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Coronavirus-Krise: Deutsche Autobranche blickt auf finstere Monate


Vor dem Corona-Crash?
Deutsche Autobranche blickt auf finstere Monate

dpa, Jan Petermann, Andreas Hoenig, Nico Esch

Aktualisiert am 03.04.2020Lesedauer: 4 Min.
Automobilproduktion in China: Nach dem Marktabsturz im Reich der Mitte brachen nun auch die Absätze in Deutschland ein.Vergrößern des BildesAutomobilproduktion in China: Nach dem Marktabsturz im Reich der Mitte brachen nun auch die Absätze in Deutschland ein. (Quelle: Liu Kun/XinHua/dpa-bilder)
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Geschlossene Fabriken, wegbrechende Absätze: Die Corona-Krise setzt den Autoherstellern massiv zu. Doch die große Phase der Unsicherheit dürfte für die deutsche Schlüsselindustrie jetzt erst richtig beginnen.

Es war die aktuell letzte Hiobsbotschaft: Um 38 Prozent gingen die Neuzulassungen im abgelaufenen Monat März zurück, wie der Branchenverband VDA am Freitag meldete. Das war der höchste Rückgang seit der Wiedervereinigung. Gleichzeitig produzierten die Hersteller 37 Prozent weniger Einheiten.

Das große Bangen in der Leitbranche

Über 800.000 Menschen arbeiten bundesweit bei Autobauern und Zulieferern. Weltweit stehen die meisten Werke aber still – Infektionsrisiken konnten teils nicht ausreichend verringert, wichtige Teile nicht mehr beschafft werden. Lieferketten sind gekappt, Beschäftigte warten auf die Rückkehr an den Arbeitsplatz.

Viele Firmen haben ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt oder versuchen, den Nachfrageeinbruch durch Urlaubsausgleich und Nutzung der Arbeitszeitkonten abzufedern.

"Wir stehen vor einer Herausforderung in bisher nie gekanntem Ausmaß", sagte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Wie lange die Krise anhält, ist unklar. Der Branchenexperte Stefan Bratzel erwartet, dass der globale Automarkt in diesem Jahr um 17 und in Europa um 21 Prozent absacken könnte – ein noch relativ optimistisches Szenario, das von Beschränkungen des öffentlichen Lebens auf höchstens acht Wochen ausgeht. Es werde "erhebliche Verwerfungen" geben.

VW, Audi, Porsche

Volkswagen hat die Produktionsunterbrechung in allen deutschen Werken gerade bis zum 19. April verlängert, 80.000 Menschen sind in Kurzarbeit. In vielen weiteren europäischen Fabriken sowie in Amerika und Russland ruht der Betrieb ebenfalls. Laut Konzernchef Herbert Diess verliert VW im "Shutdown" pro Woche bis zu zwei Milliarden Euro an Liquidität: "Wir machen keinen Absatz, wir machen keinen Umsatz außerhalb Chinas."

Die Finanzsparte legte neue Anleihen im Volumen von 2,15 Milliarden Euro auf. Markenfinanzchef Alexander Seitz betonte: "Die Corona-Krise ist beispiellos und wird ohne Zweifel Einfluss auf die Geschäftsentwicklung haben."

Die Tochter Audi fuhr ihre Werke in Europa und Mexiko herunter, dem Betriebsrat zufolge stehen die Bänder "voraussichtlich für längere Zeit" still. Porsche geht am Montag in die dritte Schließungswoche, am Stammsitz in Stuttgart-Zuffenhausen und in Leipzig ist Kurzarbeit angesagt. Vorstandschef Oliver Blume fährt "auf Sicht". Für das erste Quartal rechnet er mit einem Absatzrückgang um etwa zehn Prozent.

Daimler, BMW, Opel

Bei Daimler sollte eigentlich das Sparprogramm von Vorstandschef Ola Källenius Fahrt aufnehmen. Nach einem harten Jahr mit Gewinneinbruch hat der Konzern schon genug Probleme. Seit zwei Wochen steht die Produktion nun weitgehend, am Montag gehen Zehntausende Beschäftigte für zunächst zwei Wochen in Kurzarbeit.

In einem Überlebenskampf sehe er Daimler nicht, sagte Källenius in einem BBC-Interview. Aber klar ist: Sehr lange darf der Zustand nicht anhalten. Zur Sicherheit hat Daimler mit mehreren Banken eine Vereinbarung über eine neue Kreditlinie von zwölf Milliarden Euro geschlossen.

BMW meldete im März für knapp 20.000 Beschäftigte Kurzarbeit an. Die Produktion stoppte, voraussichtliches Enddatum auch hier: 19. April. Der Opel-Mutterkonzern PSA will seine 15 geschlossenen europäischen Werke bald hochfahren, konkrete Termine standen zuletzt nicht fest.

Lage bei Händlern und Zulieferern

Zahlreichen Autohäusern fehlt der Nachschub, aber dort lassen sich derzeit ohnehin kaum Kunden blicken – denn Verkaufsstellen mussten schließen. Dazu kommt die Unsicherheit der Kunden über die wirtschaftliche Entwicklung, Ökonomen erwarten eine tiefe Rezession. Auch Firmenkunden halten sich wegen der schwierigen konjunkturellen Lage zurück.

Zulieferer wie Continental ringen ebenso mit den Krisenfolgen. Im Kerngeschäft mit der Autotechnik und in der Reifensparte stehen 40 Prozent der Standorte still, in Deutschland gilt für 30.000 Menschen Kurzarbeit. Ein Sparkurs greift, Investitionen werden verschoben.

Muss der Staat helfen?

In der Weltwirtschaftskrise 2008/2009 legte die Bundesregierung ein Konjunkturprogramm für die Autobranche auf. Mit einer Abwrackprämie wurden alte Modelle aus dem Verkehr genommen und Zuschüsse zum Kauf von Neuwagen gewährt. Mit der sogenannten Umweltprämie versucht man, den Absatz von E-Autos in ähnlicher Weise anzukurbeln – mit bisher mäßigem Erfolg.

Bratzel mahnt, die Lage sei so ernst, dass es erneut Förderprogramme geben müsse: Es dürften "starke Anreize zur Nachfragestimulation notwendig sein, um eine Wiederherstellung und Stabilisierung der Wertschöpfungskette zu ermöglichen." Hilfen zur Liquidität wollen die großen Player bisher nicht in Anspruch nehmen.

Die Ausgangslage ist anders als vor zwölf Jahren. Damals schwappte eine Bankenkrise auf den Realsektor über, heute trifft der "externe Schock" der Corona-Pandemie die gesamte Wirtschaft und Gesellschaft. Die besondere Gefahr für die Autoindustrie besteht darin, dass sie schon mitten in einem teuren, kräftezehrenden Umbruch zu E-Mobilität und Digitalisierung steckt – und die Viruskrise kommt noch obendrauf.

Die Bundesregierung ist bemüht, Firmen, Jobs und Strukturen zu erhalten. Ein Stabilisierungsfonds gibt die Möglichkeit, dass sich der Staat notfalls an wichtigen Unternehmen beteiligt – intern wird für die gesamte Wirtschaft bereits vor möglichen Übernahmen durch ausländische Konzerne zum Beispiel aus China gewarnt.

Klimaschutz und Branchenwandel

Mehr alternative Antriebe sind auch deswegen unumgänglich, weil es die Hersteller mit verschärften Klimazielen zu tun haben. Seit Januar schreibt die EU als Höchstwert 95 Gramm CO2 je Kilometer im Flottendurchschnitt vor – bis 2030 soll die Grenze weiter sinken, bei Verstößen drohen Milliardenstrafen.

Der VDA warnt vor Plänen der EU-Kommission, im Zuge des "Green Deal" Vorgaben für die Zeit nach 2030 nun schon weiter zu verschärfen. "Wir müssen die wirtschaftlichen Auswirkungen erst seriös bewerten, bevor wir über mögliche zusätzliche Belastungen sprechen", sagte Müller.

Optimismus in der Krise

Aber es gibt in manchen Bereichen auch Anlass zur Zuversicht – vor allem beim Blick nach China. Dort erholt sich die Nachfrage, der Betrieb ist nach dem "Corona-Monat Februar" (Volkswagen) mit heftigen Einbrüchen im wichtigsten Automarkt der Welt jetzt wieder angelaufen.

Einige Hersteller versuchen zudem, mit dem zeitweisen Ausweichen auf Medizinprodukte oder Medizintechnik wie Beatmungsgeräte einen Teil der leerlaufenden Kapazitäten zu überbrücken und gleichzeitig das Gesundheitssystem zu unterstützen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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