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Coronavirus-App des RKI: Was die neue Anwendung leisten kann


Mit Daten gegen Corona
Was die neue App des RKI leisten kann

Von Laura Stresing

Aktualisiert am 09.04.2020Lesedauer: 4 Min.
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Datenspende-App des Robert Koch-Instituts: Bürger können die Daten ihres Fitnesstrackers der Forschung zur Verfügung stellen.Vergrößern des Bildes
Datenspende-App des Robert Koch-Instituts: Bürger können die Daten ihres Fitnesstrackers der Forschung zur Verfügung stellen. (Quelle: Matthias Balk/dpa-bilder)

Lässt sich das Coronavirus per App bezwingen?

Etwa zehn Millionen Menschen in Deutschland besitzen einen Fitnesstracker oder eine Smart Watch – und haben damit seit dieser Woche ein besonderes Talent: Mit ihren Daten können sie dem Robert Koch-Institut (RKI) dabei helfen, das Coronavirus und seine Verbreitung in Deutschland zu erforschen.

Die Hightech-Armbänder messen mithilfe von Sensoren nämlich Körperdaten wie Puls, Temperatur und Schlafrhythmus. Sie zählen Schritte oder Aktivitätsminuten. Das RKI bittet die Bürger nun, diese Daten der Wissenschaft zu spenden. Dazu muss der Nutzer seinen Fitnesstracker nur mit einer am Mittwoch veröffentlichten App verknüpfen und auswählen, welche Daten er spenden möchte. Mehr dazu hier.

  • Die App im Apple App Store (iPhone)
  • (Android)

Die Präsentation der RKI-App hatte teilweise zu Irritationen geführt – es war nicht die „Corona-Killer-App“, die viele erwartet hatten. Forscher und Politiker hoffen schon seit Wochen auf eine App, die dabei helfen könnte, mögliche Kontakte von Infizierten ausfindig zu machen und zu warnen. Unter Experten gilt eine solche Contact-Tracing-App (diese Animation erklärt das Prinzip) als wichtiger Baustein für die viel zitierte Exit-Strategie, also die Zeit nach der ersten Infektionswelle, wenn die Kontaktsperre schrittweise gelockert werden und das Wirtschaftsleben weitergehen kann.

Die Datenspende-App wirkt vor diesem Hintergrund wie ein Trostpreis. Und sie wirft Fragen auf. Was erhofft sich das RKI von der Initiative? Wie soll der Pulsschlag von Tausenden Menschen dabei helfen, dem Coronavirus auf die Spur zu kommen?

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In der Krise zeigen die Deutschen Gemeinschaftssinn

Ein Punkt wird von den Forschern immer wieder betont: Das System kann nur brauchbare Daten liefern, wenn sich viele Menschen freiwillig daran beteiligen. Zumindest in dieser Hinsicht kann sich das RKI allerdings nicht beklagen. Bereits am ersten Tag wurden rund 160.000 Geräte in der App registriert. „Das ist für uns eine positive Überraschung. Mit so vielen Menschen haben wir nicht gerechnet“, verrät Dirk Brockmann im Podcast „Coronavirus-Update“ von NDR Info. Brockmann ist beim RKI für die Modellierung des Epidemieverlaufs zuständig.

Die hohe Datenspendebereitschaft der Deutschen sei vor allem vor dem Hintergrund überraschend, da der Einzelne überhaupt keinen Vorteil durch die Nutzung der App erfahre, so Brockmann. Denn ob der Nutzer oder irgendjemand in seiner Umgebung mit dem Virus infiziert oder bereits an Covid-19 erkrankt ist, kann unmöglich anhand von Fitnessdaten ermittelt werden.

Stattdessen fungiere das System als eine „Art Fieberthermometer für das ganze Land“. Ausschlaggebend ist hierbei vor allem der Ruhepuls. Dieser ist zwar von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Fitnesstracker sind jedoch in der Lage, für jeden Nutzer eine individuelle Baseline zu bestimmen und Abweichungen davon zu registrieren, zum Beispiel in Stresssituationen oder beim Sport.

Fieber als Covid-19-Indikator

Doch auch bei Fieber erhöht sich der Ruhepuls. Forschern aus den USA ist es bereits gelungen, anhand von Fitnessdaten die Entwicklung einer Grippewelle nachzuzeichnen. Auf diese Studienergebnisse stützt sich auch das RKI. Schließlich ist Fieber eines der häufigsten Symptome für Covid-19.

Wenn nun bei überdurchschnittlich vielen Menschen einer Region der Ruhepuls ansteigt und das über mehrere Tage hinweg, ließe sich das demnach als Indikator für einen möglichen Coronavirus-Ausbruch deuten. Natürlich kann die App nicht den Grund für das mutmaßliche Fieber feststellen. Es könnte auch die Grippe sein. Außerhalb der Saison sei die Verwechslungsgefahr allerdings gering, erklärt der Virologe Christian Drosten im Podcast. Insofern habe das RKI den Startzeitpunkt für die Datenspende-App klug gewählt.

Um jedoch für alle Regionen Deutschlands aussagekräftige Daten zu erhalten, müssen sich in jedem Postleitzahlbereich genug Menschen an dem System beteiligen. Unklar ist zudem, inwiefern die Teilnehmer einen Querschnitt durch die Bevölkerung darstellen und wie sich das auf die Datenqualität auswirkt.

Echtzeitdaten – aber kein Echtzeitgeschehen

Hinzu kommt, dass auch die Erkenntnisse aus den Fitnessdaten immer dem tatsächlichen Infektionsgeschehen hinterherhinken. Schließlich wissen wir bereits, dass Symptome wie Fieber nicht gleich zu Beginn der Krankheit auftreten, obwohl der Patient bereits ansteckend ist. Genau dieses frühe, unauffällige Stadium hat dazu beigetragen, dass sich das Virus vor der bundesweiten Kontaktsperre fast ungebremst verbreiten konnte.

Dieses Problem kann die Datenspenden-App nicht lösen. Die Forscher können damit „neue“ Corona-Hotspots nur rückwirkend identifizieren. Häufig dürften sich die betreffenden Patienten zu diesem Zeitpunkt bereits bei ihrem Hausarzt gemeldet haben. Bis jedoch Testergebnisse vorliegen und der Fall den Behörden gemeldet ist, vergehen einige Tage. Hier hat das Datenspende-System einen möglichen Geschwindigkeitsvorteil und kann die Meldedaten ergänzen. „All diese indirekten Methoden sind immer nur als ein Werkzeug in einem Werkzeugkasten zu betrachten“, räumt Brockmann ein. Für die Wissenschaft seien sie dennoch wertvoll.

Dem Virus einen Schritt voraus

Im Podcast deutet Brockmann an, dass weitere Datenspende-Projekte folgen könnten, beispielsweise für Menschen, die kein Fitnessarmband nutzen. „Die Idee war, zunächst ein System zu schaffen, das klar kommuniziert, dass Menschen Daten irgendwelcher Art spenden können, um diese Krise besser in den Griff zu bekommen.“ Der große Erfolg dieses „partizipatorischen Experiments“ weckt nun Hoffnungen, dass auch die für nach Ostern angekündigte Contact-Tracing-App viele bereitwillige Nutzer finden wird.

Aus Sicht des Virologen wäre eine solche App jedenfalls das „bevorzugte Werkzeug“. Mit der Nachverfolgung und Isolation von Infizierten und ihren Kontakten hofft man, dem Virus immer einen Schritt voraus zu sein, ohne die Privatsphäre der Nutzer zu verletzen. Doch das sind extrem hohe Erwartungen an eine Technologie, die erst noch entwickelt werden muss.

Verwendete Quellen
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