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Vor EM 2020: Wie schlimm ist die Zuschauerkrise des DFB wirklich?


Leere Ränge drohen
Wie schlimm ist die Zuschauerkrise des DFB wirklich?

Von Luis Reiß, Düsseldorf

Aktualisiert am 15.11.2019Lesedauer: 3 Min.
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Ein einsames Bier auf der Tribüne in Frankfurt: Solche Bilder will der DFB beim Länderspiel am Dienstag gegen Nordirland vermeiden.Vergrößern des Bildes
Ein einsames Bier auf der Tribüne in Frankfurt: Solche Bilder will der DFB beim Länderspiel am Dienstag gegen Nordirland vermeiden. (Quelle: Jan Hübner/imago-images-bilder)

Die letzten Länderspiele der Nationalmannschaft im Jahr 2019 werden voraussichtlich bei weitem nicht ausverkauft sein. Die vom DFB genannten Statistiken zeigen jedoch nur die halbe Wahrheit.

Die Zahlen sind alarmierend für die Verantwortlichen des Deutschen Fußball-Bunds (DFB). Bis Mittwoch waren erst 30.000 Tickets für das Spiel gegen Weißrussland in Mönchengladbach und 37.000 Tickets für das Spiel gegen Nordirland in Frankfurt verkauft. Beide Stadien haben ein Fassungsvermögen von über 50.000 Zuschauern.

DFB-Direktor Oliver Bierhoff, Kapitän Manuel Neuer und einige andere Spieler versuchten, das Problem im Wesentlichen mit drei Gründen zu erklären.

  • Erstens: das November-Wetter.
  • Zweitens: die späten Anstoßzeiten um 20.45 Uhr.
  • Drittens: die unattraktiven Gegner Weißrussland und Nordirland.

Ist es wirklich so einfach – oder ist das Image des DFB-Teams noch stärker beschädigt als gedacht? Zwar verwies Bierhoff zurecht darauf, dass die Stadionauslastung bei Länderspielen seit der WM 2018 bei 93 Prozent liege. Das ist außergewöhnlich im Vergleich mit anderen Nationen.

Andere Nationen haben mehr Zuschauer

Doch um auf einen so guten Wert zu kommen, musste das DFB-Team auch unter anderem in den kleinen Arenen von Sinsheim, Wolfsburg und Mainz antreten. Allesamt waren sie ausverkauft. Doch die durchschnittliche Zuschauerzahl ist mit 37.162 in diesem Jahr so niedrig wie noch nie in der Ära Löw. Das relativiert die gute Auslastung – und umgekehrt.

Ein Blick in andere große europäische Fußball-Nationen bringt zwei Erkenntnisse. Erstens: Deren Nationalteams locken teilweise deutlich mehr Zuschauer an als das deutsche – darüber kann auch die hohe Stadionauslastung bei DFB-Spielen nicht hinwegtäuschen. Zweitens: Auch andere Nationen schaffen es nicht, mit den Spielen der EM-Qualifikation regelmäßig ihre Arenen komplett zu füllen.

► Die englische Nationalmannschaft trägt die Mehrheit ihrer Länderspiele im gigantischen Londoner Wembley-Stadion aus. Das führt zu einem starken Zuschauerschnitt von 68.084 – ausverkauft war in diesem Jahr allerdings nur das einzige Spiel, das in einem kleineren Stadion ausgetragen wurde: der 5:3-Sieg gegen Kosovo vor 31.000 Zuschauern in Southampton.

► Der Zuschauerschnitt der französischen Nationalmannschaft in der EM-Qualifikation liegt bei 68.015. Alle fünf Spiele 2019 wurden im großen Stade de France in Paris ausgetragen. Ausverkauft war jedoch keins.

► Die spanische Nationalelf orientiert sich am deutschen Konzept. Je kleiner der Gegner, desto kleiner das Stadion. Die Bandbreite 2019 reicht von Auftritten in der Madrider Fußball-Kathedrale Bernabeu (Fassungsvermögen 81.000 Zuschauer) bis zum kleinen "El Molinon" in Gijon (30.000). Der Schnitt liegt mit 45.200 über dem deutschen. Aber auch hier gilt: kein Heimspiel war ausverkauft, in der Regel blieben zehn bis zwanzig Prozent der Plätze frei. Auch das ist mit der Lage des DFB vergleichbar.

► Besonders düster ist die Situation in Italien. Der Durchschnitt liegt mit 31.843 Zuschauern deutlich unter dem deutschen, selbst kleine Stadien wie die Arena von Udine (25.000) kann die "Squadra Azzurra" gegen weniger namhafte Gegner nur mit Mühe füllen.

Zumindest was Deutschland und Italien betrifft, droht der Wettbewerb im großen Überangebot des Fußballs an Bedeutung zu verlieren. Fans hierzulande entscheiden sich immer häufiger nur noch bei Top-Spielen für einen Stadionbesuch.

Die kleinen Nationen leben vom Duell David gegen Goliath

Ein Duell der deutschen Nationalelf mit Weißrussland oder Nordirland lockt die Fans nicht mehr massenhaft in die Stadien. Sie schauen lieber bequem auf dem Sofa, das beweisen die nach wie vor hohen Einschaltquoten. Doch die Stimmung in den Arenen leidet darunter spürbar. Laut DFB-Kapitän Neuer wird "der Fußballfan mit Spielen befeuert". Mitspieler Leon Goretzka mahnt: "Man muss zusehen, dass der Fußball das bleibt, was er ist: ein Volkssport."

Was also tun? Die Uefa hat mit der Nations League bereits einen zweiten Wettbewerb geschaffen, der mehr Duelle der Top-Nationen untereinander garantiert – und von den Zuschauern deutlich positiver angenommen wird als mancher befürchtet hat. Die kleinen Fußball-Nationen leben umgekehrt aber von den Duellen David gegen Goliath in der EM-Qualifikation, vom Kräftemessen mit den übermächtigen Mannschaften aus Deutschland, England oder Frankreich.


Die entscheidende Frage wird also sein, ob die Fußball-Funktionäre gewillt sind, auch geringere Zuschauerzahlen in der EM-Qualifikation hin und wieder zu akzeptieren. Gegen Gibraltar oder Andorra kann eben nicht jedes Spiel in Wembley- oder Westfalenstadion ausverkauft sein. Wenn nicht, könnte der Qualifikationsmodus vor einer tiefgreifenden Reform stehen – möglicherweise zugunsten der Nations League. Und ohne die Duelle Groß gegen Klein.

"Wir müssen schauen, dass wir 90 Minuten Powerfußball spielen", hat Kapitän Manuel Neuer seine Strategie für mehr Zuschauer formuliert. Denn so viel ist sicher: ganz ohne Höchstleistungen auf dem Platz wird es nicht gehen.

Verwendete Quellen
  • Zuschauerzahlen laut transfermarkt.de
  • eigene Recherche
  • Pressekonferenzen des DFB am 13. und 14. November
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