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Ukrainische Flüchtlinge zwischen Krieg und Achterbahn: Volksfest Nürnberg


Ukraine-Flüchtlinge auf Volksfest
Als Veronika an ihren Vater in Odessa denkt, verschwindet ihr Lächeln

  • Meike Kreil
Von Meike Kreil

Aktualisiert am 20.04.2022Lesedauer: 3 Min.
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Dolmetscherin Olga Karelina begleitete rund 30 Flüchtlingsfamilien über das Volksfest in Nürnberg.Vergrößern des Bildes
Dolmetscherin Olga Karelina begleitete rund 30 Flüchtlingsfamilien über das Volksfest in Nürnberg. (Quelle: Berny Meyer)

Auf dem Nürnberger Volksfest wird wieder gefeiert. Nebenan sind rund 200 ukrainische Flüchtlinge untergebracht. Wie erleben sie die Ausgelassenheit in der neuen Nachbarschaft?

Als die Dolmetscherin erklärt, dass es jetzt Eis gibt, erstrahlen die vorher so blassen Gesichter. Freudestrahlend stürmen die Kinder den Eisstand, hüpfen vor Aufregung, ziehen an den Ärmeln ihrer Mütter. Das Vanilleeis in der Waffel lässt zumindest für kurze Zeit vergessen.

"Es ist eine tolle Abwechslung", erklärt Dolmetscherin Olga Karelina. Sie begleitet den Rundgang, zu dem unter anderem der Süddeutsche Verband reisender Schausteller und Handelsleute e.V. ukrainische Familien eingeladen hat, die in der Notunterkunft in der nahe gelegenen Messehalle 3C untergekommen sind. Rund 6.000 Ukrainer sind in Nürnberg neu gemeldet. Pro Tag würden zwischen 150 und 250 Menschen bei gleichbleibender Tendenz hinzukommen, heißt es aus dem Presseamt der Stadt Nürnberg.

Auch Veronika steht vor dem Eisstand. Die 13-Jährige mit den Sommersprossen und der Zahnspange ist seit fünf Wochen in Deutschland. Zusammen mit ihrer Mutter und dem zehnjährigen Bruder ist sie aus Odessa geflüchtet, der Vater musste dortbleiben. Sie haben eine kostenlose SIM-Karte erhalten, mit der sie Kontakt halten. Als sie gefragt wird, wie es ihrem Vater ergehe, wird sie still. Ihr Lächeln verschwindet für einen Augenblick.

Nürnberg: Eine Rückkehr ist noch ungewiss

Am 10. März kamen sie in Nürnberg zunächst in einem Hotel an, dann beim Bayerischen Roten Kreuz, seit zwei Wochen sind sie in der Messe. Veronika erzählt einiges von ihrer Geschichte auf Deutsch. "Ich habe in der Schule Deutsch gelernt." Wieso? "Weil ich schon immer nach Deutschland wollte, wenn ich groß bin."

Wie es für die Familie weitergeht? Mutter Alla zuckt mit den Achseln, sie weiß es nicht. Auf jeden Fall wolle sie wieder in ihre Heimat zurück, sobald der Krieg vorbei ist – auch wenn sie für die deutsche Gastfreundschaft dankbar sei. Wie sie dann zurückkommen werden, auch das wisse sie nicht.

Die 30-köpfige Gruppe wird zu Achterbahnen geführt, sie versuchen an Schießbuden ihr Glück, werden an Essensbuden großzügig von den Schaustellern versorgt. Die Kinder genießen das bunte Treiben auf dem Volksfestplatz mit den vielen Lichtern und der lauten Musik aus allen Ecken.

Volksfest in Nürnberg: "Das Leben muss weitergehen"

An einem Stand probiert sich Swetlana im Ringewerfen – und gewinnt ein kleines Walross aus Plüsch für ihre Tochter. Wie empfindet sie all diese Ausgelassenheit hier, während in ihrem Land der Krieg ausgebrochen ist? "Das versteh ich voll und ganz", erklärt sie über die Dolmetscherin. Das Leben müsse weitergehen. "Wir haben in der Ukraine ja auch gefeiert, während etwa in Syrien Krieg war."

Auch Dolmetscherin Olga Karelina unterrichtet Deutsch. Für die Erwachsenen wurden in der Messehalle in einer Ecke ein paar Tische und Stühle aufgebaut, eine rollbare Tafel gibt es. Mal sind es 5, mal 25 Teilnehmer, erzählt Karelina, die vor 18 Jahren wegen des Studiums aus Russland nach Deutschland gekommen ist. Der Deutsch-Unterricht ermögliche es, dass die Geflüchteten "auf andere Gedanken kommen".

Geld bekomme sie dafür nicht. Dass sie sich ehrenamtlich engagiere, sei ihr Weg, "mit dem Horror umzugehen". Die Situation in der Ukraine belaste sie sehr. Die 46-Jährige ist froh, in einem so demokratischen Land wie Deutschland leben zu dürfen.

Ob es schon Probleme wegen ihrer russischen Herkunft gab? "Ich habe noch nichts Negatives erlebt." Ihre Erfahrung zeige: "Wenn man hilft, dann ist es egal, woher man kommt."

"Es ist so schlimm, wenn Kinder traurig sind"

Auch Heinrich Kreslo ist als Dolmetscher bei dem Rundgang dabei. Ursprünglich kommt der Rentner aus dem Donbass. Seit Beginn des Kriegs vor rund zwei Monaten habe er kaum ein Auge zugemacht: "Ich denke 24 Stunden am Tag daran." Er erzählt, wie er in die Ukraine habe fahren wollen, um zu kämpfen. Doch es hieß, er sei zu alt. Deshalb leiste er nun immerhin seinen Beitrag als Dolmetscher.

Für Christina, die Volksfestkönigin, ist der Termin nicht etwa einer von vielen. Für sie habe der Rundgang eine besondere Bedeutung, erklärt sie. Sie freut sich, dass die Schausteller den Kindern ein Lächeln schenken konnten. "Es ist so schlimm, wenn Kinder traurig sind", erklärt sie und ihr sonst so strahlendes Lächeln erlischt. "Sie können am allerwenigsten dafür."

Verwendete Quellen
  • Recherche vor Ort
  • Anfrage bei dem Presse- und Informationsamt der Stadt Nürnberg
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