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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Jobe Bellingham vor BVB-Wechsel Er wollte immer seine eigene Geschichte schreiben

Jobe Bellingham will zum BVB. Der junge Engländer verspricht sportlich viel – und könnte in Dortmund das erreichen, was seinem berühmten Bruder nie gelang.
Fast fünf Jahre ist es her, da lud Borussia Dortmund über seine Social-Media-Kanäle ein durchaus ungewöhnliches Video hoch. Zu sehen waren dort einige damalige Profis der Mannschaft, darunter Kapitän Marcel Schmelzer sowie Manuel Akanji und Raphaël Guerreiro, wie sie den Beatles-Klassiker "Hey Jude" in die Kamera trällerten. Begleitet wurden sie dabei vom BVB-Maskottchen Emma auf der Gitarre.
Der Clip endete mit einer Aufnahme aus dem Signal Iduna Park. Ein junger Mann kommt ins Bild gelaufen, sagt "Hey" und lächelt ins Bild. Es ist der zu diesem Zeitpunkt 17-jährige Jude Bellingham – und das Video die offizielle Verkündung seines Transfers von Birmingham City zu Borussia Dortmund im Juli 2020.
Mittlerweile spielt Jude Bellingham für Real Madrid und gilt als einer der größten Stars des Weltfußballs. Die Zeit in Dortmund ist für den englischen Nationalspieler Geschichte. Dennoch könnte schon ganz bald wieder der Song der Beatles in einem Vorstellungsvideo über die Kanäle des BVB zu hören sein, zumindest mit leicht abgewandeltem Liedtext. "Hey Jobe" müsste es dann heißen, wenn Borussia Dortmund tatsächlich der Transfercoup des Sommers gelingen sollte. Denn der 19-jährige Jobe Bellingham steht offenbar kurz vor einem Wechsel zu den "Schwarz-Gelben" – und dürfte bereit sein, in die großen Fußstapfen seines älteren Bruders zu treten.
Der beste der Liga – mit prominenten Vorbildern
Jobe Bellingham, so viel steht fest, hat Talent – und davon eine ganze Menge. Ob er jedoch wirklich so gut ist wie Jude Bellingham, wird sich wohl erst in den kommenden Jahren final herauskristallisieren. Unbestritten ist aber, dass der Teenager vergleichbar gute Voraussetzungen mitbringt wie sein Bruder und dass auch er sich im jungen Alter schon einen Namen gemacht hat.
Mit dem AFC Sunderland gelang ihm zuletzt in einem hochdramatischen Playoff-Finale gegen Sheffield United (2:1) der Aufstieg in die Premier League. Bellingham war vor zwei Jahren aus Birmingham zum nordenglischen Traditionsklub gewechselt und hatte sich in der Folge zur unumstrittenen Stammkraft entwickelt. Welchen Effekt der zentrale Mittelfeldspieler auf sein Team insbesondere in der abgelaufenen Spielzeit hatte, zeigten die Auszeichnungen, die er im Anschluss an diese erhielt.
In der Championship, Englands zweithöchster Spielklasse, wurde Bellingham ins Team der Saison gewählt. Gleichzeitig ehrte man ihn als besten jungen Spieler. Eine Auszeichnung, die vor ihm schon späteren Stars wie Tottenhams Europa-League-Held Brennan Johnson (2022) sowie Bayerns Flügelflitzer Michael Olise (2021) zuteilwurde – und vor fünf Jahren tatsächlich auch Jude Bellingham.
Jobes Bitte als Zeichen der Identitätsfindung
Dass er aber nicht ein einfaches Abziehbild seines erfolgreichen Bruders sein will, machte Jobe Bellingham in der Vergangenheit bereits mehrfach deutlich. Allein die Entscheidung, mit Sunderland zunächst einmal zu einem ambitionierten Championship-Klub zu wechseln, anstatt direkt den Sprung ins Ausland zu wagen, unterschied ihn bereits früh in seiner Profikarriere von Jude. Dass er aber wirklich immer seine eigene Geschichte schreiben wollte, untermauerte Jobe Bellingham dann kurz vor seinem ersten Championship-Spiel für seinen neuen Arbeitgeber.
Im August 2023, am Abend vor dem Auftaktspiel gegen Ipswich, soll Bellingham beim AFC Sunderland mit einer wohl nicht alltäglichen Bitte vorstellig geworden sein. So berichtet es zumindest "The Athletic". Bellingham hatte gegenüber dem Klub den Wunsch geäußert, nicht mit seinem Nachnamen auf dem Trikot aufzulaufen, sondern mit seinem Vornamen. Sunderland musste sich in der Folge die Genehmigung der EFL (English Football League) einholen – und entsprach letztlich dem Anliegen des Spielers.
Tony Mowbray, damals Trainer der "Black Cats", äußerte sich kurze Zeit später zum Namenswechsel auf dem Trikot seines Neuzugangs. "Ich glaube, er versucht, seine eigene Identität zu finden", sagte der Coach. "Er will nicht im Schatten seines Bruders stehen, sondern als Fußballer anerkannt werden und den Leuten zeigen, was er kann."
In Sunderland gereift: fußballerisch und mental
Zwei Jahre später lässt sich festhalten: Jobe Bellingham hat genau das getan. Die beiden Spielzeiten beim AFC Sunderland haben den englischen U21-Nationalspieler noch einmal reifen lassen – fußballerisch, aber vor allem auch mental. Der Jungstar besticht nicht nur durch seine Athletik, Passgenauigkeit, technische Versiertheit und Zweikampfstärke. Es ist in erster Linie sein unermüdlicher Einsatz auf dem Platz, der das Spiel seiner Mannschaft bereichert – was besonders in der vergangenen Spielzeit auffiel.
Ex-Sunderland-Profi Darren Williams zeigte sich im März begeistert von der Entwicklung Bellinghams. "Letzte Saison habe ich gesagt, dass Jobe meiner Meinung nach nicht genug Einsatz gezeigt hat, aber diese Saison hat er das geändert", lobte er im BBC Radio Newcastle die Einstellung des Spielers und unterstrich damit, was für einen großen Schritt dieser in den vorangegangenen Monaten auch im Kopf getan hatte. Auf seinem Talent ruht Bellingham sich nicht aus. Vielmehr arbeitet er daran, sich als Fußballer auf allen Ebenen zu verbessern: mit Erfolg.
Die Qualitäten Bellinghams haben sich dementsprechend herumgesprochen. In England sollen der FC Brentford und FA-Cup-Sieger Crystal Palace an ihm interessiert sein. Doch seit Wochen kursieren vor allem Gerüchte um einen Wechsel in die Bundesliga. Borussia Dortmund arbeitet mit Hochdruck an einer Verpflichtung. Doch auch RB Leipzig und Eintracht Frankfurt wurde Interesse an Bellingham nachgesagt. Die Mainmetropole hatte er jüngst sogar besucht, sich einen Eindruck vom Klub vor Ort verschafft.
Judes Makel – Jobes Chance, aus dem Schatten zu treten
Die Entscheidung ist nun aber wohl doch zugunsten des BVB gefallen. Jobe Bellingham soll dem Verein laut "Bild" seine Zusage gegeben haben. Jetzt müssen die Borussen mit dem AFC Sunderland über die Ablösesumme verhandeln. Maximal 25 Millionen Euro ist der BVB dem Bericht zufolge zu zahlen bereit. Aktuell fordert Sunderland aber offenbar noch mehr. Doch dass der Deal letztlich über die Bühne geht – daran zu zweifeln gibt es nach der Wechseleinwilligung des Profis eigentlich wenig Grund.
In Dortmund, wo sein Bruder bleibenden Eindruck hinterließ, werden wiederum zwangsläufig die Vergleiche mit Jude wieder zunehmen. Doch klar ist auch: Der Werdegang des Älteren im europäischen Spitzenfußball spricht für sich. Wirklich Fahrt nahm die Karriere von Jude Bellingham beim BVB auf.
Der Transfer zum Tabellenvierten der abgelaufenen Bundesligasaison bietet Jobe Bellingham wiederum auch die Chance, das zu erreichen, was seinem Vorgänger in Dortmund verwehrt blieb. Jude Bellingham konnte mit dem BVB 2021 zwar den DFB-Pokal gewinnen, die deutsche Meisterschaft verschenkte er mit dem Team 2023 in einem Herzschlagfinale aber noch an den FC Bayern. Ein Makel in einer sonst überaus erfolgreichen Zeit bei den Westfalen.
Eines steht daher fest: Bei einem Gewinn der Bundesliga, und das auch noch ausgerechnet mit dem BVB, würde Jobe Bellingham endgültig aus dem Schatten seines Bruders heraustreten. Spätestens dann dürften sie beim BVB den Welthit der Beatles bewusst umschreiben – und die Fans im ganzen Stadion "Hey Jobe" singen.
- youtube.com: "Hey Jude: la original presentación del Borussia Dortmund a Jude Bellingham"
- nytimes.com: "Jobe opportunities: Will the younger Bellingham brother stay in England or head to Germany?" (Englisch, kostenpflichtig)
- nytimes.com: "Jobe Bellingham is creating his own identity and Sunderland are the happy beneficiaries" (Englisch, kostenpflichtig)
- bbc.com: "Bellingham and Rigg win young player awards"
- bild.de: "Entscheidung im Transfer-Poker: Bellingham will zum BVB!"
- Eigene Recherche