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Max Eberl: "Wäre schön, wenn man sagt - da ist was entstanden"


Bundesliga
"Wäre schön, wenn man sagt: Da ist was entstanden"

Von t-online
Aktualisiert am 08.11.2011Lesedauer: 8 Min.
Max Eberl blickt auf ein bewegtes Jahr zurück.Vergrößern des BildesMax Eberl blickt auf ein bewegtes Jahr zurück. (Quelle: imago-images-bilder)
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Das Interview führte Björn Wannhoff

Borussia Mönchengladbach ist das Überraschungsteam der Saison. Wie der Phoenix aus der Asche schnellte das Team unter Trainer Lucien Favre vom letzten Tabellenplatz empor und schaffte letztes Jahr den kaum noch für möglich gehaltenen Klassenerhalt. Nach Siegen über den FC Bayern, Hannover 96 und anderen Top-Teams steht Gladbach auf einem Rang, der für das internationale Geschäft qualifizieren würde.

Die Konstante während diesen stürmischen Zeiten hieß Max Eberl. t-online.de sprach mit dem Gladbacher Sportdirektor über das Theater um Marco Reus, die Euphorie in Mönchengladbach und die Sonnenseiten des Manager-Daseins.

Herr Eberl, die Borussia steht nach zwölf Spieltagen auf Rang vier mit 23 Punkten. Sie müssen mit der sportlichen Entwicklung hochzufrieden sein?

Max Eberl: Ich denke, dass wir als Verein mit diesem Jahr bisher sehr glücklich sein können. Wir haben in diesem Kalenderjahr 49 Punkte geholt und noch fünf Spiele vor der Brust. Natürlich haben wir eine sehr komplizierte Saison hinter uns, sowohl sportlich als auch politisch. Aber wir haben diese Zeit als Team durchgestanden und viele Erfahrungen mitgenommen. Obwohl wir sehr zufrieden sind, fangen wir aber jetzt nicht an zu träumen.

In dieser Saison scheint aber einiges möglich zu sein.

Nehmen Sie die letzte Saison: Da haben wir Köln zuhause mit 5:1 geschlagen, aber gegen Dortmund, Freiburg und Hannover wurden uns kaum Chancen eingeräumt. Trotzdem haben wir aus den darauffolgenden Partien zehn Punkte geholt. Daraus haben wir gelernt, uns immer auf die nächstliegende Aufgabe zu konzentrieren. Wie schon gesagt, die Bundesliga ist so eng, jeder kann jeden schlagen. Wenn ich also gefragt werde, was möglich ist, so kann ich nur sagen: Möglich ist etwas gegen Bremen in zwei Wochen.

Mönchengladbach befindet sich konsequent in der Spitzengruppe der Liga. Manchmal hatte man den Eindruck, dass Ihnen der Erfolg nicht ganz geheuer ist. Müssen Sie bremsen?

Nein, das möchte ich gar nicht. Ich will, dass wir als Verein, zusammen mit den Fans, immer realistisch bleiben. Wir wissen, wo wir herkommen. Wir haben über die Relegation die Liga gehalten. Aber wir machen uns auch nicht kleiner, als wir sind: Wir haben Dortmund geschlagen, Hannover und Freiburg auch. Vieles ist also möglich, aber nur wenn man voll fokussiert ist.

Trotz allem Realismus ist die Euphorie um den Verein zu spüren. In der letzten Woche waren fast immer mehr als 1000 Zuschauer beim Training, der Fanshop war prall gefüllt. Nehmen Sie das zumindest mit Zufriedenheit war?

Zufriedenheit ist ein schlechter Ratgeber. Ich freuen mich über die momentane Situation und spüre, wie sehr die Leute hinter dem Verein stehen. Es ist schon sehr viel los im Moment: Es ist Ferienzeit und Borussia steht sehr gut da, da potenziert sich die Euphorie ein wenig. Man wird ein bisschen anders wahrgenommen

Wenn es überhaupt etwas zu kritisieren gilt, ist es die Chancenverwertung. Hat es Sie besonders gefreut, dass Marco Reus sich so treffsicher gezeigt hat?

Ich wehre mich dagegen, immer einzelne Spieler herauszugreifen, denn man muss die gesamte Teamleistung sehen. Wir haben die drittwenigsten Treffer in der Liga zugelassen, was bedeutet, dass wir eine gute Struktur auf dem Platz haben. Trotzdem schaffen wir es als Mannschaft, uns sehr viele Torchancen herauszuarbeiten. Wenn wir jede Torchance nutzen würden, stünden wir auf einem ganz anderen Tabellenplatz. Es ist doch eigentlich gut, wenn man Vierter ist, 23 Punkte hat und trotzdem noch Möglichkeiten zur Verbesserung hat. Nichtsdestotrotz ist es natürlich schön, wenn Marco die Tore macht, wenn Juan Arango und Mike Hanke die Treffer wunderbar vorbereiten. Das zeigt, dass wir offensive Qualität haben.

Nervt Sie der Trubel um Marco Reus?

Generell ist es normal, dass alles an Personen festgemacht wird, im positiven wie im negativen. Vor einem halben Jahr war man auf der Suche nach Sündenböcken. Jetzt hat es sich die Entwicklung positiv gewendet, und es konzentriert sich vieles auf Marco Reus. Aber Marco profitiert sehr von seinen Mitspielern, ebenso wie beispielsweise Marc-André ter Stegen und Dante. Es sind bei uns viele Köche, die ein gutes Gericht zubereiten. Nerven ist also vielleicht das falsche Wort, aber mich stört es, wenn man sich immer nur auf eine Person konzentriert, wenn eigentlich das Team im Vordergrund stehen sollte.

Empfinden Sie solche Aussagen wie "Reus ist ein interessanter Spieler" als Störfeuer? Dass er interessant ist, weiß ja eigentlich Jeder in der Liga.

Der FC Bayern wird ständig mit solchen Dingen konfrontiert. Zuletzt war es Mario Götze, dann war es Reus und noch zwei andere, die zu den Bayern gehen sollen. So funktioniert unsere Medienlandschaft. Es ist nicht förderlich, auch nicht für Bayern München, die einen extrem guten Kader haben und das Ziel Champions-League-Finale formuliert haben. Sie haben 25 Spielern, mit denen sie dieses Ziel erreichen wollen. Dass Spieler, die in der Bundesliga für Furore sorgen, mit Bayern in Verbindung gebracht werden, ist nun einmal so. Ich weiß, dass das den Bayern auch nicht unbedingt recht ist. Das Ganze ist mehr ein Medienthema als ein Thema der Vereine.

Sind Sie eigentlich froh, dass die Bayern schon Manuel Neuer verpflichtet haben? Ansonsten dürfen Sie möglicherweise dasselbe Spiel mit Marc-André ter Stegen durchspielen.

Es können nicht alle bei den Bayern spielen, sonst haben die am Ende 100 Spieler im Kader. Wir sind froh, dass die Bundesliga so ausgeglichen ist und jeder Verein seine Topspieler hat. Fußball-Deutschland will auch, dass die verschiedenen Talente, die in diesem Land kreiert werden, bei ihren Vereine Erfolge feiern können und dass die Liga ausgeglichen ist. Das Ziel kann nicht sein, dass alle Topspieler bei Bayern spielen. Damit wäre keinem geholfen.

Aber wir müssen nicht immer über Bayern reden, die haben ja schon etliche Nationalspieler. Jeder Spieler sollte an seinen Weg denken. Was ist mir lieber: Spiele ich 34 mal 90 Minuten oder spiele ich dort deutlich weniger?

Als Sportdirektor fallen Transfers natürlich in Ihr Aufgabengebiet. Wie zufrieden sind Sie mit den Sommertransfers bisher? So richtig zeigen konnte sich kaum einer.

Unser bester Sommertransfer war, dass wir alle Stammspieler gehalten haben. Das ist nicht selbstverständlich. Wir haben an die Qualität der Mannschaft geglaubt und deshalb den Fokus darauf gelegt, das Team zusammenzuhalten. Wir wussten, dass die Mannschaft Potenzial hat und durch die Erfahrungen der letzten Saison einen Schritt nach vorn gemacht hat. Deshalb war klar, dass wir keine riesigen Transfer-Überschüsse erwirtschaften würden. Wir wollten den Kader stärken. Dass heißt ja nicht, dass jeder Neue sofort Stammspieler wird. Aber die Konkurrenzsituation ist im Kader deutlich größer geworden. Deshalb haben wir mit Matthew Leckie, Joshua King, Yuki Otsu, Lukas Rupp und Matthias Zimmermann Spieler geholt, die 20 Jahre und jünger, aber Jugendnationalspieler ihrer Länder sind.

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Man könnte ja auch anders herum argumentieren: Wir spielen so gut, weil die Spieler, die draußen sitzen, so viel Druck machen. Man muss ständig gut spielen, sonst ist der Stammplatz weg.

Wie zum Beispiel Filip Daems.

Genau. Er spielt wahrscheinlich die beste Saison, seit er in Gladbach ist. Ist das Glück? Oder ist es so, weil er mit Oscar Wendt einen schwedischen Nationalspieler als Konkurrenz auf seiner Position hat, der nur darauf lauert, dass Filip Schwächen zeigt? Die Tatsache, dass kein Neuer spielt, heißt also nicht zwangsläufig, dass wir schlecht eingekauft haben. Natürlich ist das für Wendt momentan bitter. Er ist ein Spieler, von dem wir sehr viel halten und auch sehr viel erwarten. Wenn Oscar zum Einsatz kommt, sind wir sehr zufrieden mit ihm, aber es können nur elf spielen.

Solange der Erfolg da ist, haben die Ersatzspieler schlechtere Argumente.

Es ist nicht jede Entwicklung gleich. Marco Reus hat drei Monate gebraucht, um Stammspieler zu werden. Roman Neustädter hat aber eineinhalb Jahre dafür gebraucht. Man kann nicht alle über einen Kamm scheren und sagen: Alles muss nach einem Jahr funktionieren.

Setzen sie sich schon mit dem Transferfenster in der Winterpause auseinander? Es gibt ja eigentlich kaum Gründe für Neuverpflichtungen, die Stimmung im Vergleich zur vergangenen Winterpause kaum unterschiedlicher sein.

Ich schaue natürlich immer, was möglich ist, das ist mein Beruf. Wir haben eine gesunde Basis, können aber keine großen Sprünge machen. Man beobachtet den Markt, weil man auch gezwungen sein kann, kurzfristig zu handeln oder man kann im Winter einen Spieler bekommen, den man im Sommer nicht kriegt. Aber genaueres kann ich im Moment nicht sagen.

Sie haben in den letzten Monaten das volle Spektrum in Ihrem Beruf erlebt. Von einem fast sicher scheinenden Abstieg und auch unsachlichen Kommentaren was ihre Person angeht zu den hochemotionalen Relegationsspielen. Mittlerweile können Sie sich vor Schulterklopfern wohl kaum retten. Können Sie beschreiben, wie Sie die Zeit erlebt haben?

Es war eine sehr lehrreiche, aber auch extrem anstrengende Zeit. Es gab sehr viele schwierige Entscheidungen zu fällen, immer wieder das Abwägen zwischen Chance und Risiko eines Transfers oder einer Entlassung eines Trainers. Zum Glück gab es ein glückliches Ende. Wie ich mich dabei gefühlt habe, ist nicht so interessant.

Trotzdem: Nach außen haben Sie während dieser ganzen Zeit eine unglaubliche Ruhe und Sachlichkeit ausgestrahlt. Wie schaffen Sie das?

Ich war natürlich angespannt. Aber man muss sich immer fragen: Was ist wichtig für den Erfolg des Vereins? Ist es wichtig, einen Rundumschlag zu machen und sich gegen alles und jeden zu wehren? Da hätte ich, wenn ich damals auf die Tabelle geschaut hätte, wohl nicht die besten Argumente auf meiner Seite gehabt. Oder fokussiert man sich auf das, von dem man überzeugt war und ist? Ich wusste damals, dass es noch eine reelle Chance auf den Klassenerhalt gab, und sei sie auch noch so klein.

Im Umfeld des Vereins sah man das wohl anders.

Deshalb haben wir als Verein sachlich alles durchdiskutiert und uns nicht von Stimmungen und Gefühlen leiten lassen. Emotionen gehören zum Fußball, aber gute Entscheidungen erfordern Sachlichkeit und Nüchternheit. Deshalb haben wir uns auf die Mannschaft konzentriert und nicht auf die Unruhe im Umfeld reagiert. Natürlich wächst man auch in einer solchen Situation und man denkt im Nachhinein: 'Das war schon grenzwertig'.

In jüngerer Zeit häufen sich die Meldungen von Trainer und Spielern, die einen "Burnout" haben und ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen können. Macht Ihnen das Sorgen, auch im Bezug auf Ihre eigene Person?

Um mich selbst habe ich mir in diesem Zusammenhang bisher keine Gedanken gemacht. Jeder Mensch ist unterschiedlich und kommt unterschiedlich gut mit Drucksituationen klar. Ich kann kein Rezept dafür ausgeben, wie man mit dem Druck klarkommt. Ich erfreue mich guter Gesundheit. Ich weiß, dass es ein anstrengender und nervenaufreibender Job ist, auch weil man in der Öffentlichkeit steht. Jedes Wochenende wird von unzähligen Leuten beurteilt, was gut und was schlecht war. Und jeder muss seinen eigenen Weg finden, damit klarzukommen.

Sie sind nach dem Ende Ihrer Fußballer-Laufbahn direkt auf den Beruf des Sportdirektors, zunächst im Jugendbereich, zugesteuert.

Ich habe mich in der Tat direkt auf diesen Karriereweg begeben. Einige haben ja behauptet: Der Eberl, das ist ein Greenhorn, der wird ins kalte Wasser geworfen. Das habe ich komplett anders gesehen. Ich habe mich schon während meiner Fußballerkarriere weitergebildet und habe dann in fast vier Jahren sehr viel gelernt als Nachwuchsdirektor der Borussia. Ich habe viele Erfahrungen gesammelt, stand dabei aber nicht so im Rampenlicht wie in der Bundesliga. Und ganz schlecht kann ich meine Arbeit nicht gemacht haben, sonst hätten mir die Gladbacher Verantwortlichen diese Aufgabe nicht zugetraut.

Was macht – trotz all des Stresses – den Reiz der Aufgabe für Sie aus?

Stress und Druck gibt es in jedem Beruf, das ist nicht nur in unserem Sport so. Ich bin mit Fußball groß geworden. Seit ich denken und laufen kann, lebe und liebe ich Fußball. Die Aufgabe als Sportdirektor reizt mich, weil ich gerne strategisch denke und handle und diesem unglaublich tollen Sport etwas geben möchte. Als Sportdirektor hat man die fantastische Möglichkeit, einen ganzen Klub eine bestimmte Richtung zu geben.

Wenn es nach Ihnen geht, wird es also eine Ära Max Eberl bei Borussia Mönchengladbach geben.

Es ist ja klar, dass es schön wäre, wenn man einmal in der Zukunft sagt: Da ist etwas entstanden. Wie erfolgreich das am Ende sein wird, wird man sehen. Ich denke, jeder auf dieser Welt will etwas Positives schaffen und ich will dies im Mikrokosmos Fußball, bei meinem Klub Borussia Mönchengladbach.

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