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So erlebte t-online.de-Reporter Felix Walther


t-online.de-Reporter Felix Walther in Dortmund
So erlebte ich den Tag nach dem Anschlag

t-online, Felix Walther

13.04.2017Lesedauer: 4 Min.
Die Polizei zeigte am Tag nach dem Anschlag eine erhöhte Präsenz am Stadion.Vergrößern des BildesDie Polizei zeigte am Tag nach dem Anschlag eine erhöhte Präsenz am Stadion. (Quelle: Felix Walther/T-Online-bilder)
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Dortmund am Tag nach dem Anschlag auf den BVB-Bus. Die Fans wirken gefasst. Eine richtige Champions-League-Atmosphäre kommt trotzdem nicht auf. Alle sprechen über die Sicherheit und die sympathischen Fans aus Frankreich.

Ich war noch nie in Dortmund. Ich habe nur Geschichten gehört, dass die Stadt fußballverrückt sei. An Spieltagen feiern die Menschen schon vor dem Anpfiff auf dem Bahnhofsvorplatz und auf dem Hansaplatz.

Verhaltene Stimmung vor dem Spiel

Als ich ankomme herrscht Tristesse. Beim Verlassen der Bahnhofshalle stehen sich ein paar Fans im Nieselregen die Beine in den Bauch. Keine Party, keine Feststimmung. Es fühlt sich wie ein ganz normaler Wochentag an und nicht wie Vorfreude auf einen womöglich denkwürdigen Fußballabend.

Einer dieser Fans auf dem Bahnhofsvorplatz ist Marco. Er hofft, dass die Mannschaft den Schock wegsteckt und gewinnt. Und die Fans? Er macht sich selbst Mut, auch wenn er nicht glaubt, dass die Stimmung im Stadion so sein wird wie sonst.

Marco: „Es war schon ein mulmiges Gefühl, als wir vom Anschlag gehört haben. Ich glaube nicht, dass das Spiel so schön wird wie sonst. Es wird schon weniger Stimmung im Stadion sein.“

t-online.de-Reporter am Tatort

Ich mache mich auf den Weg zum Tatort. Der Taxifahrer erzählt mir auf der Fahrt, dass am Vortag Monegassen und Dortmunder gemeinsam auf der Straße feierten und die Stimmung toll gewesen sei. Heute aber wirke die Stadt wie in Starre. Genau so fühlt es sich auch für mich nach zwei Stunden Aufenthalt an.

Anfahrt auf den Ort, an dem Tags zuvor drei Sprengsätze explodierten und den Borussen Marc Batra, sowie einen Polizisten verletzten. Mit jeder Polizeisperre wird mir mulmiger. Ein Wunder, dass nicht mehr passiert ist. An der dritten Straßensperre und 200 Meter vor dem Tatort komme ich nicht weiter. Die Polizei wirkt souverän und scheint alles im Griff zu haben. Sicherheit ist überall in und um Dortmund das Wort der Stunde.

#bedforawayfans

Über Twitter habe ich von der Aktion der BVB Fans „a bed for away fans“ (auf deutsch: ein Bett für Auswärts-Fans) gehört. Bevor es für mich ins Stadion geht, treffe ich mich daher mit Michael. Der 65-Jährige ist leidenschaftlicher BVB-Fan und nahm am Abend des Anschlags drei französische Fans bei sich auf.

Über die Fangemeinschaft und die sozialen Netzwerke erfuhr er von der Aktion und entschied gemeinsam mit seiner Frau zu helfen. Floris, Robin und Steve kommen aus Mühlhausen, sechs Autostunden von Dortmund entfernt. Die Fanaktion bewahrte die drei vor einer ungemütlichen Nacht in ihrem Auto.

Gemeinsam schlendern wir zum Stadion. Auch Michael erwartet eine andere Stimmung wie bei einem Ligaspiel: „Auf der Süd, da steht man. Aber auf Grund der Regularien sind zu internationalen Spiele nur Sitzplätze im Stadion erlaubt.“ Statt knapp 82.000 sind nur 65.000 Zuschauer zum Spiel zugelassen. „Ob Sitzplatz oder nicht, ich werde eh stehen“, so Michael.

Gänsehaut vor dem Stadion

Dann taucht der Signal-Iduna-Park vor mir auf. Der angeblich schönste Fußballtempel Deutschlands bringt mich sofort zum Schmunzeln. Kurz vergesse ich die Umstände des Spiels und freue mich einfach nur auf die Gänsehaut, die mir die Champions-League-Hymne jedes Mal bereitet.

Die Menschen um mich herum sind gut gelaunt. Trotzdem höre ich in vielen Gesprächen die Worte Sicherheit, Bombe und Angst. Ich fühle mich schon den ganzen Tag sicher. Die Präsenz der Sicherheitskräfte ist allgegenwärtig: Polizisten auf Pferden, Polizisten mit Halbautomatikwaffen, Polizisten in gepanzerten Wägen.

Ich bin spät dran, in 30 Minuten beginnt das Spiel. Die BVB Fangesänge schallen schon jetzt aus dem Stadion. Am Ende verpasse ich das Einlaufen und sogar das erste Tor des AS Monaco. Dann endlich erreiche ich meinen Sitzplatz. Block 53 - Sitzplatz 1.

Früher Rückstand dämpft die Stimmung

Ich habe das Gefühl in die Stimmung hineingesogen zu werden. Doch dieses Gefühl ebbt schnell ab. Es steht mittlerweile 0:2 und die Menschen um mich beginnen sich wieder mit dem Anschlag auseinander zu setzen. Mein Sitznachbar raunt: „Ist ja klar, dass das nicht spurlos an denen (Dortmunder Spieler, Anm. d. Red.) vorbei geht“. Das Gefühl habe ich auch.

Dann ist Pause und ich treffe Timo und Florian. Wir sprechen über die Reaktion der Mannschaft und die Sicherheit rund um das Spiel. Beide versichern mir, dass sie sich sicher fühlen. Dauerkartenbesitzer Timo spricht von einer „anderen Situation“ und von einem „emotionalen Spiel“. Florian hingegen haben die Gesten der BVB Fans und der Choreografie berührt. Mit Blick auf die Verfassung der Mannschaft ist er sicher, dass „der Vorfall in den Köpfen ist“.

Die zweite Halbzeit wird, was sich alle gewünscht haben: Ein offener Schlagabtausch zwischen zwei offensiv hochbegabten Mannschaften. Und plötzlich steht der Fußball wieder im Mittelpunkt und der Anschlag rückt für 45 Minuten in den Hintergrund.

Am Ende steht ein 2:3 und ein versöhnliches Ende für die Fans beider Vereine. Auf dem Weg aus dem Stadion ist es friedlich, die Menschen reden über das Spiel, über das angebliche Abseitstor und dass ein 2:2 doch bei all der Aufregung im diese Partie gerechter gewesen wäre.

Anschlag hat Spuren hinterlassen

Am Ende des Champions-League-Viertelfinal-Hinspiels bleibt mehr als nur die Niederlage des BVB zurück. Auch wenn die meisten Fans beteuern sich von einer solchen Tat nicht einschüchtern lassen zu wollen, so haben die drei Explosionen Spuren hinterlassen. Natürlich war das Polizeiaufgebot am Tag danach demonstrativ hoch und es strahlte für viele Sicherheit aus.

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Auf mich drücken jedoch genau diese Maßnahmen Angst und Unsicherheit aus. Menschen mit Gewehren erwecken in mir das Gefühl eines kriegsähnlichen Zustands. Nur die 90 Minuten sportlicher Leidenschaft lenken von diesem Unbehagen ab.

Dortmund und seine Bürger geht sehr abgeklärt mit der Situation um. Trotzdem hat die Tat in mir eines erreicht: Auch in Deutschland werde ich mit einem zunächst flauen Gefühl zu Großveranstaltungen gehen. Aber das Wichtigste ist, weiterhin am öffentlichen Leben teilzunehmen.

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