"Das lasse ich mir nicht verbieten"
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"Haltung zeigen": Ein Appell, der fΓΌr immer an Anja Reschke erinnert. Wie die Moderatorin ΓΌber Anfeindungen denkt und was sie nun im Ersten plant, erzΓ€hlt sie im Interview.
Eine "Recherche-Show" mit dem Anspruch, unterhaltend zu sein: Das will Anja Reschke jetzt im Ersten etablieren. Die Moderatorin hat sich mit "Reschke Fernsehen" viel vorgenommen. Im Interview mit t-online gibt sie zu, dass ihr auch Zweifel kamen. Denn mit diesem Schritt ins Scheinwerferlicht kΓΆnnten auch negative Effekte einhergehen.
Effekte, die sie noch aus dem Jahr 2015 kennt. Damals positioniert sie sich lautstark mit einem Kommentar in den "Tagesthemen" zur FlΓΌchtlingsdebatte. Hier lesen Sie, wie sie sich daran erinnert und welche Lehren die 50-JΓ€hrige daraus gezogen hat.
t-online: Frau Reschke, wie entscheidend war Ihr Einfluss im NDR, um ein Format wie "Reschke Fernsehen" durchzusetzen?
Anja Reschke: Gar nicht so sehr. Ich war und bin mit Leidenschaft Journalistin und Moderatorin und ich war mit Leidenschaft Hierarchin, aber auf Dauer sind das zwei sehr unterschiedliche Jobs und beide Jobs erfordern eine sehr hohe Konzentration.
"Hierarchin"? Sie meinen Ihre Aufgabe als Leiterin des NDR-Programmbereichs Kultur und Gesellschaft.
Das Wort klingt vielleicht etwas zu β¦ hierarchisch. Schreckliche Formulierung. Aber ich habe einen Programmbereich mit ΓΌber 100 Festangestellten und 300 Freien geleitet, da ist einiges zu tun. Da hat man dann leider keine Zeit mehr fΓΌr Recherche und Reportage.
Sie mussten sich also entscheiden β und der Journalismus war Ihnen offenbar wichtiger.
Ich hab ja immer beides gemacht, auch neben den FΓΌhrungsaufgaben weiter moderiert, "Panorama", "Wissen vor Acht" und "ZAPP". Und das finde ich auch gut, weil man die NΓ€he zum Programm behΓ€lt, und Journalistin natΓΌrlich der Beruf ist, den ich mal gewΓ€hlt habe und der meine Leidenschaft ist. Aber auf Dauer ist diese Doppelrolle schon anstrengend.
Jetzt geht es fΓΌr Sie also wieder mit voller Kraft vor der Kamera weiter. Wieso?
Ich mΓΆchte mich jetzt gerne noch mal mit Inhalten beschΓ€ftigen und meine Energie da reinstecken. Darauf freue ich mich sehr, zumal die Verbindung aus Unterhaltung und Journalismus eine besonders reizvolle Aufgabe ist. "Reschke Fernsehen" bewegt sich da in der Tradition von US-Late-Night-Shows wie Rachel Maddow.
Also ging es Ihnen nicht ums Geld? Es ist ja kein Geheimnis, dass es sich in einer FΓΌhrungsposition wie der einer Programmbereichsleitung gut verdienen lΓ€sst.
Ich mache gerne Programm: Das war der entscheidende Grund.
Was fΓΌr ein Programm soll das werden bei "Reschke Fernsehen"?
Ich habe den Anspruch, etwas zu bieten, was Menschen interessiert. Was sie vielleicht zum Nachdenken, zum Diskutieren anregt, ein neues Argument liefert, eine andere Perspektive bietet.
Das ist ein hehres Ziel, aber ist es auch realistisch?
Zugegeben: Ich gehe nicht davon aus, dass Menschen, die mich ablehnen, plΓΆtzlich zu Fans werden. Bedauerlich finde ich es nur, wenn man so fest ist in seiner Meinung, dass man andere Argumente gar nicht mehr zulΓ€sst, anderen Meinungen nicht mal mehr zuhΓΆren kann. Aber ich befΓΌrchte, da werde ich auch mit meiner Sendung nichts dran Γ€ndern.
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Sie haben in der Vergangenheit viel Anfeindungen erlebt. Vor allem seit Ihrem FlΓΌchtlingsappell im August 2015 bei den "Tagesthemen", jetzt mΓΌsse man "Haltung zeigen", sind Sie ein Feindbild in bestimmten Kreisen.
Ich hoffe instΓ€ndig, dass die Mehrheit der Gesellschaft eine klare Haltung und Abgrenzung gegen rechts teilt. Meine Haltung ist da nichts Exotisches. Ich bin jemand, der in der Γffentlichkeit sehr klar fΓΌr Grundwerte einsteht, fΓΌr eine tolerante, weltoffene, gleichberechtigte und liberale Gesellschaft. Und dafΓΌr werde ich sowohl gelobt als auch angegriffen.
Lassen Sie sich davon einschΓΌchtern?
Dann wΓΌrde ich wohl kaum diese neue Sendung machen. Diese erwΓ€hnten zivilisatorischen Werte waren ja nicht einfach da, sondern wurden ΓΌber Jahrhunderte sehr mΓΌhsam erkΓ€mpft. Von der FranzΓΆsischen Revolution bis heute. Und wie man immer wieder merkt, sind sie keine SelbstverstΓ€ndlichkeit, sondern mΓΌssen verteidigt werden. Wie heiΓt es doch: Die TΓΌr zur Barbarei ist aus Papier. Und diese TΓΌr mit zu verteidigen, finde ich eine ehrenvolle Aufgabe und die werde ich mir auch nicht verbieten lassen.
Deswegen finde ich diesen Vorwurf, es gΓ€be eine Art Zensur, so absurd.
Anja Reschke
Kommt es denn ΓΌberhaupt oft genug dazu, dass Menschen "Haltung zeigen", wie Sie es gefordert haben?
Ja, ich finde, dass viele Menschen in Deutschland sehr klar Position beziehen. Also zum Beispiel, wann immer rassistische oder sexistische ΓuΓerungen in der Γffentlichkeit fallen, etwa durch Politiker oder Personen des ΓΆffentlichen Lebens, wenn Gruppen abgewertet werden, wenn Einzelne angegriffen werden, kann man beobachten, wie viele sich da einmischen. Da gibt es dann schon Aufruhr, vor allem im Netz. Solche ΓuΓerungen erzeugen immer Gegenwind.
Und das ist gut?
Das ist Diskurs und den mΓΌssen wir aushalten. Deswegen finde ich diesen Vorwurf, es gebe eine Art Zensur, so absurd. Jeder kann in Deutschland offen seine Meinung β und sei sie noch so verquer β kundtun, ohne dass ihm etwas geschieht. Und das ist auch richtig.
Sie werden nun als Gesicht Ihrer neuen Sendung vermutlich wieder stΓ€rker mit Kritik konfrontiert werden. Wie sehr belastet Sie das?
Mir ist klar, dass das passieren wird und das ist eigentlich der einzige Punkt, warum ich sagen wΓΌrde: "Komm lass es einfach." Ich bin persΓΆnlich nicht interessiert an mehr Prominenz. Aber ich habe total Lust, diese Themen nach vorne zu bringen und auf diese Sendung. Ich gebe dem Format seinen Namen, also nehme ich diese Titelrolle auch an.
Wie gehen Sie mit Anfeindungen um?
Ich glaube, im Umgang mit Anfeindungen und Shitstorms haben wir ja alle in den vergangenen Jahren etwas gelernt. Das macht Hass und Hetze zwar nicht angenehmer, aber man weiΓ es besser einzuordnen ... Ich weiΓ, welche Themen was auslΓΆsen, und ich weiΓ auch, aus welchen Ecken welche Anfeindungen mit welcher Motivation kommen. Damit hat man nicht mehr das GefΓΌhl, die halbe Welt wΓΌrde einen hassen.
Eine Erfahrung, die Sie wegen Ihrer Positionierung in der FlΓΌchtlingsdebatte machen mussten?
Im Jahr 2015 hat mich das sehr unvermittelt getroffen und damals waren nur sehr bestimmte Personen des ΓΆffentlichen Lebens, so wie ich, Ziel von Hass. Das hat sich verΓ€ndert. Aber trotzdem muss ich zugeben: WΓΌnschen tue ich das keinem.
Sind Sie auch deshalb inzwischen weniger im Social-Media-Bereich aktiv?
Ich kann bestΓ€tigen, dass ich viel weniger aktiv bin, als ich das frΓΌher war. Ich mΓΌsste mal tief in mich hineinhorchen, woran das liegt. Zum einen vermutlich daran, dass ich einfach in den letzten Jahren durch den FΓΌhrungsjob nicht so nah am Inhalt war. Und ich riskiere nicht so gerne eine dicke Lippe, wenn ich keine Ahnung von etwas habe. Ich lese viel im Netz, ich zieh da auch viel raus, ich mag auch Debatten, aber manchmal stelle ich auch eine leichte ErmΓΌdungserscheinung bei mir fest.
Was genau ermΓΌdet Sie?
Jeder muss zu jedem Thema auch noch mal was sagen, das finde ich etwas anstrengend. Und, was mir, als Nicht-Digital-Native, immer noch schwerfΓ€llt, ist die Selbstdarstellung meiner Person, also das stΓ€ndige Posten irgendwelcher hΓΌbschen, crazy, coolen Fotos aus meinem hΓΌbschen, crazy, coolen Leben.
"Reschke Fernsehen" startet am 2. Februar mit der ersten Ausgabe um 23.35 Uhr im Ersten. Das Format ist auf 30 Minuten LΓ€nge ausgelegt und will laut Untertitel ("Die Recherche-Show") kritischen Journalismus mit Entertainment verbinden. In der ersten Sendung wird es um die CSU gehen, Titel: "Ego-Land Bayern: So zieht die CSU uns alle ab".
- Interview mit Anja Reschke
- ardmediathek.de: "Reschke Fernsehen"