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Mythos Fleischbrühe – was ist dran?


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Heiß und kraftvoll: Diese Brühe hat Power

Uwe Kauss

Aktualisiert am 22.02.2017Lesedauer: 4 Min.
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Fleischbrühe liegt wieder im Trend. Ein Profi-Koch gibt Tipps, wie man die Leckerei ganz einfach selber herstellt.Vergrößern des Bildes
Fleischbrühe liegt wieder im Trend. Ein Profi-Koch gibt Tipps, wie man die Leckerei ganz einfach selber herstellt. (Quelle: Uwe Kauss)

Die gute alte Fleischbrühe ist zurück! Lange war sie fast vergessen, doch seit

Die Hipster in Manhattan haben nach Craft Beer, Mate und Green Smoothies einen neuen Trend entdeckt: die gute, alte Fleischbrühe. Wer im edlen East Village wohnt, reiht sich in die lange Warteschlange vor dem Laden von Marco Canora ein .Er verkauft dort – na klar, im To-Go-Pappbecher – drei selbst produzierte Brühen und na klar, auch eine vegetarische Suppe. Der Name lautet passend und italienisch "Brodo", auf Deutsch: Brühe. Umgerechnet etwa vier Euro kostet ein kleiner Becher mit etwas mehr als 0,2 Liter. Der Grund für diesen Erfolg ist der Trend zur Paleo-Ernährung, deren Konzept auf den vermuteten Essgewohnheiten in der Altsteinzeit bis vor etwa 15.000 Jahren beruht.

Essen wie zur Steinzeit

Die Grundannahme der Paleo-Protagonisten lautet: Unser Gencode stammt noch aus der Zeit vor der Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht, doch unsere Ernährung hat sich drastisch verändert. Das führe zu Krankheiten, Allergien und mehr. Das Gegenrezept lautet: jede Menge Fleisch und Fisch, dazu Pilze, Beeren, viel Obst, wenig verarbeitete Kohlenhydrate und kaum Salz. Das soll Energie liefern, den Körper und das Immunsystem stärken. US-Stars wie Gwyneth Paltrow, Miley Cyrus, Megan Fox und Tom Jones haben das Ernährungskonzept bejubelt – und schon ist ein kulinarischer Trend am Start. Daher ist nun auch die gute, alte Brühe wieder voll im Trend - auch in Deutschland. Beispielsweise wird der "T-Bone-Tea" des Anbieters gourmetfleisch.de aus Fleischextrakt und Gewürzen einfach wie ein Teebeutel mit kochendem Wasser in der Tasse aufgegossen und getrunken.

"Knochenbrühe to go"

Im Glas nach Hause geschickt wird "Brox", eine nach dem Paleo-Prinzip zubereitete Rinderknochenbrühe, die auch in biologisch abbaubaren Bechern etwa im Berliner "Knochenbrühe To-Go-Store" serviert wird. Das ist allerdings kein ganz günstiges Vergnügen: Sechs Beutel "T-Bone Tea" in einer schick gestalteten Blechdose kosten 14,90 Euro, ein Glas Brox-Knochenbrühe mit 580 ml ist für rund acht Euro zu haben.

Paleo hin oder her: Gute Brühe schmeckt, sie wärmt, enthält viel Calcium, Magnesium und Phosphor und soll durch seine Aminosäurenverbindungen entzündungshemmend wirken. Es heißt zudem, Hühnerbrühe würde gegen Erkältung helfen – ein uralter Mythos, für den es keine Belege gibt. Sie tut gut, und das hilft mental ja auch schon eine Menge. Doch kulinarisch gibt es da einen feinen Unterschied, erklärt der Profikoch Claus Fischer, der viele Jahre in den Küchen renommierter Sterne-Restaurants arbeitete und heute die Kochschule "Sternekochclub Deutschland" in Offenbach betreibt: "Die traditionelle Fleischbrühe wird aus Rind- oder Kalbfleisch gekocht, die durch Reduktion und die richtigen Zutaten im Geschmack intensiviert wird", erklärt er, "die Paleo-Knochenbrühe ist dagegen in der Profiküche nur ein Grundlagenprodukt für Saucen und Suppen. Sonst nichts. Ich nutze Knochenbrühe, um mit Suppenfleisch und Wurzelgemüse eine richtig gute Fleischbrühe anzusetzen."

Intensives Umami-Aroma

Denn der Name ist Programm: Knochenbrühe besteht aus Rinder- oder Kalbsknochen, an denen noch etwas Fleisch haftet. Sie werden mit Wasser und Wurzelgemüse lange und sachte gekocht – bei Brox sind es sogar 16 Stunden. Damit löst sich das Kollagen komplett aus den Knochen und erzeugt ein intensives Umami-Aroma. Als Profikoch Fischer die heiße Brox-Brühe in seiner Küche probiert, schüttelt er den Kopf: "Da legt sich nur ein dicker Umami-Film auf den Gaumen, der die Geschmacksknospen belagert und die anderen Noten überdeckt. Ich kann damit nichts anfangen. Paleo-Fans werden es aber lieben." Das ausgekochte Kollagen sei übrigens der wichtigste Bestandteil eines guten Klebers aus alter Zeit, erzählt Fischer. "Mit Knochenleim hat man Musikinstrumente wie Geigen oder Gitarren gebaut."

So gelingt die Knochenbrühe

Um Knochenbrühe mit mehr Aroma zu produzieren, empfiehlt er sein Rezept: 1,5 Kilogramm Rinds- oder Kalbsknochen – am besten aus dem Hals oder den Waden – in einen großen Topf füllen und mit etwa einem Liter Wasser auffüllen. "Die Knochen müssen bedeckt sein." Nun einmal kurz aufkochen lassen und das Wasser weggießen, um die Schmutzbestandteile zu entfernen. Die gleiche Menge kaltes Wasser auffüllen – "es ist wichtig, dass es nicht warm ist" - zum Kochen bringen und eine Stunde ohne Zutaten simmern lassen. In der Zwischenzeit eine Stange Lauch, ein oder zwei große Karotten und eine halbe Sellerieknolle grob hacken. Eine ungeschälte Zwiebel halbieren und die Schnittflächen ohne Öl in einer beschichteten Pfanne fast schwarz anbräunen. Danach mit Lorbeerblättern, Nelken, ein paar Piment– und Pfefferkörnern zugeben und weitere 1,5 Stunden kochen lassen. "Das gibt eine tolle, goldgelbe Farbe mit viel Geschmack und ein wenig Raucharoma." Danach die Knochen sowie das Gemüse entfernen und die Brühe eine zeitlang reduzieren, um mehr Geschmack zu erhalten.

Erst zum Schluss wird gesalzen

Das Rezept für Fleischbrühe ist identisch mit dem der Knochenbrühe, allerdings kommt anstelle der Knochen ein 600 Gramm schweres Stück Suppenfleisch in den Topf. Aufgefüllt wird mit Wasser – oder der Knochenbrühe. Wer eine doppelte Kraftbrühe kochen will, gibt mehr Fleisch dazu – etwa zwei Kilo für einen Liter Brühe, sagt Fischer. Mit Fleisch seien die Aromen der Brühe viel differenzierter, man könne beim Reduzieren gut mit Aromen arbeiten – etwa mit einem Schuss Madeira, verschiedenen Pfeffersorten oder anderen Gewürzen. Doch Achtung: Erst zum Schluss wird gesalzen. Nun passiert Fischer die Brühe durch ein Passiertuch, in dem zwei Stängel abgezupfte Petersilie und ein wenig Muskat liegen. Der Geschmackstest beweist: Die Brühe hat eine tolle Kraft, die aber die Aromen nicht überdeckt – im Gegenteil. Sie lässt sich hervorragend einige Tage im Kühlschrank aufbewahren oder portioniert einfrieren.

"In der Profiküche wird das Fleisch grob durch den Wolf gedreht, damit es komplett auskochen kann. Danach muss man es aber wegschmeißen." Zuhause sei es sinnvoller, das Stück nicht zu zerschneiden – und daraus später ein tolles Gericht zu zaubern. Fischer empfiehlt: "Man kann das Stück heiß aufschneiden und mit einer Sauce aus frischem Meerrettich servieren, man kann einen wunderbaren Fleischsalat daraus machen oder die kalten, dünnen Scheiben aufs Brot legen. Wegwerfen wäre jedenfalls eine Schande."

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