Plötzlich neue Hoffnung Kommt Mick Schumacher jetzt zurück?
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Die aktuelle Formel-1-Saison ist neun Rennen alt. Die ersten Fahrer sind nach schwachen Leistungen angezählt. Kann Mick Schumacher einen von ihnen verdrängen?
Vor knapp drei Wochen war es endlich so weit: Mick Schumacher saß wieder in einem Formel-1-Auto. Nach seinem Rauswurf als Stammfahrer beim Team Haas und seinem Engagement als Test- und Ersatzfahrer bei Mercedes verging ein halbes Jahr, in dem Schumacher keinen echten Boliden mehr fahren durfte und sich mit schnöder Simulatorarbeit zufriedengeben musste.
Doch da Stammfahrer Lewis Hamilton mit seiner Erfahrung aus mittlerweile 16 Jahren in der Formel 1 kein Fan von Testfahrten mehr ist, schlug dann doch noch die Stunde von Schumacher. Bei Testfahrten für Reifenhersteller Pirelli nach dem Großen Preis von Barcelona durfte der Deutsche endlich wieder ins Lenkrad greifen. Insgesamt 152 Runden drehte er im Mercedes W14 um den Circuit de Barcelona-Catalunya. Dass er dabei kaum langsamer war als Mercedes-Stammpilot George Russell, wurde in der Branche aufmerksam registriert.
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Generell singen die Verantwortlichen bei Mercedes Lobeshymnen auf Schumacher. So kommt seiner Arbeit eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Autos zu und damit bei der Aufholjagd auf den dominanten Rivalen Red Bull. "Mick ist bereits ein wertvolles Mitglied des Teams geworden und seine Arbeit im Simulator hat sich als nützlich erwiesen, um unsere Rundenzeiten zu verbessern", sagte etwa Teamchef Toto Wolff. Schumacher habe "großartige Arbeit geleistet", die dem Team geholfen habe, "auf den richtigen Weg zu kommen", lobte auch Hamilton, der zusammen mit Micks Vater Michael Rekordweltmeister der Formel 1 ist.
Die schmeichelnden Worte wollen sagen: Schumacher hätte mehr verdient als die Reservistenrolle. Auch der 24-Jährige selbst sagte nach dem Test: "Ich hatte eine großartige Zeit und kehre hoffentlich irgendwann ins Auto zurück." Doch wann könnte es tatsächlich so weit sein? Einige der Stammpiloten im Fahrerfeld enttäuschten in dieser Saison. Kann Schumacher einen von ihnen verdrängen? Eine Übersicht.
Lance Stroll
Der Aston-Martin-Rennstall machte in diesem Jahr einen riesigen Schritt nach vorne. Während man die vergangene Saison mit dem siebten Platz noch im hinteren Mittelfeld der Teamwertung beendete, fand man sich in der laufenden Saison an der Spitze wieder. Nur hinter dem alles dominierenden Red Bull und noch vor Mercedes und Ferrari stellte der britische Rennstall auf vielen Strecken das zweitschnellste Auto.
Fernando Alonso, seines Zeichens zweifacher Weltmeister, setzte das gute Auto auch prompt in gute Resultate um: In sechs von neun Rennen fuhr der Spanier unter die Top drei. In der Fahrerwertung bedeuten bislang 131 Punkte für ihn Platz drei, hinter den beiden Red-Bull-Piloten Max Verstappen und Sergio Pérez.
Anders jedoch Teamkollege Lance Stroll: Der Kanadier schaffte es nur beim Großen Preis von Australien mit einem vierten Platz in die Nähe des Podests. Ansonsten stehen zwei sechste Plätze, ein siebter Rang und zwei neunte Plätze zu Buche. Mit einem zwölften Platz und zwei Ausfällen ging er sogar dreimal ohne Punkte nach Hause. In der Weltmeisterschaft belegt er mit gerade mal 44 Punkten lediglich Platz acht, noch hinter beiden Mercedes und beiden Ferraris. Für das zweitbeste Auto im Feld eigentlich nicht gut genug.
Könnte er seinen Platz also verlieren? Wohl eher nicht. Denn Stroll hat ein ganz großes Ass im Ärmel: Sein Vater Lawrence Stroll ist der Teambesitzer. Seinen eigenen Sohn wird er kaum feuern. Zumindest nicht, solange der Abstand auf Branchenprimus Red Bull noch so groß ist wie zurzeit. Sollte Aston Martin irgendwann tatsächlich um die WM kämpfen und Lance Stroll wäre mit schlechten Ergebnissen ein Klotz am Bein, könnte der Geschäftsmann in Lawrence Stroll noch mal ins Grübeln kommen. Derzeit ist bei Aston Martin die Tür für Schumacher wie für jeden anderen Fahrer aber zu.
Sergio Pérez
Ein wenig anders verhält es sich bei Sergio Pérez. Der Mexikaner hat mit dem Red Bull das mit Abstand beste Auto des ganzen Feldes zur Verfügung. Zu Saisonbeginn weckte Pérez dann sogar Hoffnungen auf einen WM-Kampf mit seinem Teamkollegen und amtierenden Weltmeister Max Verstappen. Beim Saisonauftakt in Bahrain fuhr Pérez hinter seinem Teamkollegen auf Platz zwei ins Ziel. Genau das gelang ihm auch beim Rennen in Miami. Den zweiten und vierten Saisonlauf in Saudi-Arabien und Aserbaidschan konnte er sogar vor Verstappen gewinnen.
Doch Pérez kämpft mit der Konstanz. In Australien, Monaco, Spanien, Kanada und Österreich vermasselte er das Qualifying und ging von weit hinten ins Rennen. In Monaco wurde es am Ende nur der 16. Platz. In Australien (5.), Spanien (4.), Kanada (6.) und Österreich (3.) reichte es immerhin noch für Punkte. Doch für das mit Abstand beste Auto ist das dennoch zu wenig. Zum Vergleich: Max Verstappen musste in Saudi-Arabien von Platz 15 starten und wurde noch Zweiter hinter Perez. Auch in Miami fuhr er nur von Platz neun los und holte trotzdem den Sieg.
Sollte sich die schlechte Form fortsetzen, wirft Red Bull Pérez dann raus? Auszuschließen ist es nicht, denn der österreichische Rennstall ist bekannt für sein rigoroses Vorgehen. Mit Daniil Kvyat und Pierre Gasly mussten in der Vergangenheit schon zwei Piloten ihre Cockpits nach schlechten Saisonstarts räumen. Doch solange sich Red Bull weiter unangefochten an der Spitze der Teamwertung hält, gibt es keinen Grund, den Fahrer zu wechseln. Eine klare Hierarchie mit Verstappen als Nummer eins und Pérez als Nummer zwei hilft dem Team sogar, Unruhe zu vermeiden.
Erst wenn die anderen Teams aufschließen und jeder Punkt im Kampf um den Titel wichtig wird, lohnt sich ein Fahrerwechsel. In dieser Saison ist das nicht mehr zwingend zu erwarten. Möchte sich Red Bull zur nächsten Saison einen neuen Fahrer suchen, würden sie sich vermutlich entweder in der eigenen Nachwuchsabteilung umschauen oder einen absoluten Topfahrer von einem anderen Team verpflichten. Mick Schumacher hat wohl keine Chance auf den Platz neben Verstappen.
Nyck de Vries
Nyck de Vries musste lange auf einen Platz in der Formel 1 warten – und das, obwohl er bislang schon eine erfolgreiche Karriere hinlegte. Bereits im Jahr 2019 gewann er die Nachwuchsserie Formel 2, erhielt aber dennoch kein Stammcockpit in der Formel 1. Stattdessen verschlug es ihn in die Formel E, wo er 2021 ebenfalls den Weltmeistertitel gewinnen konnte.
Die Wende kam dann 2022. Beim Großen Preis von Italien musste Williams-Pilot Alexander Albon kurzfristig krankheitsbedingt passen und de Vries durfte für ihn einspringen. Im Qualifying besiegte er prompt seinen Teamkollegen Nicholas Latifi. Noch besser lief es im Rennen: Mit dem achten Platz holte de Vries gleich zwei Punkte für den eigentlich unterlegenen Williams-Rennstall. Das hinterließ Eindruck. Als nach der Saison ein Cockpit beim Red-Bull-Schwesterteam Alpha Tauri frei wurde, entschied man sich für den Niederländer als neuen Stammfahrer.
Doch der Start in die Saison 2023 verlief mehr als enttäuschend. De Vries dümpelte meist am Ende des Feldes herum, ist seinem Teamkollegen Yuki Tsunoda bislang hoffnungslos unterlegen und fiel vor allem durch äußerst leichtsinnige Fehler auf. Punkte konnte er bisher noch nicht einfahren, in der Fahrerwertung liegt er auf dem letzten Platz. Red-Bull-Motorsportberater Helmut Marko, der auch bei Alpha Tauri die Fahrerentscheidungen trifft, zählte den Niederländer deshalb zuletzt mehrfach an.
Muss de Vries sein Cockpit also schon wieder räumen? Dafür spricht auf jeden Fall, dass die Verantwortlichen wie bei Red Bull nicht lange zögern, wenn ihnen ein Fahrer nicht gefällt. Sollte sich de Vries in den verbleibenden Rennen bis zur Sommerpause in Silverstone, Budapest und Spa-Francorchamps nicht deutlich steigern, droht ihm tatsächlich der Rauswurf.
Für Schumacher dürfte der Schritt ins Cockpit dennoch schwer werden. Denn: Red Bull verfügt mit Liam Lawson und Ayumu Iwasa über zwei eigene Nachwuchsfahrer, die in ihren jeweiligen Rennserien gute Leistungen zeigen und wohl vor Mercedes-Pilot Schumacher eine Chance bekommen würden, sich in der Formel 1 zu beweisen. Zudem hat Red Bull mit Promotion-Fahrer Daniel Ricciardo einen achtfachen Rennsieger in der Hinterhand, der de Vries' Cockpit übernehmen könnte. Nicht zuletzt deshalb sagte Helmut Marko kürzlich über Schumacher: "Er ist Mercedes-Fahrer und in unseren Planungen kommt er nicht vor."
Logan Sargeant
Logan Sargeant zählt ebenfalls zu den Rookies in der diesjährigen Formel-1-Saison. Neben starken Leistungen in seiner ersten und einzigen Formel-2-Saison im vergangenen Jahr (am Ende vierter Platz) half auch seine Herkunft bei seiner Beförderung in die Formel 1 kräftig mit. Der Hintergrund: Sargeant ist US-Amerikaner und die Formel 1 erlebt in den Vereinigten Staaten durch den Erfolg der Netflix-Dokumentation "Drive to Survive" einen regelrechten Boom. Die US-amerikanischen Investmentgesellschaft "Dorilton Capital", die den Rennstall 2020 kaufte, erhoffte sich durch die Verpflichtung Sargeants, den wachsenden Heimatmarkt finanziell gewinnbringend erobern zu können. Doch die Unterstützung der US-Fans für den charakterlich eher unauffälligen Sargeant blieb einem Sky-Bericht zufolge zumindest beim Rennen in Miami hinter den Erwartungen zurück.
Hinzu kommt, dass Sargeants sportliche Leistungen bislang mehr als enttäuschend sind. Die Bilanz: Ein Ausfall, vier letzte Plätze, neben de Vries der einzige Fahrer ohne einen einzigen WM-Punkt und Vorletzter in der Gesamtwertung. Das alles, während Teamkollege Alexander Albon regelmäßig das absolute Maximum aus dem Williams herauskitzelt, bereits sieben Punkte sammelte und auch sonst beständig um die Top Ten kämpft.
Kann Mick Schumacher Sargeant also den Platz wegschnappen? Zumindest hat Schumacher bei Williams wohl die besten Chancen, einen Stammplatz zu ergattern. Denn sein Mercedes-Hintergrund dürfte in diesem Fall durchaus hilfreich sein, anders als bei Alpha Tauri. Williams wird bereits seit 2014 von Mercedes mit Motoren ausgestattet. Die Verbindung zwischen den Teams ist daher besonders eng. So durfte zuletzt Mercedes-Nachwuchspilot George Russell von 2019 bis 2021 seine ersten Formel-1-Erfahrungen im Williams machen, bevor er zur Saison 2022 zum Mercedes-Werksteam aufstieg.
Zudem übernahm zur laufenden Saison James Vowles als Teamchef bei Williams. Vowles war zuvor seit 2010 in leitender Position bei Mercedes tätig und galt lange als rechte Hand und möglicher Nachfolger von Toto Wolff als Teamchef bei den Silberpfeilen. Sollte Williams sich tatsächlich auf die Suche nach einem neuen Fahrer begeben, könnte Wolff also seine Kontakte spielen lassen und Schumacher den Platz verschaffen. Ob dies allerdings noch in der laufenden Saison passiert, ist fraglich. Denn als Rookie dürfte der mit seinen 22 Jahren noch unerfahrene Sargeant wohl auch noch über die Sommerpause hinaus die Möglichkeit bekommen, sich zu verbessern. Sollte er das bis Saisonende jedoch nicht schaffen, dürfte Schumacher gute Chancen haben, 2024 im Williams zu sitzen.
Schumacher selbst bleibt optimistisch
Kurzfristig dürfte es trotz der Probleme einiger Fahrer also schwierig für Schumacher werden, einen Stammplatz in der Formel 1 zu erobern. Dennoch bleibt der Deutsche weiter optimistisch. "Ich bin immer einsatzbereit", sagte er zuletzt im Interview mit dem TV-Sender RTL. "Glaubt mir: Ich arbeite ganz stark daran, hoffentlich bald wieder im Auto zu sein. Wir sehen uns ganz bald. Spätestens im nächsten Jahr soll es auch wieder so weit sein. Ich bin mir sicher, dass sich irgendwas entwickeln wird in der nächsten Zeit", so Schumacher weiter. Die deutschen Formel-1-Fans würde es sicherlich freuen, wenn er recht behält.
- Eigene Recherche
- Rennergebnisse der Saison 2023
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und SID
- motorsport-total.com: "De Vries reagiert auf Rauswurf-Gerüchte bei AlphaTauri: "Kein Schock"
- nau.ch: "Red Bull stellt klar: 'Wir sind mit Nyck de Vries nicht zufrieden'"
- speedweek.com: "Mick Schumacher zu Williams? "Ich würde es machen'"
- sky.sport.de: "Heuert Mick bei Williams an? Nicht alle Sky F1-Reporter glauben dran"