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WM 2018: Die Bundesliga trägt eine Mitschuld am Deutschland-Aus


Niveau färbt ab
Die Bundesliga trägt eine Mitschuld am WM-Debakel

MeinungEin Kommentar von Benjamin Zurmühl, Moskau

Aktualisiert am 29.06.2018Lesedauer: 4 Min.
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Die Enttäuschung der WM: Die deutsche Auswahl mit Thomas Müller (l.) und Manuel Neuer.Vergrößern des Bildes
Die Enttäuschung der WM: Die deutsche Auswahl mit Thomas Müller (l.) und Manuel Neuer. (Quelle: DeFodi/imago-images-bilder)

Für das deutsche WM-Aus gibt es viele Gründe. Viele liegen beim DFB. Doch ein Problem existierte schon länger. Die Alarmglocken schrillten bereits monatelang.

Was haben wir uns nicht alle selbst gefeiert. Von der "Liga der Weltmeister" war vor und während der Saison 2014/15 überall zu lesen. Bei der WM 2014 marschierte die deutsche Nationalmannschaft ungeschlagen durch das Turnier und sicherte sich in einem packenden Finale den Titel. Der Ursprung dafür lag nicht nur im Teamgeist und in der Taktik, sondern auch in der individuellen Qualität der Spieler. Denn die Bundesliga war auch einfach eine bessere Liga als sie es heute ist. In den Jahren vor der WM war sie vielleicht die beste Europas.

Vom Vorteil zum Nachteil

Mit Trainern wie Pep Guardiola, Jürgen Klopp, Jupp Heynckes oder Lucien Favre standen in den Jahren 2012 bis 2014 Visionäre an der Seitenlinie, die attraktiven Fußball spielen ließen, Spieler ausbildeten und vor allem weiterentwickelten. Der Zweikampf zwischen Dortmund und Bayern fand auf hohem Niveau statt und tat der Liga gut. International war die Bundesliga 2012/13 auf dem Höhepunkt, als zwei deutsche Mannschaften das Champions-League-Finale bestritten.

Bei der WM in Brasilien wurden die meisten Schlüsselpositionen mit Bundesliga-Spielern besetzt. Sie waren schließlich in Form, fußballerisch gut ausgebildet und hungrig auf den Titel. Vier Jahre später sind die meisten Schlüsselpositionen wieder von Bundesliga-Spielern besetzt gewesen, doch diesmal war genau das ein Problem und kein Vorteil.

Denn die Bundesliga ist an einem absoluten Tiefpunkt. Das fußballerische Niveau war selten so schwach wie in der abgelaufenen Saison. International folgte eine Blamage auf die andere. Nur Leipzig und Bayern konnten das deutsche Fußball-Oberhaus halbwegs gut repräsentieren.

Löws Warnung bleibt ohne Folgen

Bundestrainer Joachim Löw kritisierte die Bundesliga-Teams im März dieses Jahres und begründete das schlechte Abschneiden mit der fehlenden taktischen Qualität: "Ein Kernproblem ist, dass immer gegen den Ball gearbeitet werden will. Der nächste Schritt muss sein, Lösungen zu finden, wenn man den Ball hat." Doch genau dieser Schritt wurde nicht gemacht.

Schalke 04 wurde mit unattraktivem und defensivem Pressingfußball Vizemeister. Bei Borussia Dortmund war die ganze Rückrunde lang kein Konzept zu erkennen. Einzig Hoffenheim, Leverkusen und mit Abstrichen auch Leipzig bemühten sich, schönen Fußball zu spielen. Der Rest setzte lieber darauf, wenig Ballbesitz zu haben und schnell umzuschalten. Fußball zum Einschlafen und Abgewöhnen.

Löw kann keine Spieler aus dem Hut zaubern, die das ganze Jahr über den Fußball spielen, den er bevorzugt. Auf der linken Abwehrseite musste er mit Jonas Hector und Marvin Plattenhardt arbeiten, die eine Saison lang fast nur gegen den Ball gearbeitet hatten. Auch Gladbachs Matthias Ginter konnte im Training kaum Druck auf Boateng und Hummels ausüben. Der Noch-Schalker Leon Goretzka wirkte gegen Südkorea völlig neben sich. Die Dortmunder Mario Götze und André Schürrle schafften es nicht einmal in den erweiterten WM-Kader. Alles Effekte der abgelaufenen Bundesliga-Saison.

Kein Anschluss für den Stecker

Und der FC Bayern? Ohne Konkurrenz in der Liga schaffte es der Rekordmeister nicht, für die Champions League rechtzeitig aufzuwachen. Oder wie es Sportpsychologe Steffen Kirchner im Interview mit t-online.de ausdrückte: "Ihre mentale Muskulatur wurde in der Liga kaum beansprucht. Man sieht, wozu das führt, wenn wirklich wichtige Spiele anstehen."

Nach dem Aus in der Königsklasse wurde den Bayern der "Stecker gezogen", wie es Thomas Müller ausdrückte. Seitdem haben die Spieler auch nicht mehr den Anschluss für diesen Stecker gefunden. Anders sind die "selbstgefälligen" (Zitat Lothar Matthäus) und trostlosen Auftritte der Bayern-Spieler um Hummels, Müller und Boateng bei der WM kaum zu erklären. Von Titelhunger war bei ihnen keine Spur.

Den konnte man neben den jungen Spielern wie Julian Brandt und Timo Werner vielleicht noch Manuel Neuer oder Toni Kroos anmerken. Aber Neuer hat von der Bundesliga in den vergangenen zwölf Monaten wenig miterlebt und konnte es kaum erwarten, wieder auf dem Rasen zu stehen. Und Kroos spielt das ganze Jahr über mit nimmersatten Vorzeigeprofis wie Sergio Ramos und Cristiano Ronaldo zusammen und vor allem: er spielte nicht in der Bundesliga.

Was jetzt passieren muss

Für den Erfolg bei der EM 2020 und der WM 2022 muss nicht nur ein Umbruch im deutschen Kader oder beim DFB her. Es muss auch etwas in der Bundesliga passieren. Die Teams müssen anfangen, umzudenken. Den Schritt zu gehen, den Löw bereits im März als notwendig erachtete.

Es ist wichtig, dass die sportlich großen Klubs in Deutschland vorneweg gehen. Mit der Verpflichtung von Lucien Favre hat der BVB zum Beispiel eine gute Entscheidung getroffen. Auch Domenico Tedesco kündigte an, bei Schalke wieder mehr mit dem Ball zu spielen. Heiko Herrlich in Leverkusen und Julian Nagelsmann in Hoffenheim denken ohnehin offensiv und vielleicht kann Niko Kovac mit seiner Art auch den Bayern wieder die Lust an Titeln eintrichtern.

Wenn wir die Bundesliga bald wieder als "Liga der Welt- oder Europameister" betiteln wollen, dann muss so schnell wie möglich umgedacht werden. Nur so können wir ein erneutes Debakel wie in Russland verhindern.

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