Markus Lanz rechnet mit Jan Böhmermann ab: "eine Form von Feigheit"

Im Podcast "Lanz & Precht" ging es eigentlich um den Fall Aiwanger. Doch dann setzt Markus Lanz zur Abrechnung mit einem ZDF-Kollegen an.

In der Causa Aiwanger sind sich Markus Lanz und Richard David Precht weitgehend einig: Die Art, wie der bayrische Wirtschaftsminister in der Flugblatt-Affäre agiere, lasse Rückgrat vermissen (mehr dazu hier). Doch auch die Gesellschaft mache einen Fehler, wenn sie nichts mehr verzeihe.

"Wir können nicht die Nazi-Grenze einen Zentimeter rechts von der Mitte anfangen lassen", sagt Precht im gemeinsamen Podcast "Lanz & Precht" – und bringt einen ZDF-Kollegen von Lanz ins Spiel. "Für Jan Böhmermann ist jeder, der rechts von der SPD steht, unter Nazi-Verdacht." So nehme man dem Begriff die Schärfe und könne letztlich normale Konservative nicht mehr von echten Nazis unterscheiden.

Lanz über Böhmermann: "Wie kann man so was sagen?"

Dem pflichtet Lanz bei und hat auch gleich ein Beispiel parat. Richtig übel aufgestoßen sei ihm das zuletzt, als Böhmermann von CDU-Chef Friedrich Merz als "Nazis mit Substanz" gesprochen habe. "Wie kann man so was sagen?", entrüstet er sich, um dann an eine Begegnung mit dem Satiriker während der Corona-Pandemie zu erinnern.

Auf einer Podiumsdiskussion der Wochenzeitung "Die Zeit" hatte Böhmermann Lanz "false balance" vorgeworfen, also eine Verzerrung der Wirklichkeit, indem etwa Minderheitsmeinungen aus der Wissenschaft unverhältnismäßig viel Raum gegeben werde. In seiner Talksendung hatte Lanz damals den Virologen Hendrik Streeck zu Gast, der wegen seiner Positionen umstritten war.

"Eine Form von Feigheit"

Böhmermann habe geraunt, "ich sei ja dann auch dafür verantwortlich, dass da Menschen sterben", erinnert sich Lanz, der jetzt richtig in Fahrt ist. Er sei grundsätzlich immer für einen Streit zu haben, aber was ihn an Böhmermann störe, sei der Mechanismus, der bei ihm einsetze, sobald er argumentativ in die Enge gerate.

"Das ist etwas, das mich wahnsinnig stört: Du zündest mit Argumenten, haust einen raus, und wenn du merkst, es geht daneben oder fällt dir auf die Füße, dann nimmst du den Notausgang Satire." Letzten Endes sei das "eine Form von Feigheit", attestiert Lanz. "Steh doch zu deinem Argument, kenne dein Argument, vertrete es so, dass es glaubwürdig und konsistent ist, und dann bleib auch dabei."

Precht kritisiert heutige Generation von Comedians

Für Precht ist das Problem "größer als die Person Böhmermann". Der Philosoph hebt nun auf die Aufgabe von Satirikern ab, sich mit den Mächtigen anzulegen. Doch heutige Comedians würden es genau umgekehrt handhaben: "Die brandmarken alles, was nicht Mainstream ist", findet Precht. Als Beispiel nennt er Carolin Kebekus.

Heutige Comedians hätten eine "herrschaftsstabilisierende Funktion" übernommen. Jeder, der von der Mehrheitsmeinung abweiche, werde lächerlich gemacht. "Das ist auch das Problem, mit dem sich Dieter Nuhr gerade herumschlägt", wirft Lanz ein.

Ein Faden, den Precht gerne aufnimmt: Nuhr steht für ihn noch in der alten Tradition. "Er stellt die Herrschaftsnarrative infrage", sagt Precht. Das sei auch Aufgabe von politischen Comedians. Aber dass er das so macht, "wird von den anderen Comedians, die so eine Art Sharia-Polizei für den Cursor des gefühlten Anstands sind, angegriffen – und zwar massiv."