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Champions League: Union Berlin in der Krise – die Wahrheit hinter dem Absturz


Eine Niederlage nach der anderen
Die bittere Wahrheit hinter dem Absturz von Union Berlin

Von Benjamin Zurmühl

Aktualisiert am 09.11.2023Lesedauer: 5 Min.
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Urs Fischer: Der Trainer der Eisernen steckt mit seinem Team in einer Krise.Vergrößern des Bildes
Urs Fischer: Der Trainer der Eisernen steckt mit seinem Team in einer Krise. (Quelle: IMAGO/H. Langer)

Union Berlin ist in der Champions League ausgeschieden und in der Bundesliga im Abstiegskampf, die Krise wird schlimmer. Doch warum die "Eisernen" so abstürzen, ist schwer zu erklären.

Für die Ultras von Union Berlin sind die Schuldigen an der aktuellen Unruhe rund um den eigenen Verein schnell gefunden. Es sind die "Presseschweine", wie auf einem Plakat am Samstag beim Heimspiel gegen Eintracht Frankfurt (0:3) zu lesen war. "Es ist uns egal, was die Presseschweine schreiben. Urs Fischer ist Unioner und soll es auch bleiben!", war dort zu lesen.

Eine klare Reaktion auf die sich häufenden Diskussionen darüber, ob Trainer Urs Fischer noch der richtige Mann für Union Berlin ist. Die "Bild"-Zeitung spekulierte bereits Ende Oktober über ein mögliches Aus des Schweizers. Auch in Talkshows wie dem "Doppelpass" bei Sport1 wurde über die Zukunft Fischers diskutiert. Den Unioner Ultras war das ein Dorn im Auge, weshalb sie ihrem Ärger auf teils überzogene Art und Weise Luft machten.

"Das sagt viel aus über den Verein"

Dass die Debatten aufkommen, hat jedoch nichts mit einer Kampagne einzelner Pressevertreter zu tun, sondern mit einer historischen Negativserie der "Eisernen", wie der Klub auch genannt wird. Das Team aus dem Stadtteil Köpenick hatte immerhin zwölf Pflichtspiele in Serie verloren. Acht in der Bundesliga, drei in der Champions League, eins im DFB-Pokal. Die Überflieger der letzten Jahre erleben zurzeit einen rasanten Sturzflug, der sie auf Rang 16 in der Bundesliga geführt hat.

In der Champions League eroberten die "Eisernen" immerhin einen Punkt in Neapel, konnten die 13. Pleite in Folge vermeiden. Das Achtelfinale ist für die Berliner dennoch nicht mehr zu erreichen.

Die Lage in der Bundesliga: Nur sechs Punkte hat Union auf dem Konto, Siege gab es lediglich gegen Mainz 05 (Platz 17) und Darmstadt 98 (Platz 15). Trotzdem stehen die Fans hinter dem Team, Pfiffe gibt es kaum. "Das sagt viel aus über den Verein. Man vergisst nicht", sagte Kapitän Christopher Trimmel nach der Niederlage gegen Frankfurt. "Aber wir müssen schon schauen, dass wir irgendwann die Kurve kriegen. Am Ende ist es auch in unserem Sinn, dass wir ihnen was zurückgeben."

Chancen dafür hat Union jede Menge, an Spielen mangelt es derzeit nicht. Nahezu jede Woche ist eine Englische Woche mit Spielen unter der Woche und am Wochenende. Nutzen kann das Team um Kapitän Trimmel diese Chancen aber bisher nicht.

Ein Blick in die Daten

Warum das so ist, weiß bei Union kaum jemand. Denn die bittere Wahrheit ist: Den Daten zufolge spielen die Berliner gar nicht so viel schlechter als die letzten Jahre. Union übertraf nur regelmäßig die statistisch erwarteten Ergebnisse – und unterbietet sie in der neuen Saison. Ein Beispiel: Bei den "Expected Goals", den erwarteten Toren aufgrund der Qualität der Torchancen, hätte Union laut dem Datenportal "understat.com" beispielsweise in der vergangenen Saison 35 Tore schießen müssen (xGoals = 35,07). Die "Eisernen" erzielten jedoch 51, waren also ungemein effizient. Zum Vergleich: RB Leipzig schoss fünf Tore weniger als prognostiziert.

Bei den "Expected Goals Against", den erwarteten Gegentoren, stand der Wert nach 34 Spieltagen bei 42,43. In der Realität waren es aber nur 38 Gegentreffer für die "Eisernen". Auch hier waren die Berliner effizient, Torwart Frederik Rönnow zählte zu den besten Keepern der Saison.

Die Saison beendete Union Berlin auf Rang vier, zog mit 62 Punkten in die Champions League ein. In der rein statistischen Tabelle der Saison 2022/23 lag Union aber weit weg von der Champions League auf Rang 13 mit 42 Punkten.

Das Brisante: Wer nach genau diesen Zahlen für die aktuelle Saison schaut, sieht Union auf dem 12. statt dem 16. Platz. Die Berliner zeigen sowohl bei den erwarteten Toren (11 statt 13) als auch bei den erwarteten Gegentoren (22 statt 15) eine ungewohnte Ineffizienz. Die Realität ist aber eben mehr als nur die reine Statistik, weshalb die Daten auch nur ein Teil der Erklärung für die Krise sind.

Eine durchwachsene Saisonvorbereitung

Die Ursachen für die derzeitigen Probleme liegen auch im vergangenen Sommer. Die beiden deutschen Nationalspieler Robin Gosens und Kevin Volland stießen erst Mitte August zum Team, als die Saison schon begonnen hatte. Starverteidiger Leonardo Bonucci unterschrieb sogar erst am 1. September. Lucas Tousart, der Mitte Juli von Erzrivale Hertha BSC gekommen war, um das Mittelfeld zu verstärken, verletzte sich früh. Alle vier Neuzugänge verpassten damit große Teile der Vorbereitung.

Aber auch unter den alteingesessenen Spielern gab es einige Ausfälle. Mittelfeldmann András Schäfer musste bereits im Juni operiert werden. Rani Khedira verletzte sich noch vor dem 1. Spieltag, Abwehrchef Robin Knoche fehlte ebenfalls früh in der Saison. Union konnte sich so kaum einspielen. Zudem gab es bis zum Ende der Transferperiode Wechselgerüchte um Leistungsträger wie Danilho Doekhi (Innenverteidigung) und Sheraldo Becker (Sturm), die zum Teil Testspiele nicht mitmachten, um sich nicht zu verletzen und einen Wechsel zu gefährden.

Für einen Perfektionisten wie Urs Fischer war all das Gift. Denn das Erfolgsrezept des Schweizers ist eine kompakte Defensive mit klaren Abständen zwischen den Defensivreihen. In der Vergangenheit war Union so kaum zu überspielen, verteidigte diszipliniert und abgeklärt.

Doch in der neuen Saison musste Fischer aufgrund der besagten Ausfälle und späten Veränderungen im Kader immer wieder improvisieren und umstellen. So kommt es immer wieder vor, dass die Abstände innerhalb der Ketten zu groß sind, was gegnerische Teams auszunutzen wissen. Auch im eigenen Offensivspiel zeigt Union ungeahnte Schwächen. Während das Team in der Vergangenheit beim Erobern von "zweiten Bällen", also abgeprallten oder abgewehrten langen Pässen, sehr stark war, sieht das in dieser Saison anders aus.

"Haben wir irgendwie was falsch gemacht?"

Hinzu kommt der Kopf, der eine ebenfalls nicht unerhebliche Rolle spielt. Union war in mehreren Partien, die verloren gingen, eigentlich das bessere Team. Zum Beispiel beim 0:1 in Heidenheim oder beim 2:3 gegen Braga. Doch der Negativstrudel, in dem die Köpenicker steckten und stecken, ist dem mentalen Zustand der Spieler anzumerken.

Robin Gosens war beispielsweise nach der späten Niederlage gegen Braga völlig ratlos. "Haben wir irgendwie was falsch gemacht? Haben wir den Fußballgott irgendwie beleidigt, dass wir aktuell so behandelt werden?", fragte der Nationalspieler. "Ich bin schon ein paar Jahre dabei. So was wie aktuell habe ich noch nicht mitgemacht."

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Auch Trainer Urs Fischer hatte keine Erklärung parat: "Man fragt sich schon: Wie viele Schläge kann man einstecken?" Das war Anfang Oktober, seitdem kamen sechs weitere Schläge in Form von Niederlagen dazu. Am Dienstag resümierte Fischer vor dem Spiel in Neapel: "Die Situation, Entschuldigung, ist im Moment wirklich beschissen."

Damit das ein Ende hat, braucht Union dringend Siege. Das Unentschieden in Neapel war immerhin ein Anfang und ein kleiner Mutmacher für Fans und Spieler. Doch für eine wirkliche Wende braucht es einen Sieg. Vielleicht kommt dieser dann, wenn man am wenigsten damit rechnet. Beispielsweise am Wochenende bei Bundesliga-Spitzenreiter Bayer Leverkusen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • n-tv.de: "Union Berlin trotzt den 'Presseschweinen' und Gesetzen"
  • understat.com: "Bundesliga"
  • fbref.com: "Union Berlin"
  • Nachrichtenagenturen SID, dpa
  • rasenfunk.de: "Union Berlin im Fokus #394: Muss Urs Fischer gehen?"
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