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Schach-Begriffe erklärt: "Dann sagt der Schiri: Stopp, so geht es nicht"


Vergleich zum Kampfsport
"Dann sagt der Schiedsrichter: Stopp, so geht es nicht"


31.12.2023Lesedauer: 4 Min.
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Nachdenklich: Ding Liren bei der Schach-WM 2023. Der Chinese schlug den Russen Jan Nepomnjaschtschi und wurde als erster Vertreter seines Landes Weltmeister.Vergrößern des Bildes
Nachdenklich: Ding Liren bei der Schach-WM 2023. Der Chinese schlug den Russen Jan Nepomnjaschtschi und wurde als erster Vertreter seines Landes Weltmeister. (Quelle: IMAGO/Sergei Fadeichev/imago-images-bilder)

Schach ist für viele ein Mysterium, dabei sind viele Begriffe aus dem Sport auch darüber hinaus bekannt. Ein Experte erklärt die wichtigsten Vokabeln – und überrascht mit den Hintergründen.

"Schachmatt" kommt Ihnen bekannt vor? "Bauernopfer" haben Sie schon mal gehört? Ob beruflicher und/oder privater Brillanz ist Ihr Spitzname "Großmeister"? Dann sind Sie wissentlich oder unwissentlich bereits peripher mit wichtigen Begriffen aus dem Schach bekannt. Aber wissen Sie auch, was diese wirklich bedeuten?

t-online hat dazu einen Experten zurate gezogen: Schachgroßmeister Stefan Kindermann. Der 64-Jährige weiß, worum es geht: Der Geschäftsführer der 2005 von ihm mitbegründeten Münchner Schachakademie fördert mit der Schachstiftung München sozial benachteiligte Menschen, arbeitet zudem als Keynote-Speaker und Coach.

Gemeinsam mit Professor Robert von Weizsäcker hat Kindermann den "Königsplan" entwickelt, ein Strategiemodell, das auf den Erfolgsstrategien von Schachgroßmeistern basiert und diese Erkenntnisse auf das Berufsleben überträgt. Zum Thema haben er und seine Kollegin, Schachmeisterin und Mentaltrainerin Veronika Exler im Sommer ein Buch veröffentlicht, das sich an den Nachwuchs richtet: "Schachstrategien für Schule und Leben: Der Königsplan für Kinder".

Hier erklärt der 64-Jährige in Teil 2, warum es im Schach schon vor 600 Jahren eine Emanzipation gab, welchen Fehler Neueinsteiger besonders oft machen – und wie man den Gegner in den "Schwitzkasten" nimmt.

Patt:

Das Unentschieden im Schach. Am einfachsten sei diese Spielsituation vom "Matt" unterscheidbar, erklärt Kindermann. "Hier hat auch die schwächere Seite keinen legalen Zug mehr zur Verfügung. Der König ist zwar nicht angegriffen, aber er kann auch nicht 'Selbstmord' begehen, das heißt, er darf sich nicht selbst in den Angriff stellen." Allerdings: "Der König ist noch nicht attackiert, sonst hätten wir Schachmatt." Kindermann veranschaulicht die Situation: "Sie haben in einem Kampfsport-Wettkampf Ihren Gegner im Schwitzkasten, würgen ihn aber derart, dass er sich gar nicht mehr bewegen kann. Da kommt dann der Schiedsrichter und sagt: Stopp, so geht es nicht."

Das Patt sei für die stärkere Seite ein Rückschlag, für den eigentlich unterlegenen Gegner aber "eine wundersame Rettung". Ein Beispiel: "Man hat bereits zwei Figuren verloren, opfert dann aber noch eine dritte, erzeugt damit eine Pattsituation und bekommt noch einen halben Punkt gutgeschrieben."

Gambit:

"Konkret opfert man hier bereits in der Anfangsphase des Spiels einen oder mehrere Bauern, um einen bestimmten Gegenwert, meist einen Entwicklungsvorsprung, zu erhalten." Kindermann erklärt weiter: "Besonders Anfänger machen ganz oft den Fehler, nur mit einer Figur zu ziehen. Das muss man sich dann so vorstellen, als stünde eine komplett besetzte Fußballmannschaft einem einzigen Spieler gegenüber."

Populär wurde der Begriff zuletzt durch die TV-Serie "Das Damengambit". Diese spezielle Variante entsteht in der frühen Eröffnungsphase. "Hier bietet die weiße Seite im zweiten Zug ein Bauernopfer an, mit dem Ziel, ein starkes Zentrum zu bekommen, das im Schach ja besonders wichtig ist. Weiß eröffnet mit einem Doppelschritt des Damen-Bauern, Schwarz tut es gleich und hat dann schon beim zweiten Zug die Möglichkeit, den gegnerischen Läufer-Bauern zu schlagen. Wenn er das tut, bekommt Weiß dann Freiheit im Zentrum, ein strategisch bedeutendes Übergewicht."

Kombination:

Abgeleitet von lateinisch "combinare" – "verknüpfen". "Und genau das sehen wir im Schach, wo verschiedene Ideen, verschiedene Grundmotive miteinander verknüpft werden, um einen Vorteil zu erzielen", erläutert Kindermann.

"Im Schach ist eine Kombination oft mit einer taktischen Wendung wie einem Opfer verbunden. Beispielsweise opfert man eine Figur, gewinnt am Ende aber die Dame des Gegners." Der Experte betont: Den Kombinationen seien förmlich keine Grenzen gesetzt. "Es gibt unvorstellbar viele, denn es gibt auch eine riesige Zahl von Grundmotiven, mit denen gute Schachspieler arbeiten – etwa 50.000 bis 100.000." Diese könnten dann wie in einem Kaleidoskop immer wieder neu zusammengesetzt werden.

Verwandlung des Bauern:

"Diese Verwandlung ist das vielleicht erste große Emanzipationssymbol", meint Kindermann. Denn: "Auch in Märchenerzählungen verwandeln sich einfache Soldaten oder Bauernburschen in Prinzen oder Könige." Jedoch: "Eine Geschlechtsumwandlung wie im Schach findet dort nicht statt. Das ist einzigartig." Das Prinzip: "Wenn der Bauer die unterste Reihe des Gegners erreicht, dann verwandelt er sich in eine andere Figur. Dabei kann sich der Spieler jede andere Figur aussuchen – mit Ausnahme des Königs. Meist wird dann die Dame genommen, weil es die stärkste Figur ist."

Der Hintergrund: Im alten indischen Heer gab es keine Frauen. Die Figur, die heute als "Dame" bekannt ist, stand ursprünglich für den Berater des Königs und hieß auf Indisch "Mantrin" – oder dann im Persischen "Wazir", also "Minister". "Das war aber eine ganz schwache Figur, die gerade einmal ein Feld schräg ziehen konnte." Auch dieser Umstand habe seine Ursprünge in der indischen Gesellschaftsordnung: "Der Berater des Königs gehörte fast immer der Priesterkaste, den Brahmanen, an. Diesen war aus religiösen Gründen das Kämpfen und Töten untersagt", erläutert Kindermann. "Das heißt also, sie konnten sich zwar schützend vor den König werfen, mehr aber nicht."

Die Umwandlung habe nach der immer weiter fortschreitenden Verbreitung des Spiels über Persien und den Orient bis nach Spanien um 1490 in der Zeit der Renaissance in Europa stattgefunden: "Aus der schwächsten Figur wurde plötzlich die stärkste, die auf einmal doppelt so stark war wie die bis dahin mächtigste Figur, der Turm."

Warum aber die "Geschlechtsumwandlung"? Zur damaligen Zeit – im 15. Jahrhundert – gab es gleich mehrere starke Frauen in tragenden politischen Rollen: Jeanne d'Arc (ca. 1412-1431), die französische Nationalheldin, die Frankreichs Heer in die Schlacht gegen England führte – und Spaniens Königin Isabella von Kastilien (1451-1504), der damals wohl mächtigste Mensch der Welt. Und Schach wurde in gewisser Weise zu einem frühen Vorreiter der Emanzipation im Sport.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Stefan Kindermann
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