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Fußballtrainer Daniel Stendel: "Das Ziel ist, dass der Klub den Fans gehört"


Fußballtrainer Daniel Stendel
Deshalb verzichte ich komplett auf mein Gehalt

  • Jannik Meyer
InterviewVon Jannik Meyer

01.04.2020Lesedauer: 5 Min.
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Trainer beim schottischen Erstligisten Heart of Midlothian: Daniel Stendel.Vergrößern des Bildes
Trainer beim schottischen Erstligisten Heart of Midlothian: Daniel Stendel. (Quelle: PA Images/imago-images-bilder)

Daniel Stendel ist Trainer des schottischen Erstligisten Heart of Midlothian. Ab sofort verzichtet er auf sein komplettes Gehalt. Warum er sich dafür entschieden hat, erzählt er im Interview mit t-online.de.

Sieben Jahre trug Daniel Stendel als Fußballprofi das Trikot von Hannover 96. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere startete der gebürtige Brandenburger eine Trainer-Laufbahn und betreute von 2017 bis 2017 auch seinen Ex-Klub aus Niedersachsen. Mittlerweile trainiert er in Schottland den Edinburgher Erstligisten Heart of Midlothian, der hart von der Corona-Krise getroffen wurde. Deswegen hat sich der 45-Jährige für eine außergewöhnliche Maßnahme entschieden: Ab sofort verzichtet Stendel für die kommenden Monate komplett auf sein Gehalt.

Warum er das tut, wieso Geisterspiele in Schottland nicht viel bringen würden und wie er zur 50+1-Regel steht, erzählt Stendel im Interview mit t-online.de.

t-online.de: Herr Stendel, Sie waren einer der ersten Akteure im Profifußball, der seinen Gehaltsverzicht wegen der Corona-Krise verkündet hat. Was hat Sie zu diesem Schritt bewogen?

Daniel Stendel (45): Ich hatte ein langes Gespräch mit unserer Vereinseigentümerin Ann Budge. Bei uns geht es darum, dass wir nach der Krise überhaupt weiter Fußball spielen können. Ich will meinen Teil zum Überleben des Klubs beitragen. Für viele Menschen hier in Edinburgh sind die Hearts ein ganz wichtiger Bestandteil des Lebens. In solchen Situationen sind wir als Spieler und Trainer gefordert. Durch unseren Job im Profifußball sind wir privilegiert. Nun ist es Zeit, etwas zurückzugeben. Obwohl ich erst kurze Zeit im Verein bin, ist er mir sehr ans Herz gewachsen.

Inwieweit müssen Sie sich nun in Ihrem alltäglichen Leben einschränken?

Ab heute werde ich auf mein Gehalt verzichten. Natürlich ist meine persönliche Einschränkung auch davon abhängig, wie lange der Spiel- und Trainingsbetrieb ruhen wird. Momentan mache ich mir mehr Sorgen um die Gesundheit der Menschen, speziell meiner Familie und Freunde. Da liegt aktuell eher der Fokus als beim Geld. Weil wir momentan keinen normalen Alltag haben, kann man nicht viel Geld ausgeben. Das ist der Vorteil an der ganzen Situation (lacht).

Wie sehr trifft die Corona-Krise die schottische Liga?

Das trifft die großen Klubs nicht ganz so hart wie die kleineren. Celtic Glasgow oder die Glasgow Rangers treten international an und haben ganz andere Möglichkeiten, sich zu vermarkten. Den kleinen Klubs wird es aber schwerfallen, die Ausgaben ohne Einnahmen finanzieren zu können. Es geht nicht nur um den Erhalt einzelner Klubs, sondern um den Erhalt der Liga.

Wie geht es in der schottischen Liga weiter?

Das ist eine sehr schwierige Frage, die momentan niemand beantworten kann. Aus meiner Sicht ist es in Schottland schwierig, die Saison unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu beenden. Die TV-Einnahmen sind im Gegensatz zur englischen Premier League oder der 1. und 2. Bundesliga so minimal, dass diese den Fußball in Schottland nicht retten würden. Der schottische Fußball lebt von den Zuschauereinnahmen. Ohne Publikum zu spielen ist schwierig, da die Einnahmen trotzdem nicht höher werden. Andersherum ist es für alle Ligen besser, wenn es ein reguläres Ende gibt.

Sie waren in Hannover als Trainer sehr beliebt. Es gibt sogar einen eigenen Fangesang. Wie erklären Sie sich das?

Ich versuche, als Trainer so nah wie möglich an den Fans und gleichzeitig ich selbst zu sein. Es gibt zwei Gründe, warum wir diesen Sport betreiben: Einerseits lieben wir den Fußball, andererseits machen wir es für Tausende von Zuschauern, die im Stadion und vor den Fernsehern sitzen und diese Emotionen mitleben. Und ich lebe diese Emotionen genauso wie die Fans. Den Leuten das zu vermitteln, was sie lieben – das ist unsere Aufgabe. Trotz aller Beliebtheit braucht man aber im Fußball auch Ergebnisse. Diese zu erzielen, ist uns in meiner bisherigen Amtszeit leider noch nicht so gut gelungen.

Wie steht der schottische Fußball im Vergleich zum deutschen dar?

Was die Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit und die Zuschauerzahlen angeht, bewegt sich die erste schottische Liga im Bereich der zweiten Bundesliga. Das sportliche Niveau liegt aber hinter dem der zweiten deutschen Liga. In erster Linie liegt das daran, dass weniger Geld umgesetzt wird. Und Geld bestimmt heutzutage das Niveau der Spieler und die Qualität der Liga. Wir schauen hauptsächlich nach Spielern, die im Sommer vertragslos sind oder eine geringe Ablöse kosten. Das ist ein ganz großer Unterschied zu England und Deutschland. Unter diesen Voraussetzungen ist es schwierig, sehr gute Spieler für die schottische Liga zu verpflichten.

Also ist der Hauptunterschied zwischen den Ligen die finanzielle Situation.

Genau. Bei der Europa und Champions League sind aus Deutschland und England vier Mannschaften gesetzt. Früher waren auch schottische Klubs wie die Rangers oder Celtic gesetzt, heute müssen sie sich qualifizieren und sind dann am Ende nicht dabei. Das sind Gelder, die der Liga fehlen. Das führt dazu, dass die Attraktivität der Liga im europäischen Vergleich nicht so hoch ist.

Wie verrückt sind die Schotten nach Fußball?

Fußball bedeutet den Menschen in Schottland unglaublich viel. In Edinburgh haben wir dazu noch eine besondere Situation: Mit uns und Hibernian Edinburgh haben wir zwei Erstliga-Vereine. Hier kannst du jeden Taxifahrer fragen, welchen Verein er unterstützt und du bekommst von jedem eine sehr klare Antwort. Und dennoch: Die Menschen sind zwar Fans durch und durch, trotzdem muss kein großes Polizei-Aufgebot kommen, wenn die Teams aufeinandertreffen. Die Schotten sind überwiegend sehr herzliche, leidenschaftliche und gleichzeitig friedliche Menschen.

Inwieweit unterscheidet sich die schottische Fankultur von der deutschen?

Die Unterstützung unserer Fans ist sensationell. Unabhängig vom Erfolg lieben die Menschen ihren Klub. Die Schotten gehen in der breiten Masse auch zum Fußball, wenn es für ihr Team mal nicht so gut läuft. Sieg oder Niederlage sind nicht die alles entscheidenden Dinge für sie.

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Können Sie sich eine Rückkehr in die Bundesliga vorstellen?

Man soll niemals nie sagen. Nachdem ich in Hannover aufgehört habe, konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich meinen nächsten Karriereschritt in England mache. Dennoch weiß ich, dass der Schritt zurück in die Bundesliga aktuell ein sehr weiter ist. Momentan liegt der Fokus darauf, mit den Hearts in der Premiership zu bleiben und dann erfolgreicheren Zeiten entgegenzublicken.

Bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber Hannover 96 ist Martin Kind Präsident. Er plädiert seit Jahren dafür, die 50+1-Regel im deutschen Profi-Fußball aufzuheben. Meinen Sie, eine solche Regelung würde die finanziellen Folgen der Corona-Krise mindern?

Jeder Unternehmer muss aktuell Abstriche machen, unabhängig davon, ob diese Regel existiert oder nicht. Unsere Eigentümerin Ann Budge hat den Verein vor sechs Jahren vor dem Ruin gerettet. Seitdem ist sie auf dem Weg, den Verein den Anhängern zu übergeben. Das Ziel ist, dass der Klub den Fans gehört.

Kann man Budge mit Kind vergleichen?

Der Einstieg mit dem jeweiligen finanziellem Engagement war zwar ähnlich. Ohne Martin Kind und Ann Budge würde es beide Vereine wohl nicht mehr geben. Aber die Herangehensweise unterscheidet sich sehr. Schon in jungen Jahren war Ann mit ihrer Tochter oft im Stadion. Die Beziehung zwischen ihr und dem Klub ist gewachsen. Sie war schon vor ihrem Engagement infiziert mit dem Hearts-Virus und hatte eine enge Beziehung zum Klub. Und sie hatte von Beginn an das Ziel, die Macht wieder den Fans zurück zu geben.

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