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Razzia gegen "Letzte Generation" in Bayern: Klimaaktivist berichtet von Trauma


Durchsuchungen bei Klimaaktivisten
15-Jährige nach Razzia im Kinderzimmer "traumatisiert"

Von Christof Paulus

Aktualisiert am 25.05.2023Lesedauer: 3 Min.
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Die Polizei zeigt Präsenz bei einer Protestdemo der "Letzten Generation": Am Mittwoch durchsuchten Einsatzkräfte mehrere Wohnungen der Aktivisten.Vergrößern des Bildes
Die Polizei zeigt Präsenz bei einer Protestdemo der "Letzten Generation": Am Mittwoch durchsuchten Einsatzkräfte mehrere Wohnungen der Aktivisten. (Quelle: IMAGO / Christian Grube)

Nach den Razzien im Umfeld der "Letzten Generation" wehren sich die Klimaaktivisten. Er erwartet eine "historische Aufklärung", sagt ein Betroffener in Bayern.

Der Augsburger Klimaaktivist Ingo Blechschmidt zeigt sich nach der Razzia der Münchner Generalstaatsanwaltschaft gegen Aktivisten aus dem Umfeld der "Letzten Generation" erschüttert vom Vorgehen der Ermittler. Wie er im Gespräch mit t-online berichtet, sei der 35-Jährige am Mittwoch selbst Ziel der Ermittler geworden, um 7 Uhr sei die Wohnung, in der er mit seiner Partnerin lebt, durchsucht worden.

"Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet", sagt er. Aus Zufall habe er nicht durch den Türspion geschaut, als es an seiner Tür klingelte, und einfach geöffnet. Vor der Tür hätten dann zehn bis 15 Einsatzkräfte gestanden, "aus Reflex" habe er zunächst versucht, die Tür sofort wieder zuzustoßen. Das sei jedoch nicht gelungen. "Sie kamen in die Wohnung, sind sofort ins Bad, wo meine Freundin gerade geduscht hatte", sagt er.

Ermittler beschlagnahmen Handy von Klimaaktivist in Bayern

Auf der Stelle hätten die Polizisten seine Rucksäcke geöffnet, ihm nebenher den Durchsuchungsbeschluss ausgehändigt. Seit dem Vormittag ist Blechschmidt daher auch telefonisch nicht mehr erreichbar, unter anderem sein Handy sei konfisziert worden. Seit 2020 ist er einer der prägenden Köpfe des Augsburger Klimacamps. Die seit drei Jahren anhaltende Demonstration gegen die Politik der Stadtregierung gilt formal als Versammlung, sie campiert neben dem Rathaus und wurde von Blechschmidt angemeldet.

Eine Anfrage von t-online zur Razzia an die Generalstaatsanwaltschaft München blieb bislang unbeantwortet. Laut "Augsburger Allgemeine" gelte Blechschmidt als Betreiber der Homepage der "Letzten Generation" und als einer der Hauptbeschuldigten. Für Blechschmidt, der nach eigenen Angaben für die "Letzte Generation" lediglich Telefondienste übernommen hat, ohne sich an Aktionen zu beteiligen, sei die Durchsuchung "erschütternd" gewesen – vor allem auch deshalb, weil sie bei Weitem nicht die erste ihrer Art gegen Augsburger Klimaaktivisten gewesen ist.

Polizeieinsatz soll Aktivistin in Bayern traumatisiert haben

Bereits vor drei Jahren, noch bevor etwa das Klimacamp gegründet wurde oder Aktivisten sich auf die Straße klebten, seien Polizisten in das Kinderzimmer einer damals 15-Jährigen in ihrem Elternhaus eingedrungen, weil sie Schaufenster besprüht haben soll – was sich als haltlos erwies. Über den Fall berichteten unter anderem auch der "Stern" oder das ZDF.

Sie habe eine posttraumatische Belastungsstörung davongetragen, sagt Blechschmidt. Das Polizeipräsidium Schwaben Nord bestätigte auf Anfrage der "Augsburger Allgemeinen", dass die Aktivistin "erkennungsdienstlich behandelt" worden sei. An Demonstrationen habe sie deshalb nicht mehr teilnehmen können, zudem ging sie zur Behandlung in eine Psychiatrie. Nicht nur deshalb übt Blechschmidt auch heute noch massive Kritik an zahlreichen Behörden der Bundesrepublik.

"Staatliche Mechanismen versagen in der Klimakatastrophe", sagt Blechschmidt. Als Beispiel nennt er die Politik von Bundesminister für Digitales und Verkehr Volker Wissing (FDP), dem ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags Rechtsbruch gegen das Klimaschutzgesetz vorgeworfen hatte. "Aber bei mir klingelt dann die Polizei", sagt Blechschmidt.

Zweifel an Funktionieren des Staates bei Klimaaktivisten

Er glaube tief im Inneren weiterhin an das Funktionieren der staatlichen Institutionen, sei aber immer mehr davon überzeugt, dass das "kindliches Wunschdenken" sei. Angesichts dessen, dass es bereits mehrere Hausdurchsuchungen bei Aktivisten gab, habe er sich bereits ein "Rezept" dafür zurechtgelegt, wie er damit umgehe: Er erinnere sich daran, dass sein eigenes Befinden nicht das Problem ist – sondern wirklich schlimm findet er die Klimapolitik der Bundesregierung.

Blechschmidt arbeitet an der Universität Padua, lebt sowohl in der Stadt in Norditalien als auch in Augsburg. Er hat einen Doktortitel in Mathematik, wie er erzählt, und sehe sich auch aus wissenschaftlicher Sicht in der Verantwortung, den Warnungen der Forscher nachzugehen und eine Klimakatastrophe zu verhindern. In einigen Jahren werden viele sich fragen müssen, was sie dagegen getan hätten, sagt er. Dann erwartet er eine "historische Aufklärung" des Geschehenen.

Werde nicht schnell genug gehandelt, sehe er die gesamte Demokratie in Gefahr. Heute werde er vorerst nur "funktionieren", etwa Anfragen beantworten oder an einer Demonstration teilnehmen, wie sie am Abend auch in Augsburg spontan organisiert wurde. Für sich aufarbeiten könne er das Geschehene frühestens am Abend.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Ingo Blechschmidt
  • Stern: "Fridays For Future-Aktivistin Janika Pondorf: 'Ich war in der Klinik. Und ich war dort wegen dieses Polizeieinsatzes"
  • Augsburger Allgemeine: "Durchsuchung nach Spray-Aktion: Klima-Aktivisten erheben Vorwürfe"
  • ZDF: "Hausdurchsuchung bei 15-jähriger Fridays for Future Aktivistin - warum?"
  • Anfrage an Generalstaatsanwaltschaft München
  • Augsburger Allgemeine: "Wie weit geht die "Letzte Generation" in ihrem Kampf für den Klimaschutz?"
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