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Wuppertal: OB Schneidewind im Interview: "Kraulen im Shitstorm"


Nach 100 Tagen im Amt
"Kraulen im Shitstorm" – wie OB Schneidewind Kritik aushält

InterviewVon Ulrich Brüne

23.02.2021Lesedauer: 4 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Uwe Schneidewind, OB von Wuppertal (Archivbild): Vor seiner politischen Karriere war er lange als Wissenschaftler tätig.Vergrößern des Bildes
Uwe Schneidewind, OB von Wuppertal (Archivbild): Vor seiner politischen Karriere war er lange als Wissenschaftler tätig. (Quelle: Wolf Sondermann)

Nach 100 Tagen im Amt hat Wuppertals OB Uwe Schneidewind ein Zukunftsprogramm für die Stadt vorgelegt. Mit t-online spricht er darüber, wie er mit Kritik gegen ihn und seinen Politikstil umgeht.

Die ersten Reaktionen auf das vorgestellte Programm "#Fokus_Wuppertal" des Oberbürgermeisters Uwe Schneidewind lagen auf dem Tisch und hatten die Runde gemacht, als t-online den 54-Jährigen zum Gespräch via Zoom-Call trifft. Natürlich war nicht alles positiv aufgenommen worden. Der politische Gegner hatte es sich nicht nehmen lassen, die große Keule zu schwingen. Da war von leeren Worthülsen die Rede und dass es um "reale Politik" gehe und kein Reallabor" sei.

Er habe sie diesmal wieder richtig gespürt, diese Kraft der negativen Energie, die auf Social Media unterwegs sei, gesteht Schneidewind. "Wenn das in Deutschland zum Dauerzustand wird, dann besteht die große Gefahr, dass die Kommunikationskultur und damit auch die politische Kultur mehr und mehr in Schieflage gerät." Sein Respekt vor all denen, die sich in politischer Verantwortung schon seit Jahrzehnten dieser Kultur stellen, sei in den letzten Wochen ganz erheblich gewachsen.

Und natürlich habe auch jeder seine eigenen Vorstellungen, was ein Oberbürgermeister denn nun in den ersten 100 Tagen so alles leisten müsse, schmunzelt Schneidewind. Das habe er mit großem Interesse zur Kenntnis genommen.

Unfaire Attacken und Diffamierungen auf Umfeld von Schneidewind

Doch: Da wo Kritik eine gute Substanz habe, sei er auch bereit, sie aufzunehmen. "Das ist etwas, womit man sich gut arrangieren kann." In solchen Situationen sieht er sich eher als Brückenbauer. Auch kommunikative Attacken und das ein oder andere Foulspiel im politischen Miteinander nehme er gelassen. Spricht da der engagierte Christ, der nur allzu gern bereit ist, auch die andere Wange hinzuhalten? Nicht so ganz: Was er in der politischen Auseinandersetzung auf keinen Fall verzeihen würde: unfaire Attacken und Diffamierungen auf Menschen in seinem Umfeld. Da werde für ihn die Grenze überschritten.

Den Einwurf, man müsse sich halt ein dickes Fell zulegen, will er nicht gelten lassen. Ein dickes Fell mache stumpf für die Gefühle und Wünsche anderer, ist er sich sicher. Viele diese negativen Emotionen hätten ja ihre Ursachen. "Da fühlen sich Menschen abgehängt und nicht genügend gesehen." Und auch dafür brauche es politische Antworten.

Ein Gefühl für die Lage bekommen

Ja, die Stadt tue sich schwer mit Visionen. Aber er will erst gar nicht mit dieser Tatsache hadern, will einfach nur deutlich machen, "wie Zukunft aussehen könnte." Mit dieser Zielsetzung ist er angetreten. Man könne in einzelnen Punkten darüber streiten, was man toll finde und was nicht. Wichtig aber sei, "überhaupt eine Idee davon zu haben, wohin es in Zukunft gehen soll."

Da kann es natürlich auch schon vorkommen, dass der Gegenwind mal kräftiger wird. Doch auch solch einem Wetterumschwung sieht sich Schneidewind gewachsen. Er führt ein Beispiel an: "Als Schwimmer kann ich das Wasser als Gegner empfinden, ich kann sogar absaufen", erläutert er gegenüber t-online. "Ich kann aber auch versuchen, ein Gefühl für die eigene Wasserlage zu bekommen. Dann wird das Wasser plötzlich zu deinem Freund", sagt Schneidwind. "Kraulen im Shitstorm", nennt er das.

"Niemand braucht Angst vor Wissenschaftlern in der Politik zu haben"

Das immer wieder versucht wird, den Wissenschaftler, der er nun mal ist, gegen den Realpolitiker, der er ja jetzt in erster Linie sein muss, auszuspielen, ärgert ihn schon. Auch wenn er das nicht so gerne zugibt. Was hat man nicht alles gemutmaßt: Ein dynamischer Mensch mit großen Ideen werde auf die Trägheit des Politischen treffen, schrieb die Wochenzeitung "Die Zeit". Ein Klimaexperte, einflussreichster Nachhaltigkeitsforscher des Landes, wechsele an die Spitze einer städtischen Verwaltung. Ja, geht das denn überhaupt? Und wenn ja, kann das gut gehen? Und überhaupt: Welche Qualifikation muss jemand mitbringen, der einen Großkonzern wie die Stadt Wuppertal erfolgreich zukunftsfähig machen, verändern und managen will?

"Niemand braucht Angst vor Wissenschaftlern in der Politik zu haben", lächelt Schneidewind, angesprochen auf all die vermeintlichen Widersprüche. Er verstehe es eher als Glück, auf ein bisheriges Berufsleben zurückblicken zu können, dass "extrem befriedigend war". Er nennt es seine beruflichen Bonusjahre. Schließlich stand er zehn Jahre an der Spitze einer wissenschaftlichen Forschungseinrichtung von internationalem Ruf. Die "FAZ" und der "Cicero" zählten ihn in den letzten Jahren mehrmals zu den 100 wichtigsten Ökonomen des Landes. Ein Erfahrungsschatz, den er jetzt mit ganzer Kraft einbringen könne.

Entscheidend ist das Ergebnis

Bleibt die Frage, ob er denn nicht trotzdem das Gefühl habe, dass die Vorzüge seiner Qualifikation eher verkannt würden? Das hält er für legitim. Was man ihm nicht so ganz glauben mag. Zu laut waren auch jetzt wieder die Zweifler und Kritiker. Ob aus politischem Kalkül oder persönlicher Ablehnung. Für viele sei doch oft gar nicht erkennbar, was es bedeute, eine solch große Organisation wie die Wuppertaler Verwaltung zu führen, wirbt er um Verständnis. Führungserfahrung spiegele sich letztlich in Ergebnissen wider. Damit wolle er überzeugen. Es sei eben wichtig, was letztendlich herauskomme.

Sind die Wuppertaler wirklich so negativ eingestellt? Vor Verallgemeinerungen sollte man sich hüten, sagt Schneidewind. Er habe gelernt: "Wer den Erfolg für die Stadt will, muss die Stadtgesellschaft mitnehmen. Daran arbeiten wir." Die zurückliegenden 100 Tage seien ein Kennenlernen und eben das Entwickeln eines gemeinsamen Kompasses für die kommenden Jahre gewesen. "Es geht nun mit voller Konzentration auf die Umsetzung konkreter Schritte." Ein Geschenk sei in diesem Zusammenhang die Tatsache, ein starkes Team und viele Unterstützer an seiner Seite zu haben. Aus diesem Doppelpassspiel entstehe richtig viel Gutes.

Und welche historischen Personen hätte er in schwierigen Phasen manchmal gern an seiner Seite? "Am allerliebsten Else Lasker-Schüler. Das muss eine inspirierende und oft auch schräge Figur gewesen sein", vermutet er. Und Friedrich Engels. "Ihn in der Vielschichtigkeit seiner Persönlichkeit erleben zu dürfen, ich glaube, das wäre hochinspirierend."

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Oberbürgermeister Prof. Uwe Schneidewind
  • Eigene Recherchen
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