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Robin Gosens vor Debüt in der Champions League: DFB-Elf? "Ich muss mich vor niemandem verstecken"


Deutscher bei Atalanta Bergamo
Gosens: DFB-Elf? "Ich muss mich vor niemandem verstecken"

  • David Digili
InterviewVon David Digili

Aktualisiert am 18.09.2019Lesedauer: 7 Min.
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Bergamos Robin Gosens: Der Verteidiger steht vor seiner ersten Champions-League-Teilnahme?Vergrößern des Bildes
Bergamos Robin Gosens: Der Verteidiger steht vor seiner ersten Champions-League-Teilnahme? (Quelle: imago-images-bilder)

Vor dem Champions-League-Debüt mit den Italienern spricht der Rheinländer über seine Erfahrungen in Bergamo, den geplatzten Wechsel zu Schalke – und sein großes Ziel.

Wenn Atalanta Bergamo heute bei Dinamo Zagreb in die Gruppenphase der Champions League startet, dann feiert der Serie-A-Klub nicht nur sein Debüt in der Königsklasse – auch der Traum von Verteidiger Robin Gosens geht weiter.

Der Deutsche ist Stammkraft auf Links bei der Mannschaft aus der Lombardei, geht in seine dritte Saison beim Klub. 2012 noch kickte Gosens beim VfL Rhede in der Landesliga Niederrhein. Über Vitesse Arnheim und Heracles Almelo in den Niederlanden kam der Emmericher nach Italien. Und steigerte sich weiter von Jahr zu Jahr. Mitttlerweile ist er aus der Mannschaft von Trainer Gian Piero Gasperini nicht mehr wegzudenken, war wichtiger Teil der Elf, die letzte Saison sensationell Platz drei belegte und die direkte Qualifikation für die Champions League schaffte.

Im Interview mit t-online.de spricht Gosens über die Chancen in Europa, den geplatzten Wechsel zum FC Schalke 04 – und über die deutsche Nationalmannschaft.

t-online.de: Als wir uns im Februar 2018 unterhalten haben, haben Sie gesagt: Bei Serie-A-Gegnern wie Juve oder Neapel würden Ihnen kaum die richtigen Worte einfallen. Jetzt geht es in die Champions League…

Robin Gosens (25): … und da fehlen mir die Superlative (lacht). Im wichtigsten Klubwettbewerb gegen Top-Teams mit Weltklassespielern ranzudürfen – mehr geht doch einfach nicht. Und ganz ehrlich: Mehr kann ich mir auch gar nicht erträumen.

Dinamo Zagreb, Schachtjor Donezk – und ManCity. Was ist da für Atalanta drin?

Also, noch vor der Gruppenauslosung habe ich gesagt, wir müssen auf jeden Fall versuchen, uns so teuer wie möglich zu verkaufen. Jeder ging ja eigentlich davon aus, dass für uns nach der Gruppenphase gleich Schluss sein wird. Aber jetzt, danach, haben wir alle im Verein eigentlich doch die Einstellung: Das ist machbar für uns.

Selbstbewusst...

Natürlich wirst du gegen City über 90 Minuten kaum den Ball sehen und ständig von links nach rechts geschickt. Da musst du die eine Chance, die sich vielleicht bietet, auch nutzen. Zagreb und Donezk sehe ich aber als Gegner auf Augenhöhe, da glaube ich nicht, dass wir uns verstecken müssen. Wir rechnen uns schon Chancen auf die nächste Runde aus.

Sie gehen in Ihr drittes Jahr bei Atalanta – wie haben Sie sich seitdem spielerisch entwickelt?

Die letzten beiden Saisons waren enorm lehrreich für mich. Im ersten Jahr ging es natürlich daran, den Spielstil in Italien zu verinnerlichen, im zweiten Jahr habe ich es dann zum Stammspieler geschafft. In Sachen Dynamik, Spielverständnis und Taktikverständnis habe ich richtig viel dazugelernt, denn gerade auf diese Aspekte wird hier viel Wert gelegt.

Effekte, die man im eigenen Spiel gleich bemerkt?

Ich würde sagen, dass ich insgesamt ein kompletterer Spieler geworden bin, auf taktischer und technischer Ebene – und auch körperlich bin ich auf dem Platz mittlerweile viel präsenter. Das Gesamtpaket bei mir ist in den letzten Jahren viel größer geworden, und darüber bin ich extrem glücklich.

Und persönlich?

Ich fange mal so an: Ich bin 2017 ja ganz alleine nach Bergamo gekommen, ohne Freundin oder Familie. Ich habe zwei Jahre lang hier alleine gewohnt, musste mich in gewisser Weise "alleine durchschlagen", auch wenn das etwas zu hart klingt. Aber das hat mich menschlich weitergebracht. Ich habe die Kultur hier kennengelernt, eine neue Sprache gelernt, die ich mittlerweile fließend beherrsche. Ich habe Menschen kennengelernt, die ganz anders leben, die Mentalität ist hier eben wirklich ganz anders, da kann man sich als Deutscher wirklich vieles abschauen.

Das müssen Sie erklären.

Ganz einfach die Entspanntheit, die Fähigkeit, das Leben auch zu genießen, sich nicht über alles immer den Kopf zu zerbrechen. Dieses Lebensgefühl verleiht viel mehr innere Ruhe, und ich habe versucht, das alles aufzusaugen. Auch für mein Leben war die Zeit in Bergamo bisher ein echter Gewinn, und das zählt noch mehr als alles andere. Denn das bleibt für immer.

Im Sommer waren Sie beim FC Schalke 04 im Gespräch – war ein Abschied aus Bergamo ein echtes Thema?

Es gab sehr konkrete Gespräche, da braucht man keinen Hehl draus machen. Es waren auch viele Sachen bereits geklärt, aber letztlich wollte mich Atalanta für kein Geld der Welt verkaufen, weil sie mit mir als Schlüsselspieler auf Links in die Champions-League-Saison gehen wollten. Und Schalke konnte oder wollte nicht den Betrag zahlen, bei dem Atalanta dann doch schwach geworden wäre.

Dabei ist Schalke ja Ihr Herzensklub…

Während der Gespräche schlugen auch zwei Herzen in meiner Brust. Auf der einen Seite Champions League mit Atalanta, auf der anderen Seite die Chance auf die Bundesliga, und dann auch noch bei Schalke. Das machte alles nur noch schwerer (lacht). Da habe ich die Entscheidung lieber den Vereinsverantwortlichen überlassen, und so kam der Wechsel dann eben nicht zustande.

Wird Schalke einen zweiten Anlauf versuchen?

Das kann ich nicht sagen. Aber natürlich ist die Champions League auch noch mal eine tolle Gelegenheit, mich zu zeigen und ins Schaufenster zu stellen. Auf Schalke wissen sie aktuell ja auch noch nicht genau, wo sie stehen. Wenn es dort bergauf geht, dann ist vielleicht in den nächsten Jahren wieder etwas möglich. Ich glaube schon, dass sie mich weiter beobachten werden.

Sie sind Stammspieler bei einem Serie-A-Klub, spielen Champions League – und auf einer Position, die lange als Problemstelle in der deutschen Nationalmannschaft galt. Gab es Kontakt zum DFB?

Vom DFB gab es noch kein einziges Signal. Aber natürlich ist das mittlerweile auch ein Fernziel von mir geworden, das sage ich ganz offen. Natürlich weiß ich, dass die Position links in der Nationalmannschaft lange eine Problemstelle war und es aktuell ein paar Spieler gibt. Aber gerade mit der großen Saison, die wir gerade angefangen haben, und mit dem neuen System, das Bundestrainer Joachim Löw spielen lässt…

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Sie meinen die 3-5-2-Taktik, die zuletzt auch mal zum Einsatz kam…

Genau. Dieses System mit hohen Außenverteidigern wäre genau auf mich zugeschnitten, da ich das ja auch ständig im Verein spiele. Es ist schon ein ganz konkretes Ziel von mir, mich für die Nationalmannschaft zu empfehlen, und das kann ich nur über Leistung machen. Ich brauche mich vor niemandem verstecken. Aber natürlich würde ich mich auch sehr über ein Signal vom DFB freuen.

2018 sagten Sie noch, Experten und Vereine hätten Sie kaum auf dem Schirm…

Ich würde schon sagen, dass meine "Popularität" (lacht) gestiegen ist und ich bekannter geworden bin. Da hat sich im Vergleich zu unserem letzten Gespräch definitiv etwas getan.

Ändert sich damit auch die Einstellung zum Spiel?

Ich bin einer der Spieler, die eher unbekümmert an alles herangehen, das war auch immer eine meiner größten Stärken. Das will ich mir unbedingt erhalten. Einfach wird das nicht, wenn man mehr in der Öffentlichkeit steht, das muss ich zugeben. Aber ich glaube, dass ich damit relativ entspannt umgehe und mich von Außen nicht beeinflussen lasse.

Aus eigener Erfahrung: Wie wird in Italien denn auf die Bundesliga geschaut?

Die Bundesliga genießt in Italien hohes Ansehen. An Spieltagen wird auch immer noch rüber auf die Ergebnisse in Deutschland geschielt, als eine der Top-Ligen Europas. Auch wenn Italien in den letzten Jahren ja ganz schön aufgeholt hat. Aber auch hier sehen viele junge Spieler, wieviele junge Talente in der Bundesliga Chancen bekommen, und finden sie attraktiv.

Aktuell rüsten Juve, Inter und Co. ja richtig auf – erlebt die Serie A gerade ein Revival?

Ich denke schon. Hier hat sich enorm viel getan. Viele Vereine haben sich von den schweren Zeiten vor wenigen Jahren erholt, das sieht man ja schon an den enormen Transfers, die hier zuletzt getätigt wurden. Und das zeigt doch, dass die Vereine wieder die finanziellen Möglichkeiten haben, aber auch, dass die Liga wieder attraktiv für große Stars geworden ist. Dass sich Cristiano Ronaldo, Franck Ribéry, Romelu Lukaku für die Serie A entscheiden, ist ein großartiges Zeichen.

Leider schafft es die Liga auch immer wieder durch Rassismus-Vorfälle in die Schlagzeilen. Hat die Serie A ein Rassismus-Problem?

Ob man das wirklich so sagen kann, mag ich nicht beurteilen. Ich persönlich hatte das Glück, dass ich so einen Vorfall noch nie miterleben musste. Solche Menschen haben in keinem Stadion der Welt etwas zu suchen. Für Rassismus und Ausgrenzung kann und darf nirgendwo Platz sein. Die Fans kommen ins Stadion, um Fußball zu sehen und ihre Stars anzufeuern, und dann sind zwischen 40.000 Fans eine Handvoll Vollidioten, die alles kaputtmachen und auch dem Ansehen des Sports in der Öffentlichkeit schaden.

Noch einmal zurück nach Bergamo: Wie sieht es bei Atalanta aus? Die letzten Jahre waren ja erfolgreich – ändert sich auch die Stimmung in der Stadt?

Was hier in den letzten Jahren abgegangen ist – einfach Wahnsinn! So erfolgreich war der Verein noch nie, und durch die Champions-League-Quali herrscht hier natürlich Ausnahmezustand (lacht). Wenn du hier durch die Straßen läufst, erkennt dich jeder, du wirst von wildfremden Menschen umarmt, dir wird zugejubelt, die Leute danken dir für das Geschenk "Champions League".

Wie reagiert man da?

Wenn du im Restaurant bezahlen willst, wird dir nur gesagt: "Bist Du verrückt? Ihr habt das Unmögliche möglich gemacht, da kann ich dich hier doch nicht zahlen lassen." Das ist unglaublich.

Eine ganze Stadt auf Wolke sieben…

Ja. Aber natürlich fühlt man sich nicht unbedingt wohl dabei, immer alles anzunehmen, aber die Leute hier bestehen dann darauf, und man hat keine Wahl (lacht). Das muss man dann akzeptieren. Und man muss ja auch sagen: Es könnte schlimmer sein (lacht).

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