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Wie Klimaaktivisten München überrollt haben – und was sie stoppen könnte


"Letzte Generation" hat München überrollt
"Bayern steht für Versagen in der Klimakrise"

Von Christof Paulus

16.12.2022Lesedauer: 4 Min.
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Zwei Klimaaktivisten nehmen an einer Protestaktion der Gruppe "Letzte Generation" teil, indem sie versuchen sich auf einer Straße festzukleben. Die Aktion fand trotz einer Allgemeinverfügung der Stadt München zu Klimaprotesten statt.Vergrößern des Bildes
Zwei Klimaaktivisten nehmen an einer Protestaktion der Gruppe "Letzte Generation" teil, indem sie versuchen, sich auf einer Straße festzukleben. Die Aktion fand trotz einer Allgemeinverfügung der Stadt München zu Klimaprotesten statt. (Quelle: Peter Kneffel / dpa)

Auf Härte reagierte sie mit mehr Ungehorsam: Seit vergangener Woche protestiert die "Letzte Generation" so viel wie nie. Ein Sprecher verrät, was sie stoppen würde.

So war das eigentlich nicht angekündigt. Vergangene Woche hieß es vonseiten der "Letzten Generation" im Gespräch mit t-online noch, dass der Fokus der Aktivisten vorerst nicht mehr auf München liege. Am Mittwoch blockierten sie dennoch in der bayerischen Hauptstadt den Verkehr, wenn auch weniger erfolgreich als zuvor. Dieser Tage wird immer klarer: Beide Seiten in dieser bizarren Auseinandersetzung wollen sich nichts mehr gefallen lassen.

Ein Blick zurück: Nach einzelnen Protesten im Laufe des Jahres – etwa, als sich ein Aktivist bei einem Spiel des FC Bayern an den Pfosten ketten wollte – klebten sich Anfang November Klimaaktivisten erst an Fahrzeuge in einem Ausstellungssaal von BMW, wenig später auch auf die Straße. Viele von ihnen kamen danach in Polizeigewahrsam, der 30 Tage dauern sollte: ohne Gerichtsverhandlung ein Monat Gefängnis.

Konflikt zwischen Klimaaktivisten und der Stadt München

Die Aktivisten wurden zwar etwas früher entlassen, doch wenig später zu Geldstrafen wegen Nötigung verurteilt. Was dann folgte, war erstmals eine vorab angekündigte Aktion und dann ein konzentrierter und geballter Protest, der München vergangene Woche regelrecht überrollte. Schon am Montag gab es unzählige Straßenblockaden, es folgten noch mehr Blockaden, Proteste auf Autobahnbrücken, absichtliche Behinderungen im Flugverkehr. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Die Behörden drehten die Eskalationsspirale weiter.

Fortan verbot München die Straßenblockaden, bei denen die Aktivisten sich auf der Straße festklebten. Erneut mussten einige Mitglieder der "Letzten Generation" in Präventivhaft. Und am Dienstag startete die Polizei eine bundesweite Razzia gegen Aktivisten, da diese im Verdacht stünden, eine "kriminelle Organisation" zu sein. Da passte es ins Bild, dass sie nach eigenen Angaben ihren "Lieblings-Sekundenkleber" nicht mehr kaufen konnten, da dieser wegen "behördlicher Beanstandung" zurückgerufen worden sei.

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Der Versuch, sich am Mittwoch mit einer großen Menge Kleister am Altstadtringtunnel festzukleben, scheiterte zwar. Allein durch ihren Sitzstreik, ohne dabei festgeklebt gewesen zu sein, blockierten die Aktivisten jedoch für eine gewisse Zeit den Verkehr, wie die Polizei berichtet. Eine Sprecherin der "Letzten Generation" bestätigt auf Nachfrage von t-online, dass die neue Blockade eine Reaktion auf die jüngsten "Einschüchterungsversuche" gewesen sei, wie sie das Vorgehen von Polizei und Verwaltung nennt.

Klimaaktivisten in München wollen 9-Euro-Ticket

Worum es hier eigentlich geht, kann man angesichts des Kleinkriegs leicht vergessen. "Unser Protest richtet sich in erster Linie gegen die Bundesregierung", sagt Jakob Beyer, einer der Aktivisten. Sie tue zu wenig, um die Klimakrise zu bekämpfen. Konkret fordert die "Letzte Generation" aktuell ein 9-Euro-Ticket sowie ein Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde auf der Autobahn. "Das sind leicht umsetzbare Ziele", findet Beyer.

"Leichte Ziele" zu setzen entspreche dem Wesen der Aktivisten, meint er: Schließlich hätten sie keinen Spaß an ihren Aktionen. Sie fühlen sich durch die Bundesregierung dazu gezwungen und wollen eigentlich zu einem Ende kommen, wenn die Politik endlich handle. Ob und wann sie kompromissbereit sind, könnten die Aktivisten nicht sagen, erklärt Beyer. Nun sei es wichtig, Druck auf die Politik zu erzeugen und sich nicht einschüchtern zu lassen.

Auch von den Razzien nicht. Beyer war selbst davon betroffen. Nachdem er im November in München protestiert hatte und anschließend drei Wochen im Münchner Gefängnis in Stadelheim in Gewahrsam war, muss er nun in Leipzig bleiben und sich zweimal pro Woche bei den Behörden melden – während sein Zuhause wie schon im November nun erneut von Behörden durchkämmt wurde und er keine elektronischen Geräte mehr habe, wie er mitteilt. Wie lange ihn das von erneuten Aktionen abhält, wisse er nicht. Schließlich zeige sich auch in München, dass Aktivisten selbst dann auf die Straße gehen, wenn ihnen Gefängnis droht.

Warum Bayern in der Klimakrise ein Brandbeschleuniger ist

In Bayern sei das besonders wichtig. Unter anderem, weil der Freistaat mit seiner Politik es schon lange nicht schaffe umzudenken. Das zeige sich etwa daran, dass Gesetze es nur an wenigen Orten zulassen, Windräder aufzustellen – und gebaut werden diese noch seltener. "Bayern steht symbolisch für das Versagen in der Klimakrise", findet Beyer. Und das nicht nur mit seiner Klimapolitik. Auch der Umgang mit den Aktivisten spreche Bände.

Eine Sprecherin der "Letzten Generation" nennt das Vorgehen der Ermittler "absurd". Die wahren Kriminellen, das seien die Mitglieder der Bundesregierung, nicht die Aktivisten. Immer wieder klingt in Gesprächen mit der Gruppierung durch, dass sie sich gerne stoppen ließe, indem die Regierung ihre Forderungen erfülle. Druck seitens der Behörden führte bislang nur zum Gegenteil. Es ist den Aktivisten ein Anliegen, ihre Entschlossenheit zu demonstrieren. "Wir wollen nicht beliebt sein", sagt Beyer. "Sondern Leben schützen."

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Dass zwei von drei Koalitionspartnern der Ampelregierung sich für ein Tempolimit aussprachen, will er nicht gelten lassen. "SPD und Grüne können sich nicht hinter der FDP verstecken", sagt Beyer. Fragt man ihn nach der Strategie, um die Ziele durchzusetzen, geht es immer um Druck und Entschlossenheit. Wie etwa Gegner des Tempolimits vom Gegenteil überzeugt werden könnten, bleibt offen. Um politische Mehrheiten geht es der "Letzten Generation" nicht. Sondern um Forderungen. Politik soll die Regierung machen.

Die präsentiert sich im Umgang mit der "Letzten Generation" nicht konstruktiver als die Aktivisten selbst. Hatte der Protest, der in Deutschland immerhin bereits seit gut einem Jahr läuft, politisch bisher keine Wirkung, sorgen auch die Gegenmaßnahmen nicht für Entspannung. Indem die Polizei Häuser durchsuchte und Aktivisten ins Gefängnis steckte, hat sie einige der schärfsten Mittel schon früh ausgeschöpft, ohne dass sich die Demonstranten von ihren Aktionen abhalten ließen – ganz im Gegenteil.

Was passiert, solange sich niemand auf die Gegenseite zubewegt, kann man nur vermuten. Schon bei ihrem Protest am Mittwoch spielten die Aktivisten mit Drohungen. "Was wird Dienstag wohl passieren?" schrieben sie auf ein Plakat, das vor ihnen lag, mitten im Kleister, mit dem sie sich erfolglos auf die Fahrbahn kleben wollten. Inzwischen ist klar, was kommen soll: Eine erneute Straßenblockade am Stachus in München. Es geht also weiter.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Jakob Beyer
  • Nachrichtenagentur dpa
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