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Korruption und Millionen-Betrug am Nürnberger Bauamt: Ex-Mitarbeiter vor Gericht


Millionenschaden
Prozessauftakt: Betrüger-Bande soll Nürnberger Bauamt abgezockt haben

Jasmin Siebert

Aktualisiert am 14.03.2023Lesedauer: 3 Min.
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Er muss sich vor dem Nürnberger Gericht verantworten.Vergrößern des Bildes
Er muss sich vor dem Nürnberger Gericht verantworten: Der Hauptangeklagte soll ein Betrugssystem im Bauamt entworfen haben. (Quelle: Jasmin Siebert)

Scheinfirmen, Scheinrechnungen, Schmiergeldzahlungen – der Prozess um einen Korruptions- und Betrugsskandal hat am Montag begonnen.

Die Dimension dieses Gerichtsprozesses zeigt sich schon an der schieren Anzahl beteiligter Personen: Vor der Wirtschaftskammer des Nürnberger Landgerichts sitzen an diesem Montagmorgen acht Angeklagte mit jeweils zwei Verteidigern. Anwesend sind auch Vertreter von Finanzamt und der Behörde, die für die Einziehung von Wertersatz zuständig ist. Denn wo die veruntreuten Millionen abgeblieben sind, um die es in diesem Prozess geht, ist unklar.

Den Angeklagten wird unter anderem gewerbe- und bandenmäßiger Betrug beziehungsweise Beihilfe dazu vorgeworfen. Eine Stunde und 20 Minuten dauert es allein, bis die Staatsanwältin die Anklagezuschrift verlesen hat. Die Vorwürfe sind in sechs Tatkomplexe aufgeteilt, die ein riesiges Betrugsausmaß offenbaren und dabei doch nur die Spitze des Eisbergs darstellen.

Bauamtsmitarbeiter soll Betrugssystem aufgebaut haben

Der Hauptangeklagte Po. war bis zu einer Erkrankung im Jahr 2021 als Bau- und Projektleiter im Bauamt für Straßenerhalt und Rechnungsprüfung zuständig. Das vergangene Jahr hat der 63-Jährige in Untersuchungshaft verbracht.

Er kommt im Parka, die Kapuze tief über den Kopf gezogen, an einer Krücke in den Gerichtssaal. Ein Arzt hat ihm eine Herzschwäche und "verminderte Stresstoleranz" attestiert, deswegen müssen bei der Verhandlung strikte Pausen eingehalten werden. Auch will der Vorsitzende Richter Mark Leppisch den Angeklagten erst im späteren Verlauf des Prozesses befragen.

Po. soll im Jahr 2011 begonnen haben, ein betrügerisches Abrechnungssystem zulasten des Bauamts aufzubauen. In der Anklageschrift tauchen allerdings nur 100 Scheinrechnungen aus den Jahren 2017 bis 2021 auf. Doch allein in diesem Zeitraum ergibt sich ein Schaden für das Bauamt von rund 3,9 Millionen Euro.

Mitangeklagt sind sechs Personen aus der Baubranche, die sich am Betrugssystem ebenfalls bereichert haben sollen. Mehrere Baufirmen sollen überhöhte oder fingierte Rechnungen für nie erbrachte Leistungen gestellt haben, deren Bezahlung der Bauamtsmitarbeiter Po. veranlasst haben soll. Eine entscheidende Rolle spielte dabei ein Technischer Leiter bei einer bekannten Nürnberger Tiefbau-Firma, der für die Kalkulation von Aufträgen und die Rechnungsstellung zuständig war.

Angeklagter soll die Einnahmen selbst eingesteckt haben

Um den Betrug zu verschleiern, soll das Geld mit weiteren Scheinrechnungen an Subunternehmen weitergereicht worden sein. Eines davon soll ein nicht angemeldetes Fuhrunternehmen von Po.s Ehefrau gewesen sein. Die so generierten Einnahmen sollen Po. und seine Frau mit weiteren Bandenmitgliedern unter sich aufgeteilt haben.

Unabhängig von diesem betrügerischen Abrechnungssystem soll der Bauamtsmitarbeiter Po. mehreren ebenfalls angeklagten Baufirmenvertretern vorgeschlagen haben, ihren Unternehmen Aufträge gegen Schmiergeldzahlungen zuzuschanzen. Diese willigten ein und Po. soll so zusätzlich Provisionen im sechsstelligen Bereich kassiert haben.

Haftstrafe bis zu zehn Jahre möglich

Den beiden 63-jährigen Hauptangeklagten Po. und dem Technischen Leiter wird banden- und gewerbsmäßiger Betrug in Tateinheit mit Bestechlichkeit und Vorteilsannahme bzw. Bestechung und Untreue vorgeworfen. Für den Betrug sind Haftstrafen von bis zu zehn Jahren möglich. Dazu kommen Vorwürfe der Steuerhinterziehung, da Schmiergeldzahlungen und Gewinne aus Scheinrechnungen natürlich nicht in den Steuererklärungen auftauchten.

Po.s Ehefrau sowie den anderen Angeklagten wird Beihilfe zu Betrug und Bestechlichkeit sowie Vorteilsgewährung vorgeworfen. Der Strafrahmen liegt bei bis zu drei Jahren.

Baufirmenmitarbeiter packte aus

Der Technische Leiter hatte während der Ermittlungen bereits umfassend ausgepackt und so war es seinem Verteidiger wichtig, zum Prozessauftakt ein Eröffnungsstatement zu verlesen. "Dieses Verfahren gäbe es ohne meinen Mandanten nicht", betont er. "Da saß bei mir ein Mann in großer Gewissensnot", sagte er. Nur der Technische Leiter sei in der Lage gewesen, echte von fingierten Rechnungen zu unterscheiden und die Rechnungen über nicht erbrachte Leistungen zusammenzustellen.

Dass er große Schuld auf sich geladen hat, wisse der Mann. Er habe bereits einen siebenstelligen Betrag an das Finanzamt überwiesen. Nun müsse seine Stellung als Kronzeuge im Verfahren honoriert werden. Der Verteidiger forderte, dass die Strafe seines Mandanten deutlich geringer ausfallen müsse als die für den Bauamtsmitarbeiter Po., der bisher nur teilweise geständig war.

Auch Po.s Ehefrau schwieg bisher, die anderen Angeklagte dagegen sagten während der Ermittlungen bereits umfassend aus und kündigten Geständnisse im Gerichtsprozess an. Angesetzt sind zunächst 16 weitere Verhandlungstage, das Urteil wird am 25. Mai 2023 erwartet.

Verwendete Quellen
  • Reporterin vor Ort
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