein höchst intimer Vorgang, der andernfalls unter den Augen der Öffentlichkeit passiert. Lehmann und seinem Team gehe es daher auch um den Aspekt der Menschenwürde. Einen Kaffee trinken, mit den Suchtberatern ins Gespräch kommen und, wenn gewünscht, an Beratungsstellen weitervermittelt werden – diese Aspekte schaffen einen sicheren Raum, in dem die Suchtkranken in erster Linie als Mensch wahrgenommen werden.

Nach einem positiven Fall musste der Bus für eine Woche schließen

Für die Mitarbeitenden gelten strenge Vorgaben: Bei der Arbeit müssen sie FFP2-Masken tragen, zudem werden sie wöchentlich getestet. Trotz der Schutzmaßnahmen musste der Bus Ende des vergangenen Jahres für eine Woche schließen. Der Grund: Eine Mitarbeiterin war positiv getestet worden. Vier weitere Mitarbeitende begaben sich sofort ebenfalls in Quarantäne. Zu groß war die Sorge, dass sie sich auch angesteckt haben könnten. Da das Team ohnehin schon im Notbetrieb arbeitete, musste der Bus vorerst ganz geschlossen werden.

Mittlerweile hat der Bus seine Arbeit wieder aufgenommen. Man habe sich an die Lage angepasst, sagt Lehmann achselzuckend. Maskenpflicht und Abstand seien auch für sie zur Routine geworden. Trotzdem hoffe er, dass die Busse bald von einem stationären Konsumplatz abgelöst werden. Denn schon jetzt steigt die Zahl der Menschen, die im Bus konsumieren möchten, wieder an. Spätestens im Frühling werden Lehmann und sein Team wieder alle Hände voll zu tun haben.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Stefan Lehmann und Sonja Schwab
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