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Spider-Murphy-Gang-Sänger vor Konzerten in München "Prostitution wird es immer geben"


Spider Murphy Gang
"Prostitution wird es immer geben"

InterviewVon Reinhard Franke

02.04.2023Lesedauer: 8 Min.
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Sänger Günther Sigl bei einem Auftritt der Spider Murphy Gang (Archivbild): Im Interview mit t-online spricht er über "Skandal im Sperrbezirk" und was die Debatte damals mit "Layla" zu tun hatte.Vergrößern des Bildes
Sänger Günther Sigl bei einem Auftritt der Spider Murphy Gang (Archivbild): Im Interview mit t-online spricht er über "Skandal im Sperrbezirk" und was die Debatte damals mit "Layla" zu tun hatte. (Quelle: IMAGO / Bildagentur Monn)

Sie sangen 1981 einen Skandal-Hit, der Wellen schlug wie "Layla" vergangenes Jahr: Kommende Woche spielt die Spider Murphy Gang wieder in München.

Die Spider Murphy Gang ist über die Grenzen der bayrischen Landeshauptstadt bekannt. Mit dem Song "Skandal im Sperrbezirk" gelang ihnen 1981 ein Nummer-eins-Hit im deutschsprachigen Raum, der aber nicht nur auf Begeisterung stieß. Im Radio wurde "Skandal im Sperrbezirk" nicht gespielt – zu obszön soll der Text gewesen sein. Als rund um den Sommerhit "Layla" vergangenes Jahr eine ähnliche Debatte aufkam, zogen viele Parallelen zur Spider Murphy Gang.

Vom 10. April bis 16. November wird die Band wieder deutschlandweit unterwegs sein. Am 6. Juli spielt die bayerische Kultband auf dem Tollwood-Festival in München – und gibt schon vorher kleinere Konzerte in der Landeshauptstadt. t-online besuchte Sigl zu Hause in Gräfelfing bei München. Im Interview spricht der 76-Jährige über die Geschichte der Spider Murphy Gang, deren größten Hit und "Layla".

t-online: Herr Sigl, über 40 Jahre Spider Murphy Gang, Rosi und Schickeria. Können Sie "Skandal im Sperrbezirk" und "Schickeria" überhaupt noch hören?

Günther Sigl: Natürlich! Das macht immer noch viel Spaß. Es ist wunderbar, dass wir diese Songs geschrieben haben. Da leben wir heute noch gut davon. Wenn die Lieder auf der Wiesn gespielt werden, klingelt‘s auf dem Konto. Diese beiden Songs sind Klassiker und haben immer noch eine extreme Kraft, reißen uns weiterhin mit und haben sich nicht abgenutzt. Schon bei den ersten Akkorden explodieren die Säle. Egal, wo wir spielen, im Norden oder im Osten.

Sie spielen überall, wo eine Steckdose ist…

Das stimmt. Wir haben sogar schon beim Neujahrsempfang vom Ministerpräsidenten gespielt. Da wurden wir eingeladen. Den bayerischen Verdienstorden habe ich auch schon verliehen bekommen. Schade, dass das mein Vater nicht erlebt hat, er wäre mächtig stolz gewesen. Er hatte es nicht leicht, zog mit 19 in den Krieg, war später arbeitslos, musste aber die Familie ernähren. Als ich meinen Bank-Job gekündigt habe, ist mein Vater verrückt geworden. Musiker war nichts für ihn, dennoch hat er mich immer unterstützt. Als dann die ersten Erfolge kamen, waren meine Eltern aber stolz.

Der kleine Sigl mit dem bayerischen Verdienstorden. Wie haben Sie sich gefühlt?

Ich habe das gar nicht glauben können. Wir wollten raus aus dem Hamsterrad und nicht zum Establishment gehören. Wir waren Rock‘n‘Roll. Das war ein ganz anderes Lebensgefühl mit Freiheit und Unabhängigkeit. Deshalb habe ich ja meinen Job bei der Bank aufgegeben.

Sie wurden von Georg Kostya vom BR entdeckt.

Richtig. Er hatte eine feste Sendung und war unser großer Förderer. Wir haben unseren Rock’n‘Roll gespielt und kamen gut bei den Leuten an. Wir haben Englisch gesungen, aber Georg meinte "Ihr müsst deutsche Texte machen". Unser erstes Lied war der "Rock House Song", er klang schwer nach "Jailhouse Rock". Ich habe jeden Monat einen neuen Song geschrieben. Und mit deutschen Texten konnte ich Geschichten ganz anders erzählen. Ich kam erst mit 20 nach München und habe in den Songs beschrieben, was ich erlebt habe. Wir waren viel in Schwabing unterwegs. Unseren ersten Plattenvertrag bekamen wir bei einer Plattenfirma in Köln. Wir sind mit unserem VW-Bus hingefahren, und unsere erste Platte "Rock‘n’Roll Schuah" war schnell im Kasten, es folgte das zweite Album "Dolce Vita", mit dem uns der Durchbruch gelang. Mit "Skandal im Sperrbezirk" ging es dann ab. Leider haben die Radios den Song nicht gespielt.

Wie haben Sie erfahren, dass die Nummer dennoch steil ging?

An meinem Geburtstag rief mich der Promoter von unserer Plattenfirma an und sagte, dass wir mit "Skandal" und "Dolce Vita" Nummer 1 in den Charts waren. Und plötzlich waren wir auf der Titelseite der "Bravo". Auf das Cover vom "Rolling Stone" haben wir es leider nicht geschafft, so international waren wir nicht. Wir waren aber regelmäßig in der "Bravo" und es gab einen Riesen-Hype. Plötzlich waren wir bei der Neuen Deutschen Welle dabei. Dabei waren wir keine NDW-Band. (lacht)

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Dann ging es ab …

Und wie. "Skandal im Sperrbezirk" hat uns gutgetan. Von der Kneipe in Schwabing ging es ruckzuck in die Dortmunder Westfalenhalle vor 15.000 Leuten. Thomas Gottschalk hat uns anmoderiert. Deutsche Bands waren blitzschnell hip. Und wir waren mittendrin. Wir hatten einen Vorteil gegenüber den anderen Bands …

Welchen?

Wir waren eine Liveband. Wir haben immer live gespielt. Andere Künstler wussten gar nicht, was das ist.

Wie haben Sie damals die wilde Zeit in München gelebt? Sex, Drugs und Rock‘n‘Roll?

Sex und Rock‘n‘Roll ja, Drogen habe ich nie probiert. Obwohl ich ja kein Rock‘n‘Roller war. Das war immer die Sache vom Barny (Bandkollege und Gründungsmitglied Barny Murphy, bürgerlich Gerhard Gmell, d. Red.). Der Franz (der ehemalige Spiders-Schlagzeuger Franz Trojan, 2021 verstorben, d. Red.) war auch voll dabei. Die Jungs sind ja zehn Jahre jünger als ich. 1982, als das mit "Skandal im Sperrbezirk" losging, war ich 35 und bin Vater geworden. Ich konnte im Gegensatz zu den anderen in der Band mit Geld umgehen, weil ich die Bank-Lehre abgeschlossen hatte. Mit Drogen wollte ich nichts zu tun haben. Ich hatte dreimal als Jugendlicher einen Vollrausch, habe aber nie geraucht. Deswegen habe ich auch Haschisch nicht angerührt. Um mich herum war das aber ganz normal. Da wurde gekifft ohne Ende. In der Olympiahalle haben die Leute beim Konzert von Grateful Dead ihre Patchwork-Decken ausgebreitet und gekifft. Wie ein Picknick. Und es war eine süße Wolke in der Halle und alle waren high.

Mit "Skandal im Sperrbezirk" wurden Sie berühmt. Wie haben Sie eigentlich die "Layla"-Debatte wahrgenommen? Der Sommerhit sorgte im vergangenen Jahr für mächtig Aufsehen.

Ich habe das mitbekommen. Schöner, schneller, geiler. Der Song wurde mit unserem Hit "Skandal im Sperrbezirk" verglichen. Ich habe die Aufregung nicht verstanden. "Skandal" ist eigentlich ein sozialkritischer Text mit einer gewissen Doppelmoral. Gerade in München war das ein Riesentheater. Die Stadtoberen wollten zur Olympiade 1972 eine saubere Stadt präsentieren und haben dann den Sperrbezirk eingeführt. Der Skandal war, dass die Rosi im Sperrbezirk illegalerweise ihrem Gewerbe nachgegangen ist.

"Layla" wurde vergangenen Sommer auf einem Volksfest verboten, auch die Oktoberfestwirte wollten es auf der Wiesn nicht haben.

Das kam auf durch die Me-Too-Debatte und die Rechte der Frauen. Alles ist inzwischen reglementiert, aber "Layla" kann man nicht mit unserem Song vergleichen. Rock‘n‘Roll bedeutet doch nichts anderes als Sex. Warum "Layla" verboten wurde, habe ich nicht nachvollziehen können. Rapper bringen schließlich noch derbere Texte. Was soll das? "Layla" ist ein Geplänkel, mehr nicht. Aber die Debatte um den Song ist den Jungs zugutegekommen. Uns hat es auch nicht geschadet, dass "Skandal" im Radio verboten wurde. Im Gegenteil. Nur über Mundpropaganda wurde der Song ein Hit. Und 1982 war er der Faschingshit schlechthin. Damals haben Jugendliche in den Diskotheken dem DJ einen Zwanziger hingelegt, damit er "Skandal im Sperrbezirk" mehrmals spielt.

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Die Spider Murphy Gang auf einem Foto in der Münchner Stachus-Passage (Archivbild): Die Band gehört zu den bekanntesten Musikern Deutschlands.
Die Spider Murphy Gang auf einem Foto in der Münchner Stachus-Passage (Archivbild): Die Band gehört zu den bekanntesten Musikgruppen Deutschlands. (Quelle: Lindenthaler/imago-images-bilder)

Zur Person

Günther Sigl wurde am 8. Februar 1947 im oberbayerischen Schongau geboren. 1977 war er Gründungsmitglied der Spider Murphy Gang, die 1981 mit "Skandal im Sperrbezirk" ihren größten Hit landete. Auch nach 46 Jahren ist die Band noch auf Tour: Kommende Woche spielt sie am 6., 8. und 9. April Unplugged-Konzerte im Münchner Lustspielhaus. Es folgen weitere Konzerte in Deutschland und Österreich, darunter auch ein Auftritt mit der Münchner Freiheit am 7. Juli auf dem Tollwood-Festival im Olympiapark.

In dem Song geht um eine Sexarbeiterin namens "Layla", und in einer der Textzeilen heißt es: "Ich hab' 'n Puff, und meine Puffmama heißt Layla, sie ist schöner, jünger, geiler". Können Sie verstehen, dass es zwischen "Layla" und "Skandal" viele Verweise gibt?

Schon. Bei uns gab es damals auch Proteste. Dabei habe ich nur die Gesellschaft abgebildet. Klar, die Frauen werden in dem Gewerbe ausgebeutet, aber die Männer genauso. Der sexuelle Notstand der Kerle wird ausgenutzt und zu Kohle gemacht. Prostitution wird es immer geben.

War Ihnen 1982 bewusst, dass "Skandal" für Aufregung sorgen könnte?

Daran habe ich keinen Gedanken verschwendet. Die Idee dahinter war der Schlagerhit "Skandal um Rosi" von Erik Silvester. Wir fuhren damals zum Proben und im Radio lief der Song. Das war ein ganz harmloser Schlager. Ich kam dann auf die Idee, dass man das rausschreien muss. Dann haben wir das live gespielt, aber dass es solch eine Kontroverse auslösen würde, habe ich nicht gedacht. Bis heute hat sich die Gesellschaft nicht verändert, im Gegenteil, sie wird aus meiner Sicht immer konservativer.

Würden Sie sich wünschen, dass zukünftig nicht gleich bei jedem anrüchigen Text eine Debatte losgetreten wird?

Ganz klar ja. Aber ich glaube nicht, dass das aufhören wird. Leider. Ich rege mich über diese Doppelmoral nicht mehr auf. Auf den Faschingsbällen wurde früher unter den Bänken gevögelt, da hat sich keiner aufgeregt.

Gab es in Ihrem Leben mal einen handfesten Skandal?

Eigentlich nicht. Anständig waren wir sicher nicht, aber einen großen Skandal gab es nicht. Sex, Drugs & Rock‘n‘Roll wurde gelebt, aber mehr nicht. Es ist nichts öffentlich geworden.

Was machen Sie, wenn Sie nicht auf der Bühne stehen?

Dann schnappe ich mir meine Gitarre und spiele vor mich hin. Ich stehe morgens auf, mache mir meinen Cappuccino, frühstücke und lese erst mal in aller Ruhe die Zeitung. Zeitunglesen ist für mich ganz wichtig. Ich spiele später alte Songs oder gehe eine Runde spazieren. Ich bin ein Freund von Bewegung. Ab und zu kommt Barny vorbei und wir jammen etwas.

Barny und Sie sind dicke Freunde, oder?

In der Anfangszeit haben wir alles miteinander gemacht, da waren wir sogar zusammen im Urlaub. Jetzt haben wir etwas mehr Abstand. Es ist nach wie vor eine enge Freundschaft. Manchmal könnte ich ihn erwürgen, er mich auch. (lacht)

Wieviel haben Sie zu den erfolgreichen NDW-Zeiten eigentlich verdient?

Ich habe damals eine Million Mark überwiesen bekommen, ich konnte immer gut von der Musik leben. Ich konnte aber auch immer gut mit Geld umgehen. Eine Million war zwar auf dem Konto, aber zwei Jahre später meldete sich das Finanzamt und wollte über die Hälfte zurückhaben. Aber ich habe nie über meine Verhältnisse gelebt. Ich habe ein Doppelhaus gebaut. In der einen Hälfte wohnt meine Ex-Frau, in der anderen mein Sohn mit seiner Familie. Das ist mein Luxus.

Seit 20 Jahren hat die Spider Murphy Gang kein Album mehr veröffentlicht. Sie können offenbar von den alten Hits gut leben, oder?

So ist es. Wir spielen viele Konzerte. Als der ganz große Hype vorbei war, gab es auch viele blöde Kommentare, weil wir jahrelang nur präsent waren. Wir haben dann in Bierzelten gespielt. Wenn die Feuerwehr gefeiert hat, sind wir da auch aufgetreten. Und unsere alten Hits wurden immer wieder gespielt auf der Wiesn und im Radio. Wir haben weiter Rock‘n‘Roll gespielt und kein "Ein Prosit der Gemütlichkeit". Und die Leute haben uns gefeiert. Auch heute haben wir noch unsere treuen Fans, weil sie sagen "Das war damals unser erstes Konzert". Deshalb brauchen wir kein neues Album. Wir haben immer überall live gespielt, deshalb haben wir auch die Krise in den 1990er-Jahren gut überlebt. Plötzlich waren wir Kult. Und heute leben wir weiter gut von unserer Musik. Wir werden inzwischen auch auf große Festivals eingeladen. Erst waren wir Kult, heute sind wir Legenden.

Und wie lange wird es die Spider Murphy Gang noch geben?

Wenn wir gebucht werden, spielen wir auch. Wir müssen nur gesund bleiben. Aber da mache ich mir keine Sorgen. Ich bin so unverschämt gesund. Ich kann es kaum glauben.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Günther Sigl
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