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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Transferwahnsinn bei der Klub-WM Diese Absurdität wird jetzt Realität

Die Klub-WM stellt den Transfermarkt mit immer neuen Absurditäten auf den Kopf. Leroy Sanés Abschied vom FC Bayern ist dafür ein Sinnbild.
Von der Klub-WM in den USA berichtet Julian Buhl
Es war ein Abschied in Badelatschen und mit Symbolkraft: Alle hatten nach dem 4:2-Sieg des FC Bayern gegen Flamengo bereits gesprochen, Leon Goretzka, Manuel Neuer und auch Sportvorstand Max Eberl waren zu den Reportern im Bauch des Hard Rock Stadiums in Miami gekommen, um über den Viertelfinaleinzug bei der Klub-WM zu reden. Ganz am Ende trat dann noch einer in die Interviewzone, dem es um etwas Persönliches ging: Leroy Sané, der soeben als Einwechselspieler seine letzte Partie für die Bayern gespielt hatte.
Der 29-Jährige wollte es sich nicht nehmen lassen, seinen Abschied vom Rekordmeister zu Galatasaray Istanbul noch einmal zu erklären. In rot-weiß gestreiften Bayern-Badelatschen, auf denen handschriftlich darauf gekritzelt seine Rückennummer 10 zu lesen war, stellte er sich vor das aufgebaute Mikrofon aufs Podium. Der Nationalspieler wählte emotionale Worte: Er werde seine Mannschaftskollegen vermissen, sagte Sané, der vor fünf Jahren für knapp 50 Millionen Euro als großer Hoffnungsträger nach München gewechselt war. (mehr dazu lesen Sie hier).
Sané als Sinnbild für den Transferwahnsinn bei der Klub-WM
Sanés Abschied am Sonntagabend wurde so zum Sinnbild für ein größeres Problem: Die Klub-WM bringt den Transfermarkt komplett durcheinander und stellt die Vereine vor bislang unbekannte, kuriose Herausforderungen.
Achtelfinale
Montag, 30.06.
Mittwoch, 02.07.
Im Fall von Sané sehen diese folgendermaßen aus: Sein Vertrag bei den Bayern lief noch bis zum 30. Juni. Also stand er den Münchnern bis dahin und einschließlich des Achtelfinales auch noch bei der Klub-WM zur Verfügung. Ab 1. Juli hat er nun ein Arbeitspapier bei Galatasaray unterschrieben. Also verabschiedete er sich am Montag im Bayern-Camp in Orlando von seinen alten Teamkollegen. Die müssen nun das Viertelfinale am 5. Juli gegen Paris Saint-Germain ohne ihn bestreiten.
Als Sané deshalb in der Arena in Miami gefragt wurde, ob er denn auch noch eine Siegermedaille erhalten werde, sofern Bayern jetzt ohne ihn die Klub-WM gewinnen würde, musste er laut lachen. "Es ist mit dem Turnier ein bisschen speziell, dass man es nicht mehr zu Ende spielen kann", sagte er dann. Er habe es aber sehr genossen, noch mal mit den "Jungs auf dem Platz stehen zu dürfen". Sie seien eine "spezielle Truppe, eine Einheit".
Die Fifa hat eine ungeklärte Grauzone geschaffen
Schon zu Beginn des Turniers hatte die Klub-WM die Transfers der Vereine durcheinander gewirbelt. Um bereits die Vorrunde sowie das Achtelfinale des Turniers im Juni mit Neuzugang Jonathan Tah bestreiten zu können, mussten etwa die Bayern 800.000 Euro an dessen Ex-Klub Leverkusen überweisen. Und das, obwohl Tahs ablösefreier Wechsel nach München bereits zum 1. Juli beschlossen war. Bis 30. Juni stand er aber noch in Leverkusen unter Vertrag. Je nach Abschneiden der Bayern bei der Klub-WM könnte sich die Ablösesumme durch vereinbarte Bonuszahlungen sogar noch auf knapp zwei Millionen Euro erhöhen.
In einem ähnlichen Fall überwies Real Madrid sogar zehn Millionen Euro an den FC Liverpool, um Neuzugang Trent Alexander-Arnold beim gesamten Turnier dabeizuhaben.
Die Fifa war sich durchaus bewusst, dass sie mit der Klub-WM die Spielräume für Transfers und neue Verträge verengt. Um den Vereinen dabei zumindest etwas mehr Handlungsspielraum zu geben, hat sie ein zusätzliches Transferfenster eingeführt, das es vom 1. bis 10. Juni ermöglichte, neue Spieler zu verpflichten sowie für die Klub-WM zu registrieren.
Für den Fall, dass Spieler wie Sané, deren Verträge zum 30. Juni auslaufen und einen teilnehmenden Verein während des Turniers verlassen, können zudem vom 27. Juni bis 3. Juli noch bis zu zwei neue Spieler nachnominiert werden.
Chukwuemeka darf nur dank Sondererlaubnis bleiben
Zum Monatswechsel spitzt sich dadurch aber die ohnehin bereits komplizierte Situation für alle Beteiligten weiter zu. Dortmund hätte den seit Beginn des Jahres und eigentlich nur bis zum 30. Juni vom FC Chelsea ausgeliehenen Carney Chukwuemeka eigentlich am Dienstagabend im Achtelfinale in Atlanta gegen Monterrey nicht mehr einsetzen dürfen.
Deshalb musste BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl kurzfristig mit dem Londoner Klub nachverhandeln. Das Ergebnis verkündete er folgendermaßen: "Wir haben am Ende eine generelle Übereinkunft, dass Carney weiter bei uns bleibt, solange dieses Turnier für Borussia Dortmund gehen wird." (Mehr dazu lesen Sie hier)
Möglich ist das nur deshalb, weil die "Blues" dem zustimmten. Und das, obwohl es theoretisch in einem möglichen Finale noch zu einem direkten Duell mit Dortmund und Chukwuemeka kommen könnte.
Diese Absurdität wird jetzt Realität
In einem anderen Fall wird genau diese nur theoretische Absurdität bereits Realität. Chelsea wird im Achtelfinale nämlich auf Palmeiras mit Estêvão Willian und damit auf einen zukünftigen Spieler der Londoner treffen. Der Wechsel des 18 Jahre alten Brasilianers steht längst fest. Der Deal wurde für eine fixe Ablöse von 34 Millionen Euro beschlossen, die mit Bonuszahlungen noch auf bis zu 67 Millionen Euro steigen könnte.
Auch hier sieht die Vereinbarung mit Palmeiras aber vor, dass der Spieler erst dann zu Chelsea wechseln wird, sobald Palmeiras aus dem Turnier ausgeschieden ist. Das könnte am Samstag zwar der Fall sein. Genauso aber auch, dass ausgerechnet Estêvão seinen zukünftigen Arbeitgeber aus dem Wettbewerb schießt.
Nicht zuletzt dadurch bietet das Achtelfinalduell schon jetzt reichlich Brisanz und Gesprächsstoff. Der Fifa und den Kuriositäten, die sie mit der Klub-WM in die Welt gesetzt hat, sei Dank.
- Reporter vor Ort in den USA
- Mixed-Zone-Gespräch mit Leroy Sané am 29. Juni im Hard Rock Stadium in Miami
- t-online.de: "FC Bayern | Nationalspieler verabschiedet sich emotional bei Klub-WM"
- t-online.de: "BVB: Chukwuemeka bleibt bis zum Ende der Klub-WM in Dortmund"