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Illegale Autorennen: "Die Autos der beiden Raser waren wie Raketen"


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Illegale Autorennen: "Die Autos der beiden Raser waren wie Raketen"


26.05.2023Lesedauer: 3 Min.
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Ein völlig demolierter Jeep: Unfallwrack nach einem illegalen Autorennen in Berlin.Vergrößern des Bildes
Ein völlig demolierter Jeep: Unfallwrack nach einem illegalen Autorennen in Berlin. (Quelle: Patrik Stäbler )

2022 sind bei 605 illegalen Autorennen in Bayern vier Menschen getötet worden. Eine Ausstellung beleuchtet den Hang zum tödlichen Temporausch. Im Zentrum steht ein Unfallwrack, das Geschichte geschrieben hat.

Das Auto liegt auf seiner linken Seite, das Dach ist zerfetzt, die Windschutzscheibe zersplittert, der Airbag quillt aus dem Lenkrad, aus der offenen Kühlerhaube ragt ein Wust aus Kabeln, Schläuchen und einer verbeulten Batterie. Der völlig demolierte Jeep hat hierzulande Rechtsgeschichte geschrieben, doch Maximilian Warshitsky verbindet damit vor allem eines: die Erinnerung an seinen Vater.

Denn der kam 2016 in diesem pinkfarbenen Geländewagen ums Leben. "Wenn ich das Auto sehe", sagt der Sohn und blickt auf das Unfallwrack, "dann sind die Erinnerungen sofort wieder da." Und die Gefühle, die der 41-Jährige als "Achterbahnfahrt" bezeichnet. Vor allem Trauer empfinde er, aber auch Wut – und Zufriedenheit über das wegweisende Urteil in dem Fall, sagt Warshitsky.

Er ist an diesem Tag ins Verkehrszentrum des Deutschen Museums nach München gekommen, um der Eröffnung einer neuen Ausstellung beizuwohnen. Ihr Name: "Wahnsinn – Illegale Autorennen". Im Zentrum der Sonderausstellung, die an diesem Freitag eröffnet wird, steht das originale Unfallwrack aus Berlin. In diesem Wagen fuhr Michael Warshitsky am 1. Februar 2016 kurz nach Mitternacht über eine grüne Ampel auf den Kurfürstendamm, wo ihn ein Sportwagen mit voller Wucht rammte.

Mit bis zu Tempo 170 über elf rote Ampeln

Dessen Fahrer hatte sich mit einem zweiten "Ku'damm-Raser" ein illegales Rennen geliefert. Mit bis zu 170 km/h waren die beiden über elf rote Ampeln gefahren, ehe es zur Kollision mit dem Auto von Michael Warshitsky kam. Dieser starb noch am Unfallort – kurz vor seinem 70. Geburtstag. "Der Jeep meines Vaters wurde siebzig Meter durch die Luft geschleudert", erzählt Maximilian Warshitsky und blickt kopfschüttelnd auf das Wrack.

"Die Autos der beiden Raser waren wie Raketen." Der 26 Jahre alte Fahrer des Unfallwagens kam damals mit leichten Verletzungen davon. Er wurde später wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt – ein Novum in der deutschen Rechtsgeschichte. Seither hat es mehrere vergleichbare Urteile gegeben, auch in Bayern. So wurde 2021 ein Raser wegen Mordes verurteilt, der Ende 2019 in München einen 14-Jährigen totgefahren hatte.

Vier Menschen kamen ums Leben, 128 wurden verletzt

Insgesamt hat die Polizei 2022 im Freistaat 605 illegale Autorennen erfasst, bei denen vier Menschen ums Leben kamen und 128 verletzt wurden. Diese Zahlen sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen – insbesondere während der Corona-Pandemie, als die Straßen auch tagsüber deutlich leerer waren. Doch woher rührt dieser Temporausch? Dieser Frage geht die Ausstellung im Verkehrszentrum des Deutschen Museums nach, wo man eigentlich "dem Automobil huldigt", wie es Generaldirektor Wolfgang Heckl formuliert.

In diesem Fall jedoch wolle man "die Schattenseite der Mobilität zeigen und damit einen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs leisten". Mit Schautafeln, Filmen und vergleichsweise wenigen Exponaten geht die Ausstellung zunächst auf prägende Leitbilder ein – etwa in Filmen wie "Fast & Furious" oder in der Autowerbung. "Schneller fahren als andere, Nervenkitzel und Geschwindigkeit gelten noch immer als cool", sagt Bettina Gundler, die Leiterin des Verkehrszentrums. "In unserer Gesellschaft werden seit Anbeginn des Automobilzeitalters Geschwindigkeitsrekorde und Wettkampf verherrlicht, oft verbunden mit antiquierten Männlichkeitsidealen."

Insofern erstaunt es kaum, dass die Raserei vor allem auf junge Männer anziehend wirkt – ein Thema, das die Ausstellung ebenfalls beleuchtet. Neben Infotafeln über das "Profil von Rasern" laufen dort auf einem Bildschirm verschiedene Aufnahmen von illegalen Rennen, die bei Gerichtsprozessen als Beweismittel dienten. Diese Kurzfilme – aus der Perspektive der Fahrer und mit ihren teils menschenfeindlichen Kommentaren aufgenommen – sind nur schwer zu ertragen und zeigen eindrucksvoll den Irrsinn auf, der hinter dem tödlichen Temporausch steckt.

"Muss das sein? Können wir das ändern?"

Wie sich dieser bremsen oder gar stoppen lässt? Um diese Frage dreht sich ein weiterer Bereich in der Ausstellung, der verschiedene Ansätze beleuchtet – von technischen Lösungen über eine verbesserte Verkehrserziehung und bis hin zu schärferen Gesetzen. Es sei für ihn unbegreiflich, dass 18-jährige Fahranfänger problemlos und für vergleichsweise wenig Geld ein hochgetuntes Auto mit 500 und mehr PS für ein Wochenende mieten könnten, sagt Joachim Breuninger. "Muss das sein? Können wir das ändern?"

Breuninger leitet das Deutsche Technikmuseum in Berlin, wo die Ausstellung konzipiert und im Vorjahr gezeigt wurde. Dort hat Maximilian Warshitsky auch erstmals jenes Unfallwrack zu Gesicht bekommen, in dem sein Vater 2016 ums Leben kam. Oder genauer gesagt: in dem er ermordet wurde. Was sein erster Gedanke beim Anblick des Wagens war? "Es war nur sehr schwer für mich auszuhalten", sagt der 41-Jährige. "Denn wenn ich dieses Auto sehe, dann kommt es mir vor, als wäre alles erst gestern passiert."

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Beamtin bei der Radarkontrolle. (Symbolfoto). (Quelle: IMAGO/Sebastian Gabsch)

Test im Fahrsimulator

Die Ausstellung "Wahnsinn – Illegale Autorennen" ist bis Mai 2024 im Verkehrszentrum des Deutschen Museums auf der Theresienhöhe zu sehen. Am 18. Juni, 23. Juli und 24. September stellt die Münchner Polizei dort jeweils von 11 bis 16 Uhr einen Fahrsimulator auf, wo Besucher ihr Reaktionsvermögen in kritischen Verkehrssituationen testen können.

Verwendete Quellen
  • Eindrücke vor Ort in der Ausstellung
  • Gespräch mit Wolfgang Heckl, Joachim Breuninger und Maximilian Warshitsky
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