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Vierschanzentournee | Neujahrsspringen: Dieser Türke ist der heimliche Star


Seine Videos schauen 15 Millionen
Der "Türkische Flieger" mischt die Tournee auf

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Von Alexander Kohne, Garmisch-Partenkirchen

Aktualisiert am 01.01.2022Lesedauer: 4 Min.
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Fatih Arda İpcioğlu: Der 24-jährige Lehramtsstudent holte als erster türkischer Skispringer Weltcuppunkte.Vergrößern des Bildes
Fatih Arda İpcioğlu: Der 24-jährige Lehramtsstudent holte als erster türkischer Skispringer Weltcuppunkte. (Quelle: Geisser/imago-images-bilder)

Ein guter Skispringer aus der Türkei? Fatih Arda İpcioğlu hat zum Tourneestart viele Fans überrascht, als er sensationell Weltcuppunkte sammelte. In seiner Heimat hat er einen Hype ausgelöst. Doch das soll erst der Anfang sein.

Fatih Arda İpcioğlu strahlt dieser Tage die Leichtigkeit des Seins aus. Der 24-järhigen Skispringer scheint auf Wolke sieben zu schweben, nachdem er zum Auftakt der Vierschanzentournee in Oberstdorf als erster Türke überhaupt den Finaldurchgang erreichte und als 29. überraschend zwei Weltcuppunkte sammelte.

"Ich bin wirklich glücklich, Geschichte geschrieben zu haben", sagt İpcioğlu t-online am Rande der Qualifikation zum zweiten Tournee-Springen in Garmisch-Partenkirchen.

Das breite Grinsen dabei ist dem "Türkische Flieger", wie er in seiner Heimat genannt wird, auch unter der großen weißen Maske und dem schwarzen Helm mit einem goldenen türkischen Halbmond anzusehen. Auf der Olympiaschanze schaffte er am Freitag mit 123,5 Metern als 55. die Qualifikation für das traditionelle Neujahrsspringen (Samstag, ab 14 Uhr im Liveticker von t-online) zwar ganz knapp nicht. Doch das tut dem Hype um ihn keinen Abbruch.

Im Vergleich zu den Topstars aus Deutschland oder Österreich hört sich ein Rang 29 zum Auftakt zwar nicht übermäßig berichtenswert an. Allerdings hat İpcioğlu auch ganz andere Voraussetzungen. Er stammt aus dem türkischen Wintersportzentrum Erzurum in Ostanatolien, das auf rund 1.500 Metern liegt. Dort gibt es einen Wintersportstützpunkt mit Sprungschanzen und Eishockeyhallen. Mit deutschen Standards ist İpcioğlus Training in Erzurum allerdings nicht unbedingt vergleichbar.

Das besondere Trainingskonzept

Die Schanze dort ist nicht präpariert. Deshalb kommt er nur auf rund 460 Sprünge im ganzen Jahr. So viele absolvieren die Springer aus Deutschland, Osterreich oder Polen allein im Sommer. Seitdem Frank Nejc neuer Trainer der türkischen Mannschaft ist, hat sich einiges getan. "Wir trainieren im Schnitt 40 bis 50 Tage in Slowenien, dann geht's für die Jungs in die Heimat zurück. Dort können sie dann nur Athletiktraining machen“, sagte Nejc, der zuvor neun Jahre Co-Trainer der Slowenen war, der Zeitung "Die Welt".

Und dieses Konzept geht offenbar besonders bei İpcioğlu auf. Das scheint auch in der Heimat nicht verbogen zu bleiben – vor allem nach seinem historischen Ergebnis in Oberstdorf. Wie viele Interviews er in den vergangen drei Tagen gegeben hat, zählt der Lehramtsstudent gar nicht mehr. Er sagt nur mit einem Lächeln: "Es waren wirklich sehr viele."

Medienhype in der Türkei

Und diese Aufmerksamkeit genießt İpcioğlu sichtlich. "Der Medienhype ist toll. Denn in den letzten Jahren hat kaum wer mitbekommen, dass wir Türken überhaupt skispringen", erklärt er gegenüber t-online. "Die Aufmerksamkeit jetzt macht mich glücklich und motiviert mich zusätzlich – auch weil wir die türkische Kultur und den türkischen Wintersport erklären können." Als stressig empfinde er das während der eigentlich anstrengendsten Tage des Skispringer-Jahres überhaupt nicht.

Und das verwundert kaum. Denn obwohl İpcioğlu der bekannteste Wintersportler seines Landes ist und bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang sogar Fahnenträger war, fristet Skispringen in der Türkei ein Nischendasein. "Wir haben keine Skisprungkultur wie beispielsweise Deutschland oder Polen" , gibt er offen zu. Sponsoren stehen nicht gerade Schlange. Und während die Spitzennationen nur für die Vierschanzentournee vier Sprunganzüge haben, muss Student İpcioğlu, der aktuell seine Master-Arbeit schreibt, mit seinem durch die gesamte Saison kommen.

Doch daran könnte sich bald etwas ändern "Ich weiß nicht genau, wie viele Menschen in der Türkei Skispringen im TV verfolgen, aber meinen Sprung am Dienstag in Oberstdorf haben auf meinem Twitter-Profil knapp 500.000 Menschen gesehen", erklärt İpcioğlu.

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Doch damit nicht genug. Einen Trainingssprung aus dem September haben über das Instagram-Profil des 24-Jährigen sogar 15 Millionen verfolgt. "Das zeigt: Die Leute in der Türkei sind an Skispringen interessiert."

Dabei wollte seine Mutter eigentlich gar nicht, dass İpcioğlu mit dem Skispringen beginnt, als der als Kind begeisterte Skifahrer diesen Sport mit 13 Jahren für sich entdeckte.

"Meine Mutter sagte: 'Geh da nicht hin, das kannst du nicht machen, das ist viel zu gefährlich.'" Damit sollte sie nicht unrecht haben, denn vor sieben Jahren brach sich ihr Sohn im Training beide Beine.

Im Training beide Beine gebrochen

Heute scheint İpcioğlu diesen Horror-Verletzungen keine größere Bedeutung mehr beizumessen. "Es ist doch so: Steht man auf und macht weiter, ist alles möglich. Bleibt man liegen, ist es vorbei. Ich bin aufgestanden."

Diese Attitüde könnte ihn im Weltcup noch weiter nach oben führen – zumindest nach Einschätzung seines Trainers: "Alles ist möglich. Wir haben noch viel Arbeit vor uns, aber er bringt physisch alle Voraussetzungen mit", so Nejc.

Und auch İpcioğlu selbst hat seine Ansprüche. Im Hinblick auf eine Top-10-Platzierung sagt er: "Ich traue mir schon zu, alle zu überraschen." Wenn es nach seiner Mutter geht, soll damit noch lange nicht Schluss sein. Die träumt nun nämlich schon davon, dass er aufs Podest springt. Dass sie sich einmal so etwas wünscht, hätte sie sich vor elf Jahren sicher nicht vorstellen können.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Fatih Arda İpcioğlu in Garmisch-Partenkirchen
  • Eigene Beobachtung
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