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Die wahren Gründe für den Kaiserslautern-Absturz


Vorerst letztes Zweitliga-Spiel
Die wahren Gründe für den Kaiserslautern-Absturz

InterviewVon Florian Wichert

13.05.2018Lesedauer: 6 Min.
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Lauterns Osawe hält sich das Trikot vors Gesicht: Der FCK ist aus der 2. Liga abgestürzt.Vergrößern des Bildes
Lauterns Osawe hält sich das Trikot vors Gesicht: Der FCK ist aus der 2. Liga abgestürzt. (Quelle: Eibner/imago-images-bilder)

Letzter Spieltag – und der 1. FC Kaiserslautern ist längst nicht mehr vor dem Abstieg aus der 2. Bundesliga zu retten. Warum? Autor Andreas Erb erklärt den Absturz des Traditionsklubs.

Es geht stetig bergab für den 1. FC Kaiserslautern. Sportlich ist der Klub vorzeitig in die 3. Liga abgestiegen. Finanziell ist er seit Jahren in Schieflage und muss reihenweise schlechte Nachrichten verkünden. Autor Andreas Erb hat intensiv über den Niedergang des Klubs recherchiert. Herausgekommen ist das Buch "Betze Leaks – Der 1. FC Kaiserslautern zwischen Tradition und Possenspiel". Im Interview mit t-online.de fasst er seine Ergebnisse zusammen.

t-online.de: Herr Erb, wie stehen Sie persönlich zum 1. FC Kaiserslautern?

Andreas Erb: Wer in Kaiserslautern aufwächst und sich nur ein bisschen für Fußball interessiert, ist mit dem FCK-Virus infiziert. Der Klub mit seinen Mythen und Legenden um die Ikone Fritz Walter ist für die Region ein Identifikationsanker. Seit Jahren begleite ich das Geschehen am Betzenberg – mal als Fan, mal als Journalist.

Warum haben Sie ein Buch geschrieben?

Letztlich habe ich die Erfahrung gemacht, dass die hohe emotionale Kraft des Fußballs dazu in der Lage ist, die Ratio zu vernebeln. Dabei sollte bei aller Fanleidenschaft doch auch Raum für einen kritischen Diskurs bleiben. Keineswegs wurde ein solcher in der Vergangenheit beim FCK immer offen geführt – im Gegenteil ging die Klubführung teils rigoros gegen Kritiker vor. Umso wichtiger erscheinen mir gerade angesichts des Abstiegs eine Ursachenanalyse und eine Aufarbeitung vergangener Ereignisse. Aus Fehlern zu lernen, sollte auch der neuen Vereinsführung ein Anliegen sein. Für einen solchen offenen Diskurs möchte das Buch den Anfang machen.

Wie kamen Sie auf den Titel?

Ich arbeite ja nicht erst seit der Abstiegssaison an dem Buch, sondern schon seit Jahren. Der ursprüngliche Arbeitstitel lautete „Fritz-Walter-Stadl“ und war an das „komödienstadlartige“ Possenspiel angelehnt, das sich in politischen Debatten rund um die Finanzierung des Fritz-Walter-Stadions offenbarte. Dann deutete sich aktuell der Abstieg an, in diesem Zusammenhang klang „Fritz-Walter-Stadl“ wiederum unpassend und hämisch. Der neu gewählte Titel „Betze Leaks“ nimmt nun also Bezug auf die jahrelange Recherche, die zahlreichen Schriftstücke und exklusiven Hintergrundgespräche, aus denen sich die Darstellung speist. Dies war eine Idee des Verlags, die ich gut finde.

Kann man in einem Absatz erklären, warum der FCK so abgestürzt ist?

Den Abstieg in die dritte Liga nur als Ergebnis einer einzigen sportlich verkorksten Saison zu sehen, wäre zu kurz gegriffen. Vielmehr deutet sich der Absturz lange an und korrespondiert mit einem wirtschaftlichen Niedergang. Seit Jahren gibt es Warnungen davor, dass mit dem Ausverkauf talentierter Spieler wie Willi Orban, Dominique Heintz, Marius Müller, Robin Koch oder Jean Zimmer zwar kurzfristig Finanzbrücken geschlagen werden können, langfristig der Verein jedoch damit sportliche Qualität verliert.

Was bedeutet das?

Der aktuelle Abstieg lässt sich als Ergebnis eines solchen Prozesses interpretieren. Umso erstaunlicher ist es, dass einige FCK-Verantwortliche entgegen vieler Hinweise auf die sich abzeichnend brüchige Finanzlage in der Öffentlichkeit das Bild eines prosperierenden „Substanzvereins“ zeichneten. Ich glaube, dieses mangelnde Problembewusstsein beziehungsweise die mangelnde Bereitschaft zum kritischen Diskurs sind maßgeblich für den nun umso dramatischeren Abfall.

Welches waren die Schlüsselmomente auf dem Weg in den Abgrund?

Seit dem Erreichen des siebten Platzes in der Bundesliga 2011 hat der Verein jedes Jahr seine sportlichen Ziele verfehlt. Vermutlich hat dazu auch eine überaus hohe Spieler- und Trainerfluktuation beigetragen. Markante Ereignisse, bei denen ein Umlenken verpasst wurde, waren aus meiner Sicht die außerordentliche Mitgliederversammlung 2012 nach dem Abstieg und die Jahreshauptversammlung 2014, wo Kritiker der Vereinsführung teils massiv beschimpft und den Klubbossen dafür sogar applaudiert wurden.

Welche Momente gab es noch?

Zudem ist die Ausgabe der Betze-Anleihe 2013 ein Schlüsselmoment, dessen existentielle Bedeutung für den Verein sich möglicherweise in der Zukunft erst niederschlägt. Damals brachte die Fananleihe rund sechs Millionen Euro mit dem Versprechen, das Geld in den Ausbau eines Nachwuchszentrums zu investieren. Dort ist baulich allerdings nichts geschehen, und Teile der Gelder sind längst verbraucht. 2019 steht die Rückzahlung bevor...

Trotzdem spuckten die Vereins-Oberen oft große Töne. Welches waren die vermessendsten Aussagen von FCK-Verantwortlichen?

Als sehr gewagt halte ich die Aussage, das Geld der Fananleihe sei jederzeit für den Ausbau des Nachwuchszentrums verfügbar und deren Rückzahlung sei gewährleistet. Dass die Mittel eben nicht ohne weiteres verfügbar sind und das Nachwuchszentrum nicht nach den alten Plänen ausgebaut werden kann, haben die FCK-Verantwortlichen mittlerweile eingeräumt. Wie es um die Rückzahlung 2019 steht, wird sich zeigen.

Gab es kriminelle Handlungen im Verein oder drum herum?

Das habe ich nicht zu bewerten.

Aber?

Es zeigt sich, dass Vereinsmitglieder wohl über Jahre getäuscht wurden. Aus meiner Sicht wäre dringend eine Aufklärung darüber geboten. Dies verlangte sogar der Kaiserslauterer Oberbürgermeister Klaus Weichel in einem Schreiben an die Vereinsführung, in dem er unter anderem nach dem Verbleib der Anleihe-Gelder fragte. Außerdem forderten unlängst Stadtratsmitglieder im Zusammenhang mit ihrer Zustimmung zur Reduzierung der Stadionpacht eine Prüfung möglicher Regressansprüche gegenüber Ex-Funktionären.

Bislang hat der Verein diese Fragen aber nicht klar beantwortet. Im Gegenteil: Bei der letzten Mitgliederversammlung präsentierte man angebliche „Gutachten“ einer Kanzlei, die die Vorhaltungen entkräften sollten, sich später aber als nicht allzu belastbar entpuppen. Der im Winter neu gewählte Aufsichtsratsvorsitzende Patrick Banf hat in Aussicht gestellt, die Fragen abschließend zu klären. Darauf bin ich gespannt.

Gibt es einen oder mehrere Hauptschuldige am Niedergang dieses Vereins?

Auch hier ist es am Verein, klar die Verantwortlichkeiten zu benennen. Fakt ist, dass die ehemaligen Vorstände Stefan Kuntz und Fritz Grünewalt sowie der Ex-Aufsichtsratsboss Dieter Rombach von den Mitgliedern nicht entlastet wurden. Das Trio ist sicher nicht umfassend ursächlich für die prekäre Gesamtsituation, die auch Wurzeln in der Bewerbung um die WM 2006 und den überdimensionierten Ausbau des Fritz-Walter-Stadions hat. Doch es stehen nach wie vor Fragen nach Misswirtschaft wie die von Weichel im Raum. Der neue Vorstandsvorsitzende Michael Klatt spricht gerne davon, in die Zukunft schauen zu wollen, schließlich sei er ja kein Historiker. Nur: Wie will er das Vertrauen von Mitgliedern, Investoren und Sponsoren gewinnen, wenn er nicht endlich reinen Tisch macht und aufklärt?

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Welche Rolle spielte die Politik in den vergangenen Jahren beim FCK? Hat sie die Entwicklung begünstigt?

Die politischen Debatten gleichen einem Possenspiel. Um die eigene Treue zum Traditionsverein zu demonstrieren, stritten Politiker im Landtag sogar ernsthaft darum, wer wie oft bei FCK-Heimspielen im Stadion war. Die Politik weiß um die Strahlkraft des Fußballs und die emotionale Bedeutung des FCK für die Region. Gegen den Fritz-Walter-Klub will sich niemand versündigen. Das trägt wohl dazu bei, dass finanzielle Unterstützungen für den Verein etwa durch Reduzierungen der Stadionmiete zulasten der Steuerzahler immer nur kurzfristige Lösungen waren, denen nie strukturell einschneidende Konzepte zugrunde lagen.

Man schaute also durchaus weg.

Kaum einer hinterfragte mögliches Missmanagement im Verein. Insofern schaute die Politik dem Treiben auf dem Betzenberg zu und begünstigte es durch „Steuergeschenke“. Wahrscheinlich sind die aktuellen Forderungen der Lokalpolitiker in jüngerer Zeit die ersten Vorstöße aus der Politik, die eine Transparenz im Geschäftsgebaren des FCK nachdrücklich einfordern.

Welche Rolle spielte der ehemalige Ministerpräsident Kurt Beck?

Die Landesregierung um den damaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck war – mit Stadt und Verein – ein wesentlicher Akteur, als es um die Bewerbung für die WM und den teuren Ausbau des Stadions ging. Genauso stand die Landesregierung Pate, als der Verein schon einmal ins Schlingern geriet und die Stadt dem FCK zu dessen Sanierung das Fritz-Walter-Stadion abkaufte. Dies war 2003 die Geburtsstunde der städtischen Stadiongesellschaft, die seitdem „abhängig“ von den Zahlungen ihres einzigen Mieters, des FCK, ist. Daran gemessen ist es erstaunlich, dass sich die heutige Landesregierung wegduckt und die maßgebliche Verantwortung für die finanziellen Belastungen, die sich nun aus dem Abstieg in die dritte Liga ergeben, vorwiegend bei Stadt und FCK sieht.

Wie kann der FCK in Zukunft wieder auf die Beine kommen? Geht das überhaupt?

Ich bin sehr skeptisch. Der FCK steht nicht nur am sportlichen Tiefpunkt, sondern befindet sich wohl auch wirtschaftlich in einer äußerst angespannten Lage. Zuerst geht es darum, die Voraussetzungen für die Ligalizenz zu erfüllen. Ist das geschafft, möchte man eine Ausgliederung voranbringen, um sich neue Finanzspielräume zu öffnen. Doch auch diese ist kein Allheilmittel ohne potente Geldgeber, die bereit wären, Millionen in eine brüchige Fußballunternehmung zu pumpen. Im Sommer 2019 muss die Fananleihe zurückgezahlt werden. Erst wenn das alles gelungen sein sollte, wird aus meiner Skepsis wieder ein verhaltener Optimismus.

Andreas Erb: "Betze Leaks - Der 1. FC Kaiserslautern zwischen Tradition und Possenspiel" erscheint am 31. Mai 2018 im Verlag "Die Werkstatt"

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