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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bayern-Star droht Blitzabschied Das Ende naht

Beim Achtelfinale der Klub-WM spielt der FC Bayern nicht nur gegen Flamengo, sondern auch gegen das drohende Ende der Zeit von Thomas Müller beim Rekordmeister.
Aus Miami berichtet Julian Buhl
Thomas Müller ließ sich seine gute Laune auch von der Gewitterfront nicht verderben, die den FC Bayern am Samstagabend auf dem Kurzflug von Orlando nach Fort Lauderdale aufhielt. Als die Mannschaft mit knapp zwei Stunden Verspätung in den Flieger stieg, grinste der 35-Jährige trotzdem in die Kameras des Vereins-TVs. Klar, dass die jeden seiner Schritte dokumentierten. Es könnten schließlich die letzten gewesen sein, die er im Rahmen einer Pflichtspielreise als Profi des FC Bayern macht.
Denn der Beginn der K.-o.-Runde der Klub-WM mit dem Achtelfinale gegen Benfica am Sonntagabend deutscher Zeit (ab 22 Uhr im Liveticker bei t-online) bedeutet für Müller und seine Profikarriere beim FC Bayern: Schon morgen, also am Tag nach dem Spiel, könnte alles vorbei sein.
Müller wird sich schließlich nach dem Turnier bekanntlich als Spieler von seinem Herzensklub verabschieden, für den er in den vergangenen 25 Jahren und schon als Nachwuchskicker gespielt hat.
Tah über Müller: "Wir spielen auf jeden Fall für ihn"
Von Nervosität oder Wehmut war bei Müller dennoch zumindest nichts zu erkennen. Zumindest ließ er sich nichts anmerken und strahlte demonstrativ Lockerheit aus. Auch auf die Teamkollegen, wie Jonathan Tah bei der Presserunde im Hard Rock Stadium erzählte, nachdem die Bayern in Miami angekommen waren.
Spielt die Mannschaft jetzt auch ein bisschen für Müller und gegen dessen unweigerlich drohendes Ende bei den Bayern? "Absolut", sagte Tah auf t-online-Nachfrage, "Thomas ist nicht nur eine deutsche, eine europäische Fußballlegende. Wir spielen auf jeden Fall auch mit für ihn."
Er habe Müller sogar konkret gefragt, wie sich diese ungewöhnliche Situation jetzt für ihn anfühle, verriet der Abwehrspieler. Müller habe ihm geantwortet, dass er sich im Moment "noch nicht so viel mit dem Danach beschäftigt, sondern er genießt das Hier und Jetzt. Und das sollten wir alle gemeinsam mit ihm tun." Denn, so Tah weiter: "Wenn er dann weg ist, dann werden wir es auf jeden Fall spüren."
Müllers allerletzte Mission mit Bayern
Bis es so weit ist, haben Tah und die Bayern bei der Klub-WM aber noch eine letzte gemeinsame Mission. "Gerade wirkt er sehr gelassen auf mich", sagte Tah weiter zu seinem aktuellen Eindruck von Müller. "Wir werden es dann sehen am letzten Tag, an dem wir dann hoffentlich am Ende das Ding hochhalten und uns dann verabschieden, wie es dann für ihn sein wird." "Das Ding" ist natürlich die Siegertrophäe der Klub-WM. Die wäre für Müller quasi das ideale Abschiedsgeschenk.
Der 35-Jährige selbst äußerte sich an anderer Stelle ebenfalls zu seinem nun möglicherweise allerletzten Spiel für den Rekordmeister. "Das ist mir wurscht", frotzelte er in typischer Müller-Art. Er wisse "ja schon länger", dass es jederzeit vorbei sein könnte mit seiner Zeit bei den Bayern. "Wenn es vorbei ist, ist es vorbei", sagte er nüchtern. Das Spielen mache ihm "trotzdem Spaß, alles zu geben, macht Spaß".
Dieses Bayern-Gesetz wird nach 15 Jahren gebrochen
Auch oder vielleicht sogar gerade in dieser Situation, in der Müller sich mit den Bayern nun befindet. "Diese Win-or-go-home-Spiele sind immer kribbelig", sagte das Klub-Urgestein weiter. "Ein Spiel mit dem Feuer. Aber das macht ja den Reiz aus." Das hat er schon früh von seinem einstigen Förderer Louis van Gaal gelernt. Der sprach in solchen Situationen immer ganz nach einer niederländischen Redensart von "Tod oder Gladiolen".
Achtelfinale
Montag, 30.06.
Mittwoch, 02.07.
Der ehemalige Bayern-Coach hatte Müller als Jugendspieler bei Bayern entdeckt und der starken Konkurrenz in München zum Trotz damals ein ungeschriebenes Gesetz eingeführt und gesagt: "Müller spielt immer." Und das wurde von seinen Nachfolgern anschließend knapp 15 Jahre lang auch eingehalten – zumindest größtenteils und abgesehen von der kurzen Amtszeit von Niko Kovač sowie nun eben Vincent Kompany. Der aktuelle Bayern-Chefcoach hatte für Müller schon in der vergangenen Saison alters- und formbedingt nur noch als Teilzeitkraft in seinem Kader Verwendung.
Aus rein sportlicher Sicht war der beschlossene Abschied von Müller deshalb nur folgerichtig. Auch bei der 0:1-Niederlage der Bayern im abschließenden Gruppenspiel gegen Benfica Lissabon konnte Müller Harry Kane im Sturmzentrum nicht mehr ansatzweise gleichwertig ersetzen.
"Vielleicht höre ich aber tatsächlich auch auf"
Müller setzt vor dem Duell mit Flamengo am Sonntag (22 Uhr) trotzdem weiter voll darauf, dass seine Karriere bei Bayern noch einmal in die Verlängerung gehen wird. "Wir sind eine sehr homogene und gut funktionierende Mannschaft. Wir sind voll in der Spur." Deshalb sei er auch "überzeugt, dass wir noch einige Zeit hier sind".
Für Müller könnte das in Bezug auf die USA ohnehin gelten – möglicherweise sogar auf Miami. Denn selbst einen Wechsel zu Inter Miami um Superstar Lionel Messi schloss Müller im Interview mit DAZN nämlich nicht aus. "Also grundsätzlich würde ich mich nicht wehren, mit Messi zu spielen, aber ich hab jetzt zu Miami keinen direkten Kontakt", sagte er. Ein Wechsel in die amerikanische Major League Soccer (MLS) scheint aber generell weiterhin die realistischste Option für Müller zu sein, seine Karriere fortzuführen.
Möglich ist aber auch, dass er seine Laufbahn beenden wird. "Grundsätzlich würde ich aufgrund meiner jetzigen körperlichen Verfassung schon gerne weiterspielen", so Müller, "vielleicht höre ich aber tatsächlich auch auf. Alles ist noch möglich, und ich mache mir da keinen Stress." Der Ausgang des Spiels gegen Flamengo könnte die Gegebenheiten allerdings schlagartig ändern.
Bei Leroy Sané ist das indes längst der Fall. Bei ihm steht unabhängig vom Ausscheiden oder Weiterkommen bereits jetzt fest, dass er den FC Bayern nach dem Achtelfinale der Klub-WM verlassen und zu Galatasaray Istanbul wechseln wird. Sein Vertrag beim Rekordmeister gilt nämlich nur noch bis zum 30. Juni. Das mögliche Viertelfinale der Münchner würde am 5. Juli in Atlanta stattfinden – und zwar definitiv ohne Sané. Müller, dessen drohender Abschied den bereits feststehenden von Sané in den Hintergrund drängt, hat diesen Termin dagegen weiter ganz fest im Blick.
- Mixed-Zone-Gespräch mit Jonathan Tah
- DAZN-Interview mit Thomas Müller