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Auto-Erotik pur! "Gran Turismo 7" ist ein Hohelied auf das Automobil


"Gran Turismo 7" im Test
Ein Hohelied auf das Automobil

  • Jan Mölleken
Von Jan Mölleken

Aktualisiert am 16.04.2022Lesedauer: 6 Min.
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Gran Turismo 7: In diesem Rennspiel wird das Auto als ästhetisches Objekt gefeiert. Eine fantastische Rennsimulation ist es sowieso.Vergrößern des Bildes
Gran Turismo 7: In diesem Rennspiel wird das Auto als ästhetisches Objekt gefeiert. Eine fantastische Rennsimulation ist es sowieso. (Quelle: t-online)

Nach acht Jahren Pause hat Sony wieder einen neuen, vollwertigen Teil des Rennspiel-Großvaters Gran Turismo veröffentlicht. 25 Jahre nach dem Start des ersten Teils weckt er Erinnerungen und ist bisweilen etwas ungelenk, aber besser denn je.

Wer alt genug ist, um noch an der ersten Playstation (PS) gezockt zu haben, kann sich vermutlich noch gut an Gran Turismo (GT) erinnern. GT und das nur ein gutes Jahr später nachgeschobene GT2 haben die Rennspielwelt auf Heimkonsolen umgekrempelt. Nie sahen Rennspiele auf dem Röhrenfernseher so gut aus – und nie fühlten sich die einzelnen Fahrzeuge so realistisch und unterscheidbar an, wie in dieser Spieleserie.

Was die Reihe so besonders machte, war unter anderem auch die Fahrzeugauswahl: Statt den Spielern lediglich die Crème de la Crème der Motorsportgefährte vorzusetzen, zogen Spieler hier anfangs mit Fiat 500, Opel Astra oder Mazda 323 ins Rennen. Mit dem ersten Preisgeld, das es für gute Platzierungen bei kleinen Rennserien gab, konnten die Kleinwagen dann getunt – oder gegen ein Auto der nächsthöheren Klasse getauscht werden.

Ein Stadtrennen in Tokio im Mazda MX5 oder einem getunten Honda Civic wurde so zur eindrücklicheren Erinnerung als die austauschbaren Rennen, die man später in den Supersportwagen in anderen Spielen absolvierte. Im späteren Spielverlauf raste man durchaus auch bei GT in echten Sportwagen über die Strecke – aber auch hier sorgten die hierzulande wenig bekannten Sportwagenmodelle japanischer Hersteller für Abwechslung vom typischen Porsche-, Ferrari- und Lamborghini-Einerlei.

All das liegt über 20 Jahre zurück – tatsächlich markiert GT7 sogar das 25. Jubiläum der Kult-Reihe – und schlägt die nahezu perfekte Brücke zwischen nostalgischem Rückblick und zeitgemäß-moderner Rennsimulation. Denn mit GT 7 holt Sony die beliebte Spieleserie auch technisch in die Gegenwart.

So ganz in der Gegenwart angekommen ist Entwickler Polyphonie Digital offenbar allerdings nicht, das zeigte in den vergangenen Wochen das unglückliche Agieren hinsichtlich der Ingame-Käufe. Aber auch das Spiel selbst pflegt einige schrullige Reminiszenzen an die Videospielvergangenheit. Schlechter macht es das Spiel nicht – aber durchaus besonders. Aber der Reihe nach.

Worum geht es?

GT 7 ist wie seine Vorgänger ein waschechtes Rennspiel. Und wie bereits erwähnt, fokussiert man sich dabei nicht auf die reine Hochleistungs-Motorsport-Szene, sondern präsentiert Rennsport hier in allen Preis- und Geschwindigkeitsregionen. Anders als in aktuell beliebten Open-World-Rennspielen, wie etwa zuletzt dem meisterhaften Forza Horizon 5, werden hier aber nicht öffentliche Straßen befahren, sondern ausschließlich abgesteckte Rennstecken.

Der Spieler beginnt seine Karriere mit einem lahmen Kleinwagen und erarbeitet sich durch erfolgreich absolvierte Missionen und gewonnene Rennen dann Schritt für Schritt die Traumgarage eines jeden Motorsportfans. Eine große Rolle spielt dabei auch Fahrtechnik, die Feineinstellung diverser Fahrzeugparameter und Tuning.

Was ist besonders?

Dass GT 7 nicht die typische Rennsimulation ist, bemerkt man schon beim Vorspann: Musik, Aufmachung, Zwischenszenen – alles ist reichlich kitschig und mit Pathos aufgeladen, die Liebe zum Automobil wird hier an fast allen Stellen deutlich betont.

Etwas aus der Zeit gefallen wirken auch die vielen Anleihen an die Originalserie: Das "Hauptmenü" ist wie in früheren Titeln eine Art Landkarte, auf der dann die jeweiligen Gebäude stehen, die die Metapher für den jeweiligen Menüpunkt sind. Wer sein Fahrzeug wechseln will, geht in die eigene Garage, besondere Herausforderungsmissionen liegen in einem Zirkuszelt, für die Wahl der Rennstrecke besucht man ein Stadion.

Das ist an sich nicht schlimm und funktioniert gut – hat aber schon einen echten 90er-Touch. GT-Nostalgiker wird es aber freuen. Ins leicht absurde wird diese große Orts-Metapher bei den Hauptmissionen gedreht: GT 7 enthält eine Reihe von Aufgaben, die Spieler etwa mit den unterschiedlichen Fahrzeugtypen und ihrer Geschichte vertraut machen sollen: japanische Kleinwagen mit Frontantrieb, die Ursprünge der amerikanischen Muscle Cars und vieles mehr.

Die Aufträge erhält der Spieler in einem Café, wo sie als Menükarte überreicht werden. Einzelne Figuren treten auch auf und erzählen etwas zur Geschichte eines bestimmten Auto-Modells. Die Form der Erzählweise ist reichlich verschroben, stört den Spielfluss aber nicht – und gibt GT 7 eine weitere Gelegenheit, seine wunderbaren Fahrzeugmodelle in einer gerenderten Alltagsszene zu präsentieren.

Überhaupt: Was GT 7 in Sachen Präsentation seiner Fahrzeugmodelle an Aufwand betreibt, lässt sich nur als wollüstige Blech-Erotik bezeichnen. Die Autos sehen spektakulär aus, keine Frage – besser noch als bei Forza Horizon 5.

Und das inszeniert Polyphony Digital wo es geht: Auf jedes Rennen folgt eine obligatorische Wiederholung (kann aber abgebrochen werden), es gibt im Spiel eine Waschanlage, wo Spieler ihre Autos pflegen lassen können, sodass sie beim nächsten Rennen noch mehr strahlen – und es gibt eine eigene Menü-Station, wo man Fotoshoots mit seinen liebsten Modellen inszenieren kann:

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Man wählt zwischen etlichen fotorealistisch berechneten Locations, positioniert das Fahrzeug der Wahl, kann Dutzende Parameter einstellen und bekommt anschließend ein fertig gerendertes Bild, wo etwa auch Spiegelungen der Umgebung auf dem Auto korrekt wiedergegeben werden.

Diese Form des Hyperrealismus findet sich zum Glück aber auch während des Renngeschehens selbst. Die Fahrphysik ist bis ins kleinste Detail nachgebildet. So spielt etwa die Lufttemperatur auch eine Rolle für die Fahrperformance – Streckenteile werden von direkter Sonneneinstrahlung aufgeheizt und bieten einen anderen Grip als Passagen, die im Schatten liegen.

Auch diese Realismusversessenheit driftet zum Teil ins leicht absurde ab: So hat man wohl viel Arbeit darauf verwendet, dass der Sternenhimmel bei nächtlichen Rennen je nach Standort und Uhrzeit auf der Strecke stets korrekt am Himmel abgebildet ist. Wer will, kann also nach den Sternen navigieren. Und in den wunderbar ausgestalteten Cockpits der Fahrzeuge funktionieren selbstverständlich alle Anzeigen so, wie sie sollen: Selbst die LED-Uhr in der Mittelkonsole des uralten Toyota Corollas zeigt korrekt die Uhrzeit, die auf der Strecke herrscht – und wenn Sonne ins Fahrzeug fällt, spiegelt sich das Armaturenbrett korrekt-nervig in der Windschutzscheibe.

Spielablauf und Fahrgefühl

Im Spiel absolviert man Missionen im Café, gewinnt und kauft Autos, tunt sie und fährt damit dann weitere Rennen auf Strecken, die Stück für Stück freigeschaltet werden. Eine schöne Besonderheit sind hier die Fahrerlizenzen. Bestimmte Aufgaben können nur erledigt werden, wenn man eine der fünf aufeinander aufbauenden Rennlizenzen erworben hat: National B und A, International B und A sowie Super Lizenz. Hier müssen jeweils zehn zunehmend knackigere Fahrmanöver so perfekt wie möglich absolviert werden.

Das ist gerade am Anfang scheinbar trivial: Etwa muss nur eine Kurve oder Schikane durchfahren werden. Die knackigen Zeitvorgaben erfordern aber, dass die Spieler sich wirklich mit Lenkung, Kurvenscheitelpunkt, Bremspunkt und dem Spiel von Gas und Bremse auseinandersetzen – und so bessere Fahrer werden. Um nicht zu sehr zu frustieren, kann man jede Herausforderung in Bronze, Silber oder Gold abschließen. Vor allem die Gold-Zeiten sind bisweilen wirklich knackige Herausforderungen.

Für das optimale Fahrgefühl sollten sich echte Fans natürlich ein Lenkrad mit Pedalen zulegen. Wir haben GT 7 an der PS5 mit dem beiliegenden adaptiven Controller gespielt – und waren begeistert. Allein der präzise wiedergegebene Gegendruck für Gas und Bremse am Controller macht nicht nur Spaß – er erleichtert das dosierte Spiel mit beidem zudem ungemein. Ebenfalls toll sind die Rütteleffekte: Jeder ruppige Schaltvorgang wird mit einem angemessenen Rucken des Controllers quittiert, auf dem Tokyo Expressway, einer Rennstrecke über die Tokioter Stadtautobahn, spürt man in den Händen das typische Rucken der mit Bitumen verklebten Betonplatten auf der Strecke – toll!

Wie an anderer Stelle schon erwähnt: Die Cockpits sehen nicht nur toll aus, sie sind samt aller sichtbarer Anzeigen auch voll funktionstüchtig. Ein virtueller Fahrer hält das Lenkrad und greift regelmäßig zum Schaltknüppel oder zur Schaltwippe. Die insgesamt überragende Soundkulisse ist hier ebenfalls absolut glaubwürdig. Nie hat es so viel Spaß gemacht, das virtuelle Auto aus der Fahrerperspektive zu steuern.

Fazit: Tolle Simulation mit viel Herz fürs Auto

GT 7 ist eine wunderbar verschrobene Mischung von aus dem Ruder gelaufenem Perfektionismus, Videospiel-Nostalgie und unverhohlener Liebe fürs Auto. Gerade in der Präsentation der Menüs sieht nicht alles so aus, wie man das 2022 erwarten würde – aber das macht überhaupt nichts. Wer sich über zahllose Stunden in das Feintuning seiner Autos stürzen möchte, Freude an einem nicht ganz typischen Fahrzeugraster hat und durchaus auch Zeit damit verbringen mag, sein eigenes Traumauto künstlerisch in Szene zu setzen, wird zahllose Stunden Freunde an diesem Spiel haben.

Auch Freunde von ernsthaft gemachten Rennsimulationen können hier zugreifen. Wer eher das schnelle Rennen für zwischendurch sucht, launige Errungenschaften in einer offenen Welt sammeln will – und eigentlich keine Zeit mit Autos verschwenden möchte, die sich auch Normalsterbliche leisten können, der oder die sollte sich eher anderswo umschauen, etwa bei Forza Horizon 5 (was es allerdings nicht für die Playstation gibt, nur für Xbox und PC).

Etwas enttäuschend ist allerdings, dass Sony bei einem Vollpreistitel so unverhohlen auf Echtgeldeinkäufe setzt. In den vergangenen Wochen hatte Sony sich hier auch den geballten Zorn der Community eingefangen und eine Änderung hinsichtlich der im Spiel ausgezahlten Prämien wieder angepasst. Hoffentlich ist Sony das eine Lehre: Der so unverhohlen dreiste Versuch, noch mehr Geld aus Spielern zu pressen, die gerade erst 70 Euro für ein Spiel bezahlt haben, ist würdelos und passt nicht zum Erbe dieser tollen Rennspielreihe.

Gran Turismo 7 ist erschienen für Playstation 4 & 5, hat keine Altersbeschränkung und kostet ab 65 Euro.

Verwendete Quellen
  • Eigener Test
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