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Vergleich mit Medikamenten: Wie gefährlich ist der Astrazeneca-Impfstoff?


Vergleich mit gängigen Medikamenten
Wie gefährlich ist der Astrazeneca-Impfstoff wirklich?

  • Ann-Kathrin Landzettel
InterviewVon Ann-Kathrin Landzettel

Aktualisiert am 23.04.2021Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Impfung: Thrombosefälle und das seltene Clarkson-Syndrom stehen mit dem Impfstoff von Astrazeneca in Verbindung.Vergrößern des Bildes
Impfung: Thrombosefälle und das seltene Clarkson-Syndrom stehen mit dem Impfstoff von Astrazeneca in Verbindung. (Quelle: Pyrosky/getty-images-bilder)

Das Vakzin von Astrazeneca muss derzeit einiges an Kritik einstecken. Doch wie bedenklich sind die Reaktionen nach der Impfung im Vergleich zu Nebenwirkungen von herkömmlichen Medikamenten? Eine Expertin klärt auf.

Mehrere Fälle von Blutgerinnseln im Gehirn nach Impfungen mit Astrazeneca verunsichern viele Menschen. Das Thema Nebenwirkungen rückt verstärkt in den Fokus – auch in Hinblick auf Medikamente, die ganz selbstverständlich in unserem Badschrank stehen. Doch ein direkter Risikovergleich hinkt, weiß Annekathrin Schrödl, Apothekerin und Medical Writerin der Unabhängigen Patientenberatung Deutschlands (UPD).

t-online: Der Impfstoff von Astrazeneca, nun umbenannt in Vaxzevria, wird mit einem erhöhten Thromboserisiko in Verbindung gebracht. Als wie kritisch schätzen Sie das Risiko tatsächlich ein?

Annekathrin Schrödl: Eine sehr seltene, aber schwere Impfkomplikation des Astrazeneca-Impfstoffes ist eine besondere Form von Thrombosen (Sinusvenenthrombose) in Zusammenhang mit einer Störung der Blutgerinnung (Thrombozytopenie). Diese Komplikation ist so selten, dass sie erst nach Millionen Impfungen auftrat. Als Reaktion auf die neuen Erkenntnisse wurden die Impfungen mit dem Astrazeneca-Impfstoff vorübergehend pausiert und die Impfempfehlungen angepasst.

Die Effektivität der Astrazeneca-Impfung ist gut und sie ist ein wichtiger Teil der Pandemiebekämpfung. Aus diesem Grund empfiehlt die Europäische Arzneimittelbehörde (Ema) die Impfung für alle Altersgruppen ab 18 Jahren – trotz der sehr seltenen beobachteten Sinusvenenthrombosen. Der Nutzen der Impfung überwiegt in der Regel dem Risiko, eine Sinusvenenthrombose zu entwickeln.

Annekathrin Schrödl ist Apothekerin und Medical Writerin der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) in Berlin. Die Expertin weiß aus ihrer Arbeit bei der UPD: Fragen rund um die Covid-19-Impfungen sind aktuell ein intensives Beratungsthema.

Wer kann sich mit Astrazeneca impfen lassen, ohne ein erhöhtes Komplikationsrisiko zu haben?

In Deutschland wird die Astrazeneca-Impfung von der Ständigen Impfkommission (Stiko) für Personen ab einem Alter von 60 Jahren empfohlen. Bei Personen über 60 Jahren wurde kein vermehrtes Auftreten der Sinusvenenthrombosen beobachtet.

Deswegen ist es wichtig, dass die ältere Patientengruppe, für die kein erhöhtes Risiko besteht, nun die Impfungen mit Astrazeneca auch wahrnimmt und nicht die Impfungen mit den anderen Impfstoffen für die Jüngeren blockiert.

Was raten Sie verunsicherten Menschen, die mit Astrazeneca geimpft werden sollen, aber Sorge haben?

Häufig fragen uns Patientinnen und Patienten, was bei einer Gerinnungsstörung zu beachten ist. Es ist zwar verständlich, dass sich Personen mit Gerinnungsstörungen Sorgen machen. Bislang ist dies jedoch nicht wissenschaftlich begründet.

Es wurden noch keine spezifischen Risikofaktoren für das Auftreten der Sinusvenenthrombosen nachgewiesen. Der Zusammenhang wird weiter untersucht. Es handelt sich um eine besondere Form der Thrombosen, die vorrangig bei Frauen unter 55 Jahren aufgetreten ist. Erst nach der Zulassung, als mehrere Millionen Personen geimpft wurden, war die seltene Nebenwirkung überhaupt erst erfassbar.

Diese Komplikation ist also eine sehr seltene Ausnahme, die – wenn man sie erkennt – auch gut behandelbar ist. Eine Impfentscheidung ist allerdings immer eine individuelle Risiko-Nutzen-Einschätzung. Wie hoch der individuelle Nutzen der Verhinderung einer Covid-Erkrankung in Bezug auf das Risiko einer Impfung eingeschätzt wird, besprechen Personen am besten mit Ihren behandelnden Ärzten und Ärztinnen.

Fieber, Kopfschmerzen, Schüttelfrost: Wie bedenklich sind Impfreaktionen nach der Corona-Impfung? Und haben andere Impfungen ein ähnlich hohes Risiko?

Ganz grundsätzlich muss man bei Impfungen zwischen Impfreaktionen – also vorübergehenden Beschwerden durch die Reaktion des Immunsystems – und Impfkomplikationen unterscheiden. Die unangenehmen, aber harmlosen Impfreaktionen scheinen bei den Covid-19-Impfstoffen häufiger aufzutreten als bei anderen Impfstoffen.

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Wenn möglich, planen Personen an dem Tag nach der Impfung keine großen Aktivitäten. Zu den gängigen lokalen Nebenwirkungen zählen Reaktionen an der Einstichstelle, zum Beispiel eine Schwellung oder Schmerzen. Vorübergehende, aber unangenehme Nebenwirkungen sind unter anderem Fieber, Kopfschmerzen und Müdigkeit. In der Regel sind diese Impfreaktionen normal und zeigen, dass die Impfung wirkt und das Immunsystem reagiert.

Bei welchen Impfreaktionen sollten Personen nach der Impfung mit Astrazeneca einen Arzt aufsuchen?

Bei Symptomen, die einer Grippe ähnlich sind, müssen sich Personen in der Regel keine Sorgen machen. Sollten jedoch zeitverzögert Kopfschmerzen auftreten oder die Kopfschmerzen über mehrere Tage anhalten und nicht auf gängige Schmerzmittel ansprechen, sprechen Patienten und Patientinnen am besten mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin über den zeitlichen Zusammenhang der Beschwerden und der Impfung mit Astrazeneca.

Aber auch bei neu auftretenden Symptomen wie kleinen Hautblutungen, Schwindel oder Problemen beim Sehen ist es sinnvoll, einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen. Die Ärzte und Ärztinnen können beispielsweise mithilfe eines Blutbildes bestimmen, ob eine Thrombose und/oder eine Thrombozytopenie vorliegen. Wenn ein zeitlicher Zusammenhang mit der Impfung besteht, sollte in der Regel kein Heparin gegeben werden und ein Test auf Autoantikörper erfolgen.

Einige Medikamente in der Hausapotheke bergen ebenfalls ein erhöhtes Thromboserisiko, etwa die Antibabypille. Bei Schmerzmitteln sind ebenfalls erhebliche Gesundheitsrisiken bekannt. Sind Medikamente aus der Hausapotheke gefährlicher als der Corona-Impfstoff?

Ein Vergleich mit anderen Medikamenten ist hier nicht möglich. Bei Medikamenten der Hausapotheke werden in der Regel keine Sinusvenenthrombosen mit Thrombozytopenie beobachtet.

Die Antibabypillen, vor allem die der neuesten Generation, führen bei circa 10 von 10.000 Frauen zu Thrombosen. Thrombose ist allerdings nicht gleich Thrombose. Ein genereller Risikovergleich ist schwierig. Ein Impfstoff ist etwas anderes als Medikamente der Hausapotheke, etwa ein Schmerzmittel. Es gibt keine Daten, die auf einen Zusammenhang zwischen Medikamenten der Hausapotheke und dem Auftreten von Sinusvenenthrombosen schließen lassen.

Aber klar ist: Medikamente aus der Hausapotheke können gesundheitliche Risiken bergen. Die Wahrscheinlichkeit für Nebenwirkungen sind aus der jeweiligen Packungsbeilage ersichtlich. Aufgrund dieses Risikos sollen frei verkäufliche Arzneimittel generell nur in akuten Situationen und nie dauerhaft ohne Rücksprache mit einem Arzt oder einer Ärztin eingenommen werden.


Wie ist es zu erklären, dass die möglichen Nebenwirkungen von Astrazeneca so stark kritisiert werden, frei verkäufliche Medikamente mit einem hohen Risiko für ernste Nebenwirkungen aber problemlos in Apotheken erhältlich sind?

Die Medikamente der Hausapotheke sind gut untersucht. Mögliche Nebenwirkungen sind bekannt und im Beipackzettel aufgeführt. Entsprechend werden Dosierempfehlungen und Warnungen die Einnahme betreffend ausgesprochen.

Die Corona-Impfstoffe hingegen sind neu. Deswegen ist die Aufmerksamkeit dahingehend so groß. Die Pandemie endet, wenn sich genug Menschen impfen lassen oder die Erkrankung durchgestanden haben. Dann ist ein Großteil der Bevölkerung gegen das Virus immun (sogenannte Herdenimmunität). Die ganze Welt schaut aus diesem Grund auf die Covid-19-Impfstoffe.

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Neue Impfstoffe durchlaufen einen vorgeschriebenen Zulassungsablauf mit anschließender Sicherheitsprüfung. Anhand der aktuellen Diskussionen sehen wir, dass unsere Sicherheitssysteme funktionieren und schon auf eine sehr kleine Anzahl von Komplikationen hinweisen.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Schrödl.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Annekathrin Schrödl
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