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Wadephul in Nahost: Israels Krieg gegen Iran eskaliert – Trump fällt aus


Krisenreise von Außenminister Wadephul
Trump fällt aus


Aktualisiert am 16.06.2025 - 11:58 UhrLesedauer: 7 Min.
Johann Wadephul: Der deutsche Außenminister stellt sich in der Golfregion hinter Israels Angriffe auf den Iran.Vergrößern des Bildes
Johann Wadephul: Der deutsche Außenminister stellt sich in der Golfregion hinter Israels Angriffe auf den Iran. (Quelle: Felix Zahn/imago-images-bilder)
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Außenminister Wadephul stellt sich auf seiner Golfreise hinter den israelischen Angriff auf den Iran. Während die Lage immer mehr eskaliert, stellt die Bundesregierung Forderungen an das iranische Regime. Wie groß ist Deutschlands Einfluss?

Aus Maskat, Oman, berichtet Patrick Diekmann

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Eigentlich ist der Sommer eine Jahreszeit, in der sich nur wenige Besucher in den Oman verirren. Es ist heiß. In der Hauptstadt Maskat ist es am Sonntag bis zu 40 Grad warm, Wetterdienste sprechen von einer gefühlten Temperatur von 49 Grad.

Und in der Tat: Auch vor dem omanischen Außenministerium ist die Luft in der Mittagssonne erdrückend. Nur wenige Menschen sind zu sehen. Sie harren in klimatisierten Gebäuden oder Autos aus.

Als Außenminister Johann Wadephul an dem Gebäude ankommt, verliert auch er keine Zeit. Schnell aus dem Auto, hinein in das Gebäude. Der CDU-Politiker wird von Männern in traditionellen Trachten empfangen. Sie tragen – wie in der Golfregion üblich – lange, weiße Gewänder. Hinzu kommen bunte Kopfbedeckungen, die die europäischen Besucher an eine Art Turban erinnern.

Im Gebäude wird Wadephul von seinem omanischen Amtskollegen Badr al-Bussaidi empfangen. Oman ist ein Sultanat, in dem die Macht innerhalb der Al-Said-Dynastie seit dem 18. Jahrhundert weitervererbt wird. Mitten im Außenministerium gibt es einen Raum, in dem das Land mit Bildern, Karten und Informationstexten seinen historischen Ursprung präsentiert.

In der Mitte des Raumes steht auf einem Podest ein riesiger Globus, der rund zweieinhalb Meter hoch ist. Badr al-Bussaidi zeigt auf die Mitte Europas, wo er Deutschland vermutet. "Das ist wie in Alaska", scherzt er und meint damit die im Vergleich niedrigen Temperaturen in Mitteleuropa.

Danach ziehen sich die beiden Außenminister zu einem Gespräch zurück. Die Stimmung ist freundlich, aufgeschlossen. Immerhin hat der Oman den deutschen Außenminister sehr kurzfristig empfangen, nachdem in der Nacht zu Freitag die israelische Armee den Iran angriff und Wadephul seine geplante Nahostreise in den Libanon, nach Syrien, Jordanien und Israel absagen musste. Stattdessen reiste er am Freitagabend spontan auf die Arabische Halbinsel, war zuvor in Saudi-Arabien und Katar.

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Doch auch im Oman steht die Eskalation zwischen Israel und dem Iran im Mittelpunkt. Zwar möchten viele Staaten in der Region den Einfluss des iranischen Regimes zurückdrängen und um jeden Preis verhindern, dass sich Teheran nuklear bewaffnen kann. Doch eine Mehrheit der Länder sorgt sich auch um die eigene Sicherheit, möchte die Lage in der Region deeskalieren.

Und zur Wahrheit gehört auch, dass die israelische Regierung aktuell nicht zur Befriedung der Region beiträgt, im Gegenteil: Die israelische Armee führt ihren Krieg gegen die Terrororganisation Hamas ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Und der israelische Premier Benjamin Netanjahu kümmert sich nicht um die Souveränität anderer Staaten in seiner Nachbarschaft, wenn er verfeindete Gruppen bekämpfen möchte.

Hinzu kommt nun der Angriff auf den Iran, der die gesamte Region in den Abgrund reißen könnte, wenn er weiter eskaliert. Die Bundesregierung stellt sich dabei an die Seite Netanjahus – und das könnte Deutschland am Ende Glaubwürdigkeit kosten. Zudem zeigt das Chaos im Nahen und Mittleren Osten, dass die Amerikaner unter US-Präsident Donald Trump als ordnungspolitischer Akteur ausfallen – und die Europäer diesen Ausfall nicht kompensieren können.

Welches Ziel verfolgt Netanjahu?

Die Eskalation zwischen Israel und dem Iran löste in der Region einen Schock aus. Selbst Länder wie Saudi-Arabien, die traditionell eine Rivalität mit dem Iran haben, kritisieren das israelische Vorgehen. Das ist wenig überraschend.

Zwar begrüßen viele Akteure am Golf eine Schwächung Teherans, aber sie haben Angst. Denn innerhalb vieler Staaten hat der Iran verbündete Gruppen wie die Hisbollah im Libanon oder schiitische Milizen im Irak, die das iranische Regime im Ernstfall unterstützen könnten. Deshalb hat die gegenwärtige Lage ein ungeheures Eskalationspotenzial.

Darüber hinaus ist völlig offen, welches Ziel die israelische Regierung mit ihrem Angriff auf den Iran verfolgt. Offiziell möchte Netanjahu das iranische Atomprogramm stoppen, bei israelischen Angriffen in der Nacht zu Freitag sind wohl mindestens sechs iranische Atomwissenschaftler getötet worden. Zudem ist laut Netanjahu die wichtigste iranische Urananreicherungsanlage in Natans zerstört worden. Doch Israel nimmt eben nicht nur das Atomprogramm ins Visier. Es geht offenbar um mehr.

Schließlich wurde in der Nacht zu Freitag Hussein Salami, Führer der iranischen Revolutionsgarden, zusammen mit anderen iranischen Generälen getötet. Israel setzt seine Luftangriffe fort, zerstört die iranische Luftabwehr, greift sogar Öldepots an. All das sieht in Summe eher nach einem Enthauptungsschlag aus, der auf den Kollaps des Mullah-Regimes zielt. In jedem Fall ist es ein Stich ins Herz des Bösen, schreiben viele Kritiker des Mullah-Regimes weltweit in den sozialen Netzwerken.

In dieses Bild passt ein Medienbericht vom Wochenende: So soll Trump Insidern zufolge einen israelischen Plan zur Tötung des obersten Führers des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, zurückgewiesen haben. Israel habe den USA mitgeteilt, es habe die Möglichkeit, Chamenei zu töten, sagten zwei hochrangige US-Vertreter der Nachrichtenagentur Reuters. Doch der Republikaner soll abgelehnt haben, weil die Iraner keine Amerikaner angriffen. Netanjahu dementierte daraufhin die Gerüchte.

Trump setzt andere Schwerpunkte

Die Amerikaner scheinen sich allgemein nicht mehr in diesen Konflikt einmischen zu wollen als unbedingt nötig. Im Hintergrund unterstützen die Amerikaner die israelische Armee, aber politisch hält sich Trump bislang eher zurück. Er lässt am Wochenende seine Militärparade in Washington abhalten, feiert seinen Geburtstag, telefoniert erneut mit Putin. Zwar fordert er in seinem Sprachrohr Truth Social die Iraner zu einem neuen Atomdeal auf, aber der Einsatz der USA dafür scheint begrenzt zu sein. Vielmehr wird erneut klar: Trump möchte die USA als ordnungspolitischen Akteur aus vielen Regionen zurückziehen. Das Problem: Es gibt keine Nation, die die Machtlücke nutzen könnte, die die Amerikaner hinterlassen. Auch deshalb verschärft sich das Chaos im Nahen und Mittleren Osten.

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Zwar lebt Chamenei noch, er ist aber in einer äußerst schwachen Position. Auf die israelischen Angriffe antwortet das iranische Regime mit dem Beschuss von Israel mit Raketen und Drohnen.

Der gegenseitige Beschuss geht nun über Tage.

Auf beiden Seiten sterben Zivilisten, wobei der Iran offenbar deutlich mehr zivile Todesopfer zu beklagen hat, weil Israel besser durch Luftabwehr geschützt ist. Auch darüber hinaus gibt es keinen Zweifel daran, dass der Iran diese Art der Kriegsführung gegen Israel nicht gewinnen kann.

Der Iran ist militärisch eindeutig unterlegen. Die unkoordinierten iranischen Luftschläge gegen Israel fordern zwar Opfer. Aber sie sind für das Mullah-Regime vor allem innenpolitische Fassade dafür, dass es gegenüber dem iranischen Erzfeind Israel aktuell hilflos dasteht.

Was Israel nun aus dieser Position der Stärke macht, ist unklar. Vieles wird davon abhängen, wie sich die israelischen Verbündeten und andere Mächte in der Region positionieren.

Oman wendet sich dem Iran zu

Wadephul möchte bei seiner Golfreise am Wochenende Israel den Rücken stärken, indem er Israels Recht auf Selbstverteidigung betont. Außerdem geht es Wadephul darum, einen Flächenbrand in der Region zu verhindern. Gleichzeitig möchte er erreichen, dass die desaströse humanitäre Lage für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen nicht in den Schatten der aktuellen Eskalation gestellt wird.

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All das ist in Summe eine enorme Herausforderung. Zwar sind sich in der Golfregion viele Akteure bewusst darüber, dass Deutschland aufgrund seiner Geschichte an der Seite des israelischen Staates steht. Trotzdem erwarten Staaten in der Region, dass die Bundesregierung mäßigend auf Israel einwirkt. Außerdem wird Deutschland mit dem Vorwurf konfrontiert, doppelte Maßstäbe anzulegen. Immerhin schlägt Netanjahu nach dem Terrorangriff der Hamas im Jahr 2023 wild um sich, bricht internationales Recht, und Deutschland – so der Vorwurf – belässt es bei kritischen Worten.

Viele Länder im Nahen und Mittleren Osten äußern diese Kritik selten öffentlich. Sichtbar ist der Gegenwind trotzdem, auch im Oman. So darf sich der deutsche Außenminister im omanischen Außenministerium in das Gästebuch eintragen. Doch Schreibtisch und Stuhl sind vor einer großen Landkarte platziert. Einer Landkarte, auf der der israelische Staat mit seinen Grenzen nicht eingezeichnet ist. Eine Provokation, auch gegenüber dem Minister.

Aber Wadephuls Kampf scheint auf den ersten Blick nicht aussichtslos zu sein. Omans Haltung zu diesem Konflikt hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Der vorherige Sultan Qabus ibn Said näherte sich den USA an, empfing 2018 auch Netanjahu im Oman. Sein Nachfolger Haitham ibn Tariq wendet sich seit dem Jahr 2020 allerdings dem Iran zu. Im Jahr 2023 wurde ein Gesetz durch das omanische Parlament gebracht, das der Bevölkerung Kontakte zu Israelis unter Strafe stellt.

Deutschlands Einfluss ist begrenzt

Wadephul setzt trotzdem in Maskat ein Zeichen für die deutsche Solidarität mit Israel. Er spricht in seinem Pressestatement am Sonntag mit keinem Wort über die Beziehungen zum Oman, was ungewöhnlich für einen Antrittsbesuch ist. Gleichzeitig macht er erneut klar, dass Israel das Recht zur Selbstverteidigung habe.

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Die Frage, ob die israelischen Angriffe auf den Iran und im Gazastreifen in ihrer jetzigen Form noch der Selbstverteidigung dienen, ist international umstritten. Immerhin führt die israelische Luftwaffe in vielen Ländern in der Region Präventivschläge aus. Dennoch scheint die Bundesregierung davon auszugehen, dass Israel in wenigen Tagen diesen Konflikt gewinnen und Teheran Bedingungen für die Einstellung der Kämpfe diktieren kann. Deswegen erhöht Wadephul im Oman vor allem den Druck auf Teheran.

Der Iran müsse sich zum Atomwaffensperrvertrag bekennen und eindeutig Abstand von einer nuklearen Bewaffnung und einem Programm zur Entwicklung ballistischer Raketen nehmen, die Israel und Europa bedrohen könnten. "Wenn das jetzt erfolgt von iranischer Seite, dann gibt es eine realistische Chance, und die müssen wir gemeinsam nutzen", sagt er mit Blick auf mögliche Verhandlungen über eine diplomatische Lösung zwischen Israel und dem Iran.

Deutschlands Einfluss ist allerdings begrenzt, auch das wird auf Wadephuls Reise deutlich. Die Bundesrepublik hat über Jahrzehnte die Region sicherheitspolitisch vernachlässigt und ist trotz ihrer Wirtschaftskraft kein Akteur, der den Staaten in der Region ordnungspolitisch Orientierung gibt. Ob Deutschland mittelfristig als Mittler in der gesamten Region ernst genommen werden kann, wird wahrscheinlich auch damit zusammenhängen, ob die Bundesregierung bereit ist, Kritik an Netanjahus Politik auch mit konkreter Politik zu unterfüttern.

Dabei ist die Sicherheit des Nahen und Mittleren und Ostens für Deutschlands Wirtschaft von großem Interesse. Der deutsche Außenminister werte seine Reise als ersten Aufschlag in einem längeren Prozess.

Schließlich mahlen die Mühlen der Diplomatie oft langsam, zu langsam mit Blick auf das Leid der Menschen im Nahen Osten. "Ich habe erreicht, dass es gemeinsam eine Auffassung davon gibt, dass eine Verhandlungslösung das Ziel sein muss. Und dass eine kriegerische Auseinandersetzung nur zu einer weiteren Eskalation führen kann", sagt Wadephul am Sonntag. Er weiß aber auch: "Wir sind da noch nicht."

Verwendete Quellen
  • Begleitung von Außenminister Johann Wadephul in den Oman
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