Führich beim DFB: Das hätte vor einem Jahr niemand für möglich gehalten

Am Samstag könnte Chris Führich sein Länderspieldebüt feiern. Der Stuttgarter befindet sich in herausragender Form – und will diese beim DFB bestätigen.

Auch im Jahr 2023, so soll man meinen, ist es ein großes Privileg für die Nationalmannschaft aufzulaufen. Zuletzt machte sich jedoch der Eindruck breit, dass manch einer nicht mehr mit der allergrößten Leidenschaft und Inbrunst das Trikot mit dem Adler auf der Brust trägt.

Verfestigt hatte sich dieser Eindruck nicht nur aufgrund der zuletzt sehr mauen Leistungen unter Ex-Bundestrainer Hansi Flick, sondern auch durch die von Prime Video veröffentlichte Dokumentation "All or Nothing – die Nationalmannschaft in Katar", die sowohl einen überforderten Trainer als auch eine unemotionale Mannschaft zeigte.

Im September folgte der Cut. Hansi Flick ist Geschichte, Julian Nagelsmann ist der neue Mann, der das DFB-Team zu einer erfolgreichen EM führen soll. Auf der Mission dorthin nominierte der erst 36-Jährige nicht nur Rückkehrer Mats Hummels, sondern auch drei Neulinge.

Führich und der VfB: Vor einem Jahr am Tiefpunkt

Neben Kevin Behrens von Union Berlin und Robert Andrich von Bayer Leverkusen darf sich nun auch Chris Führich vom VfB Stuttgart Nationalspieler nennen. Nagelsmann mutmaßte wohl nicht zu Unrecht, dass Führich mit "leuchtenden Augen" sein Länderspieldebüt feiern und jenes Feuer mitbringen könnte, das dem ein oder anderen gestandenen Spieler in den vergangenen Monaten möglicherweise abhandengekommen ist. Dass der 25-Jährige vergangenen Freitag eine Nominierung des Bundestrainers erhielt, hätte vor gut einem Jahr niemand für möglich gehalten.

Vergangene Saison stand Führich bei zwei Treffern und null Vorlagen in sieben Spielen. Seine Mannschaft belegte den Relegationsplatz und hatte bei fünf Remis und zwei Niederlagen nicht einen einzigen Sieg eingefahren. Generell spielte der VfB eine Saison zum Vergessen. Nach einer 0:3-Pleite bei Union Berlin bildete der VfB am 26. Spieltag das Schlusslicht der Liga. Erst die Verpflichtung von Sebastian Hoeneß als neuen Trainer brachte die Wende.

Unter jenem Hoeneß ist der VfB aktuell – neben Tabellenführer Bayer Leverkusen – die Mannschaft der Stunde. Einen großen Anteil daran hat auch Neu-Nationalspieler Chris Führich. Der offensive Flügelspieler steht zwar wie im Vorjahr "nur" bei zwei Treffern, bereitete jedoch fünf weitere vor. Führich spielt sich zurzeit in einen Rausch, trifft im letzten Drittel zumeist die richtigen Entscheidungen. Eine Fähigkeit, die ihm in der vergangenen Spielzeit noch abgegangen war.

Die aktuelle Formstärke ist auch dem Bundestrainer nicht verborgen geblieben. Führich habe "gerade ein sehr gutes Momentum". Als Nagelsmanns Anruf ihn erreichte, war Führich "natürlich total überrascht", aber auch "sofort hellwach". Hellwach präsentierte er sich auch in den USA beim Training. Mit seinen schnellen Wendungen und Dribblings fiel Führich positiv auf, erhielt Lob der neuen Kollegen. "Er ist ein exzellenter Eins-gegen-eins-Spieler", hatte Nagelsmann zu Führichs Qualitäten bemerkt. Seine Einsatzchancen sind auf Anhieb gut.

Für den Rechtsfuß war die erstmalige Berufung in die Nationalmannschaft eine große Ehre. "Das war schon der absolute Wahnsinn", sagte der 25-Jährige nach dem 3:1 (0:1)-Erfolg der Schwaben in der Liga gegen Wolfsburg über den Anruf des Bundestrainers. "Ich konnte es in dem Moment gar nicht fassen und bin unfassbar stolz und unfassbar dankbar."

Aus Sicht von VfB-Sportdirektor Fabian Wohlgemuth ist die Nominierung von Führich für die Spiele der DFB-Elf gegen die USA und Mexiko der Verdienst seiner täglichen Arbeit. "Er ist ein Vollprofi, hat in der Sommerpause auf einen Großteil seines Urlaubs verzichtet und mit einem Individualtrainer gearbeitet. Er ist stabiler geworden – auch in den Zweikämpfen. Von daher ist das aufgrund der letzten Wochen absolut folgerichtig", so Wohlgemuth.

Vegane Ernäherung beim Neuling

Führich, der in der Jugend für den VfL Bochum, Borussia Dortmund und den FC Schalke 04 spielte, darf damit getrost als einer der besten Bundesligaspieler bezeichnet werden. Gleichzeitig schaffte er mit seinem Klub Historisches. Denn zum ersten Mal in der Geschichte gewann der VfB fünf Spiele nacheinander mit mindestens zwei Treffern Differenz.

Es läuft bei Führich, der auch in den USA seinem Speiseplan treu bleiben kann. Führich ernährt sich seit mehreren Jahren vegan und kann dies auch in den von vielen Fast-Food-Ketten geprägten Staaten beibehalten. "Es ist super einfach. Sie sind super aufgestellt hier. Der Koch hat alles da. Deswegen gibt es keine Probleme. Viele Gerichte sind sowieso schon vegan gewesen, deswegen ist da kein Absprachebedarf gewesen", sagte der 25-Jährige über seine Ernährung ohne tierische Produkte.

Gegen die USA will er nun erstmals seine Akzente im DFB-Dress setzen und seine Stärke im Eins-gegen-eins ausspielen. "Das ist meine Qualität und die versuche ich hier auf den Platz zu bringen", sagte Führich vor seinem möglichen ersten Länderspiel gegen die USA am Samstag (21.00 Uhr, im Liveticker bei t-online). Sich in der DFB-Auswahl zu zeigen, sei bei all den Stars allerdings "nicht so einfach", bekannte er: "Das Level hier ist ein ganz anderes."

Führich schaue "jedes Länderspiel", sagte der bekennende Christ, der ein Kreuz-Tattoo trägt und täglich betet. An eine mögliche Teilnahme bei der Heim-EM denkt Führich derweil noch nicht. "Ich bin voll und ganz hier gerade und will die Zeit genießen." Vielleicht tut er das dann auch bald bei der Heim-EM.