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"Und morgen die ganze Welt": Wie lässt sich mit Rechten umgehen?


"Und morgen die ganze Welt"
Ein Film gegen rechts – oder ist es doch nicht so einfach?

MeinungEine Filmkritik von Nathanael Häfner

06.05.2021Lesedauer: 3 Min.
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"Und morgen die ganze Welt": Der Film ist seit dem 6. Mai auf Netflix verfügbar.Vergrößern des Bildes
"Und morgen die ganze Welt": Der Film ist seit dem 6. Mai auf Netflix verfügbar. (Quelle: Netflix)

Netflix zeigt ab heute "Und morgen die ganze Welt". Darin schließt sich Jurastudentin Luisa der Antifa an, radikalisiert sich und lotet aus, wie weit sie gehen darf. Dabei verweigert der Film einfache Antworten.

Luisa (Mala Emde) scheint alles in die Wiege gelegt zu sein. Ihre Familie stammt von einem Adelsgeschlecht ab, zuhause herrschen geordnete Verhältnisse, sie selbst beginnt Jura zu studieren. Doch ihre Kommilitonin und beste Freundin Batte (Luisa-Céline Gaffron) bringt sie zu einer Antifa-Gruppe. Sie ist begeistert von der Atmosphäre, schnell genügen ihr Containern und Transparente bemalen nicht mehr. "Und morgen die ganze Welt" zeichnet auch und vor allem eine Radikalisierung einer jungen Frau auf der Suche nach Sinn.

Der Film (ab 6. Mai, Netflix) hat trotz der Corona-Pandemie wenig an Aktualität eingebüßt. Beim Auftritt einer verkappten AfD-Politikerin ("Liste 14") demonstrieren Linke. Es geht um die Gewaltfrage, darum, wie weit man für die beanspruchte gute Sache gehen darf. Für Luisa ist besagte Rede ein Erweckungsmoment: Während sich die Lage zwischen Rechten und den Demonstrierenden zuspitzt, stiehlt sie das Handy eines Nazis. Als der Besitzer sie gewaltsam zu Boden drückt, holt sie sich ihre erste Schramme "im Widerstand".

Biographisches verwoben

"Und morgen die ganze Welt" hat auch eine biografische Note. 1991 griffen Rechtsradikale Regisseurin Julia von Heinz, damals 15 Jahre alt, an. Sie trat der Antifa bei. Wenig später prägten sie die ausländerfeindlichen Pogrome von Rostock-Lichtenhagen. Da Von Heinz militante Aktionen ablehnte, stieg sie Anfang der 2000er aus der Szene aus. Diese inneren Erfahrungen speisen ein realistisches Bild der Aktivisten. Im Hauptquartier P81 versammeln sich junge Studentinnen ebenso wie Boxer und Drag Queens, abends singen sie "Bella Ciao"“, sie tanzen und imitieren die Kommunen der 68er-Bewegung.

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Luisas Freundin Batte gehört eben jener "Hippie-Fraktion" an, sie plädiert für Gewaltfreiheit, will gemeinsame Sache mit Parteien und Bündnissen machen, demonstrieren, höchstens mal Torten schmeißen. Luisa reicht das nicht. Das mag wohl auch an Obermacker Alfa (Noah Saavedra) liegen, der zu den weniger gelungenen Figuren des Films gehört. Recht stereotyp markiert er den harten Widerstandskämpfer und bringt die Gewaltspirale zum Eskalieren. Als ihn Mitstreiter Lenor (Tonio Schneider) darauf anspricht, dass er rechtzeitig zu seinen Klausuren immer verschwinde und lerne, schämt er sich vor Luisa, denn das scheint nicht recht zu seinem Image zu passen.

Mit dem Gewehr gegen Nazis

Regisseurin Von Heinz gelingt es jedoch, Aktivistendasein und bürgerliches Leben gegenüberzustellen. Sie macht klar, dass beides letztlich nicht vollends miteinander vereinbar ist.

Der Altlinke Dietmar (Andreas Lust) nimmt hier eine wichtige Rolle ein. Als die Polizei die Aktivisten sucht, erzählt er von seiner Jugend und dass auch er und seine Leute nur einfache Antworten auf komplexe Fragen gesucht hätten. Den großen Knall, der die Welt verändert, den gäbe es nicht.

Luisa scheint diesen zu suchen. Im Laufe der Handlung kristallisiert sich ein harter Kern der örtlichen Antifa um Alfa heraus, die Reifen zerstören und Autos demolieren, und schließlich gar auf Sprengstoff stoßen. Die Jura-Studentin hält es in der Universität kaum noch aus, und nimmt die Sache schließlich in die eigene Hand, bis sie sogar mit dem Gewehr einen rechten Gitarristen ins Visier nimmt.

"Und morgen die ganze Welt" macht Hoffnung für deutschen Film

Zu Recht ist der Film durch die Oscar-Vorauswahl auch international bekannt geworden. Hauptfigur ist ein wertvolles Vehikel, um sich selbst zu fragen, wie weit man gegen Rechte gehen darf – und ob der Rechtsstaat sich selbst schützen kann.

"Und morgen die ganze Welt" verweigert einfache Antworten. Aber der Film wirft gute Fragen auf, in einem Deutschland nach dem Terror von Hanau, nach dem Mord an Walter Lübcke. Er mischt sich in die Debatte ein und hat starke Frauenfiguren. All das macht Hoffnung für den deutschen Film.

Verwendete Quellen
  • Netflix: "Und morgen die ganze Welt"
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