Ultraorthodoxe verlassen Regierung Netanjahus Mehrheit wackelt jetzt bedenklich

Die ultraorthodoxe Partei UTJ hat ihren Austritt aus Israels Regierung erklärt. Ministerpräsident Netanjahu hat damit nur noch hauchdünne Mehrheit.
In Israel hat die ultraorthodoxe Partei Vereinigtes Tora-Judentum (UTJ) am frühen Dienstagmorgen ihren Austritt aus der Regierungskoalition von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärt. Grund für den Austritt sei, dass ein Gesetzentwurf zur Befreiung von Tora-Studenten vom Militärdienst nicht angenommen wurde.
Am späten Montagabend hatte eine Fraktion der UTJ, Degel HaTorah, bereits den Austritt ihrer Abgeordneten verkündet. Insgesamt hatten einer Erklärung der UTJ zufolge sechs der sieben Mitglieder der Partei, die sich aus den Fraktionen Degel HaTorah und Agudat Jisrael zusammensetzt, ihren Austritt erklärt. Yitzhak Goldknopf, Vorsitzender der UTJ, war bereits vor einem Monat zurückgetreten. Ein Sprecher von Goldknopf bestätigte, dass insgesamt alle sieben UTJ-Knessetmitglieder somit die Regierung verlassen werden.
Ultraorthodoxe Abgeordnete der Knesset haben schon lange damit gedroht, aufgrund des lang anhaltenden Streits über die Ablehnung eines Gesetzentwurfs zur Befreiung von Tora-Studenten vom Militärdienst, die Koalition zu verlassen. Sie argumentierten stets, dass ein Gesetzentwurf zur Befreiung der Studenten ein zentrales Versprechen in ihrer Vereinbarung zum Beitritt zur Koalition Ende 2022 war. Degel HaTorah teilte in einer Erklärung mit, dass man sich nach Rücksprache mit den Oberrabbinern und nach den wiederholten Verstößen der Regierung gegen ihre Zusagen für den Austritt aus der Koalition entschieden habe.
Unklar, ob weitere Partei ebenfalls austritt
Wenn die UTJ wegbricht, hat Netanjahu nur noch eine hauchdünne Mehrheit von 61 Sitzen in der 120 Sitze zählenden Knesset, dem Parlament. Es war zunächst nicht klar, ob Shas, eine weitere ultraorthodoxe Partei, dem Beispiel der UTJ folgen wird. Sowohl Netanjahu als auch Finanzminister Bezalel Smotrich hatten bei der letzten Regierungsbildung ein neues Wehrpflichtgesetz zunächst ausgeschlossen, denn sie waren auf die Unterstützung der ultraorthodoxen UTJ und ihrer Schwesterpartei Shas angewiesen, die zusammen 18 Sitze in der 120 Sitze umfassenden Knesset haben.
Bislang jonglierte der Regierungschef zwischen ihrem Drängen auf Ausnahmen vom Wehrdienst und den Forderungen anderer Mitglieder seiner Regierung, die Ausnahmen in Kriegszeiten auszuschließen. Als die Koalition 2022 gebildet wurde, stimmte Netanjahu schließlich der Verabschiedung eines neuen Wehrpflichtgesetzes zu, das den Forderungen der Ultraorthodoxen entsprochen hätte.
Die jahrzehntelange Ausnahme für ultraorthodoxe Seminaristen von der allgemeinen Wehrpflicht war im vergangenen Jahr vom Obersten Gerichtshof gekippt worden. Das Gericht hatte entschieden, dass das Verteidigungsministerium diesen Personen keine pauschale Befreiung aus religiösen Gründen mehr gewähren darf und der Staat mit der Einberufung ultraorthodoxer jüdischer Studenten beginnen muss. Das Militär kündigte daraufhin an, jährlich etwa 3000 Ultraorthodoxe rekrutieren zu wollen.
Einberufung von 54.000 ultraorthodoxen jüdischen Studenten
Angesichts des Kriegs im Gazastreifen und weiterer Einsätze hatte das israelische Militär Anfang Juli dieses Jahres die politisch umstrittene Einberufung von 54.000 ultraorthodoxen jüdischen Seminarstudenten angekündigt. Es sollten zwar wegen religiöser Belange besondere Vorkehrungen getroffen werden, aber die Einberufung sollte laut Militär noch im Juli beginnen.
Der Militärdienst ist in Israel mit 18 Jahren für Männer und Frauen obligatorisch. Ultraorthodoxe Männer, die Vollzeit in Seminaren studieren, waren seit der Gründung des Staates im Jahr 1948 von der Wehrpflicht ausgenommen. Zahlreiche Versuche, sie einzuziehen, sind stets gescheitert. Allerdings lebten damals noch sehr wenige Ultraorthodoxe in Israel. Mittlerweile ist deren Bevölkerungsanteil auf 13 Prozent gestiegen.
- Nachrichtenagentur Reuters