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TikTok: Außenminister Wadephul begeistert die Jugend im Netz


Außenminister Johann Wadephul
Er hat verstanden, wie der Hase läuft

  • Nicole Diekmann
MeinungEine Kolumne von Nicole Diekmann

28.05.2025 - 12:29 UhrLesedauer: 5 Min.
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Johann Wadephul: Der 62-jährige Außenminister brilliert auf TikTok und erreicht die Jugend authentisch. (Quelle: Thomas Imo/imago)
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Außenminister Johann Wadephul brilliert überraschend auf TikTok und erreicht die Jugend im Netz. Dagegen kämpft eine Jungpolitikerin mit sich selbst und einem Social-Media-Fauxpas.

Johann Wadephul ist ein freundlich auftretender, seit Amtsantritt emsig umherfliegender Außenminister. Und Johann Wadephul ist über 60. Das ist nicht etwa deshalb wichtig, weil Johann Wadephul klapprig auf den Beinen und den vielen Reisen deshalb womöglich nicht mehr gewachsen wäre. Nein, nein, quasi exakt das Gegenteil ist der Fall: Johann Wadephul, Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, CDU-Politiker, Jahrgang 1963, ist so modern, moderner geht kaum: Wadephul ist ein Knaller auf TikTok.

Nicole Diekmann
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Die Fernsehjournalistin Nicole Diekmann kennt man als seriöse Politikberichterstatterin. Ganz anders, nämlich schlagfertig und lustig, erlebt man sie auf X – wo sie über 120.000 Fans hat. Ihr Buch "Die Shitstorm-Republik" ist überall erhältlich. Bei t-online schreibt sie jeden Mittwoch die Kolumne "Im Netz". Mehr

Der Außenminister schafft das, woran viele andere deutsche, bürgerliche Politiker vor ihm schon krachend gescheitert sind. Das vielleicht berühmteste Beispiel: Olaf Scholz, dessen Team es für einen Kracher hielt, die Aktentasche des damaligen Kanzlers in den Mittelpunkt eines Clips zu stellen. Oder Christian Dürr, inzwischen Chef der inzwischen aus dem Bundestag geflogenen FDP. Als die FDP dort noch eine Fraktion stellte, deren Vorsitzender Dürr war, postete er ein Video, in dem er exzessiv mit Jugendsprache um sich warf. Das Schlimme: Niemand wusste so genau, ob Dürr die Chose ernst meinte oder nicht.

Johann Wadephul aber, der kann es. Man könnte fast meinen, TikTok wäre für ihn erfunden worden. Er bespielt den Kanal, auf dem sich die von den Parteien hart umkämpften, weil entweder schon jetzt oder aber demnächst wahlberechtigten jungen Leute informieren, mit allem, was dort zieht: starke Bilder, prägnante Musik, gestraffte Infos, lässige, aber konzentrierte Anmutung. Wadephul kommt gut rüber, ohne sich zu verstellen – und ohne sich zu blamieren.

Er beherrscht Social Media

Und dabei ist er auf den Bildern auch nur bei all dem zu beobachten, wobei jeder durchschnittliche Außenminister zu beobachten ist: Wadephul schüttelt Hände, steigt aus seinem Dienstwagen, sitzt in einem Flugzeug. Dazwischen: der Eiffelturm, ein Cockpit, ein paar Flaggen, ein Fernsehstudio. Alle diese Bilder und Filme dauern nur wenige Sekunden; sie sind schnell geschnitten. Dabei hört man Wadephul aus dem Off reden. Auch das: kein crazy heißer neuer Scheiß. Das ist Standard. Aber jetzt kommt's: Weder biedert Wadephul sich sprachlich der Zielgruppe an, noch versucht er, eine Geschichte zu erzählen. Geschweige denn, lobpreiset den Herrn, liest er etwas vor, das in Form, Inhalt und Entertainment-Level an eine Pressemitteilung erinnert. Wadephul spricht nicht mal vollständige Sätze; im Stakkato streut er Begriffe ein. Zum Beispiel die Stationen seiner ersten Reisen.

Das in Kombination mit seinem unaufdringlichen Minister-Äußeren (unauffälliger, gut geschnittener Anzug inklusive Krawatte) funktioniert erstaunlich gut. Es ist ein Genuss und auch eine große Erleichterung, zu sehen: ein Mitglied der Generation Silver Surfer zu sein, Mitglied einer konservativen Partei, ein hochrangiges Regierungsmitglied in geopolitisch äußerst angespannten Zeiten, kein Populist oder gar Extremist – all das muss kein Widerspruch sein zu einer überzeugenden Präsenz auf TikTok. Zeitgemäße Kommunikation muss nicht im Widerspruch stehen zu seriöser Kommunikation. Das ist die erfreuliche Sub-Botschaft.

Eine weitere lautet: Auch ältere Leute können Social Media beherrschen. Es ist, wie so oft, eine Frage der Beratungsoffenheit. Wer souverän genug ist, sich einzugestehen, dass er selbst vielleicht nicht unbedingt die Expertise mitbringt für die Darstellungsformen in den sozialen Medien und dann auch noch ein glückliches Händchen beweist bei der Auswahl seiner Berater, ist einen ganz entscheidenden Schritt weiter.

Und sie schießt nur Eigentore

Wie gut man in den sozialen Netzwerken unterwegs ist, ist keine Frage des Alters. Sondern eine Frage des Stils. Einen weiteren Beleg dafür, allerdings aus der Gegenrichtung kommend, liefert aktuell Jette Nietzard. Mit 26 Jahren könnte die Co-Chefin der Grünen Jugend locker Wadephuls Tochter sein. Ist sie nicht. Was sie auch nicht ist: So geschickt im Umgang mit den sozialen Netzwerken wie der 36 Jahre ältere Silver Surfer.

Auf den ersten Blick mag mein Urteil überraschen: Nietzard ist doch – mal wieder – in aller Munde, hat ihre Bekanntheit und damit auch ihre Reichweite gesteigert. Dieses Mal durch ein Instagram-Video, auf dem sie einen Pulli mit dem Aufdruck "ACAB" (“Alle Polizisten sind Bastarde”) trägt. "Wo ist also das Problem?", mögen Sie sich fragen. Oberflächlich gesehen haben Sie recht. Provokation zieht im Netz immer. Nicht nur Sex sells, sondern auch Krawall. Die Algorithmen lieben Krawall. So weit, so gut.

Aber: so weit, so Eigentor. Nein, in diesem Falle ist sogar der Plural angebracht. Gleich zwei Eigentore hat Nietzard geschossen, sieht man sich die Sache mal genauer an. Ihre einst vom Verfassungsschutz beobachtete Partei hat sich im Laufe der Jahre sehr um ein kritisches, aber gleichzeitig gutes Verhältnis zu den Sicherheitsbehörden bemüht. Einmal, um sich als bürgerliche Partei zu präsentieren. Und, auch nicht ganz unwichtig, weil Grünen-Politikerinnen genauso wie andere Personen des öffentlichen Lebens auf den Schutz auch durch die Polizei dringend angewiesen sind. Das steht in krassem Gegensatz zur pauschalen und intellektuell wie sprachlich eher primitiven Pullover-Message Nietzards.

Vermutlich geht es ihr nur um sich selbst

Nach öffentlicher, sehr deutlicher Kritik auch aus ihrer eigenen Partei ist sie nun ein bisschen zurückgerudert. Unter anderem mit der entweder sehr fadenscheinigen oder aber sehr naiven Aussage, sie habe den Clip als Privatperson gepostet und nicht geahnt, dass sie als Chefin der Grünen Jugend anders auffalle als andere Leute.

Weiß Nietzard es tatsächlich nicht besser? Schwer zu glauben, denn dann wäre sie nicht lernfähig. Dieser Post war nämlich kein Einzelfall, sondern steht in einer Reihe mit mehreren geschmacklosen Äußerungen in Social Media, die Nietzard nach anfänglichem Rumgeeier erklären, entschuldigen und durchaus auch schon löschen musste.

Oder aber: Will Nietzard es gar nicht anders? Denn entweder ist Jette Nietzard doch nicht so clever im Umgang mit Social Media und glaubt, was im Netz passiert, bleibt im Netz. Oder aber, zweite und vielleicht wahrscheinlichere Erklärung: Es geht Jette Nietzard weder um die Sache, noch geht es ihr um die Grünen.

Das ist Champions League gegen Kreisklasse

Vielleicht geht es Jette Nietzard schlicht und einfach nur um: Jette Nietzard. Um die eigene Markenbildung und Popularität. Dann ist sie eine Ego-Shooterin. Und zwar obendrein eine, die ihrer Partei schadet. Das ist nicht nur sozial inkompetent, sondern auch Social-Media-inkompetent. Aufmerksamkeit allein durch ständige Provokationen zahlt langfristig nicht ein beziehungsweise zahlt sich langfristig nicht aus. Fragen Sie mal Elon Musk, Stichwort: Einbruch der Tesla-Verkaufszahlen.

Der 62-jährige Außenminister und die 26-jährige Nachwuchspolitikerin. Sie beide trennen nicht nur politische Welten. Sondern das Talent für die sozialen Netzwerke. Da spielt Johann Wadephul in der Champions League und Jette Nietzard bestenfalls Kreisklasse. Die Welt steckt voller Überraschungen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Meinung
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