Albtraum von Schwangeren Wenn sich die Nabelschnur um den Hals wickelt
Die Nabelschnur, die sich um den Hals des Babys gewickelt hat und dieses zu erdrosseln droht, gehört zu den Horrorszenarien in den Köpfen von Schwangeren. Besonders, wenn es sich um ein sehr aktives Baby handelt. Grund zur Sorge besteht aber nur in den wenigsten Fällen.
Die Nabelschnur ist ein Meisterwerk der Natur. Durch sie ist das Baby mit der Plazenta verbunden, muss weder atmen noch schlucken und wird trotzdem mit allem Lebensnotwendigen versorgt. Frisches Blut mit Sauerstoff und Nährstoffen kommen von der Mutter, Abfallstoffe werden über die Nabelschnur wieder entsorgt. Zusätzlich dient sie dem Baby als eine Art Spielzeug. Es greift nach ihr, lutscht daran, erforscht sie mit allen Sinnen.
Das Ungeborene turnt an der "langen Leine"
Die Nabelschnur besteht aus einer Substanz, die man die Whartonsche Sulze nennt. Das ist wie ein Gelee, das die wichtigen Blutgefäße im Inneren vor Druck und auch vor dem Abknicken schützt. Sie hat bei einem gesunden Baby am Ende der Schwangerschaft eine Länge von bis zu 60 Zentimetern und einen Durchmesser von bis zu zwei Zentimetern.
Die Länge und der spiralförmigen Aufbau der Nabelschnur ermöglichen es dem Baby, sich in der Gebärmutter beliebig zu drehen und zu wenden. Selbst für Purzelbäume ist genug Spielraum. Und diese "lange Leine" braucht das Ungeborene auch, um seine für Lernerfahrungen so wichtigen Turnbewegungen im Mutterleib zu machen. Interessanterweise scheint die Nabelschnur umso länger zu sein, je aktiver das Ungeborene ist.
Jedes dritte Neugeborene hat eine Kette aus Nabelschnur
Oft hört man von Babys, die mit der Nabelschnur um den Hals geboren wurden und vom Schrecken der frischgebackenen Eltern. Dabei kommt das häufiger vor als man denkt: Jedes dritte Baby hat die Nabelschnur in irgendeiner Form um sich herumgewickelt. Doch passieren kann so schnell nichts.
Das liegt zum einen an der besonderen Substanz, aus der das Gewebe gemacht ist und die vor Zug und Druck schützt. Zum anderen daran, dass das Baby, solange es mit der Nabelschnur verbunden ist, auf diese Weise mit Sauerstoff versorgt ist und zum Atmen weder Nase noch Mund braucht. Außerdem ist die Schnur lang genug, um auch dann, wenn das Kind sie sich um den Hals gewickelt hat, noch genügend Bewegungsspielraum zu lassen.
Ein Ultraschallspezialist kann Zweifel ausräumen
"Nur sehr selten kommt es schon in einer Schwangerschaft zu einer Strangulation - wenn allerdings, dann kann das auch zum intrauterinen Fruchttod führen", erklärt die Erlanger Hebamme Roswitha Glimm. "Im Ultraschall kann die Nabelschnur nur teilweise dargestellt werden. Eine Umschlingung ist kaum erkennbar."
Die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin empfiehlt in Zweifelsfällen die Untersuchung bei speziell ausgebildeten Ärzten, die nach DEGUM Qualifikationsstufe II arbeiten. Sie können mithilfe eines Farbdopplerultraschalls feststellen, ob das Baby wirklich die Schnur um den Hals trägt und wie oft es sich umwickelt hat.
Um ganz sicher zu gehen, dass es in einem solchen Fall dem Baby trotzdem gut geht, wird von Ärzten meist gegen Ende der Schwangerschaft häufiger ein CTG durchgeführt. Ist die Umschlingung wirklich zu heftig und könnten tatsächlich Probleme entstehen, dann wird man zu einem Kaiserschnitt raten.
Während der Geburt kann es zu kritischen Situationen kommen
Es kann vorkommen, dass sich die Nabelschnur auch mehrfach um den Hals wickelt. Ist sie zusätzlich besonders kurz, dann wird es schon kritischer - vor allem während der Geburt. Denn so kann es im schlimmsten Fall tatsächlich zu einer verminderten Sauerstoffzufuhr kommen.
"Bei einer Nabelschnurumschlingung kann es zu Kompressionen kommen, das zeigt sich dann in der Regel an der Herztätigkeit des Kindes. Herztonabfälle können auf eine Nabelschnurkomplikation hinweisen", erklärt Glimm. Das muss nicht einmal eine Umschlingung sein, es kann sich auch um eine zu kurze oder zu dünne Nabelschnur handeln. Oder aber um eine, in der ein Knoten ist.
"Ist das CTG während der Geburt auffällig, wird das Baby kontinuierlich überwacht, damit man bei einer Verschlechterung seines Zustandes entsprechend reagieren kann", so Glimm. Wenn es sein muss, kann die Geburt mit einem Kaiserschnitt schnell beendet werden.
"Aber ich habe in den letzten Jahrzehnten auch schon Babys gesund und auf normalen Weg entbunden, die mit einer dreifachen Nabeschnurumschlingung auf die Welt kamen. Wir konnten das erst bei der Geburt des Köpfchens erkennen. Diese Säuglinge waren nicht einmal gestresst", sagt die Hebamme. Die Nabelschnur wird dann vorsichtig abgewickelt und darf auspulsieren.
Beckenendlage birgt mehr Gefahr
Laut Klinikum Nürnberg liegen etwa fünf Prozent aller Babys am errechneten Termin in Beckenendlage. Sie wollen also mit dem Po voraus auf die Welt. Gerade bei dieser Position beobachtet man häufig, dass die Kinder die Nabelschnur auch mehrmals um den Hals gewickelt haben - nicht selten der Grund für die Beckenendlage.
Schwierig wird es, wenn das Kind sich aus dieser Lage herausdrehen möchte. Aber auch hier hängt es davon ab, wie straff die Nabelschnur gespannt ist. Man geht davon aus, dass es die Ungeborenen in vielen Fällen schaffen, sich die Schnur bei einer spontanen Wendung über den Kopf zu streifen.
Bestehen Zweifel, dann entscheidet man sich bei einer Beckenendlage häufig zum Kaiserschnitt, um einer möglichen mangelnden Sauerstoffversorgung des Kindes vorzubeugen. Denn die Nabelschnur könnte länger komprimiert werden als bei der klassischen Geburtslage mit dem Kopf voran.
Eltern besser aufklären
Eltern, die gerade eine Geburt erleben, reagieren oft sehr empfindlich. Sie sind aufgewühlt, stecken mitten in einer emotionalen Achterbahn und möchten nur eines: ihr Kind gesund wissen. Da können aufgeschnappte Gesprächsfetzen über um den Hals gewickelte Nabelschnüre oder Sauerstoffmasken einen Riesenschrecken auslösen.
"Würden alle Hebammen und Ärzte die Eltern sensibel und genau aufklären, dann würde das viele Unsicherheiten und Ängste schmälern oder gar nicht erst entstehen lassen. Doch letztendlich gehört auch eine Portion Vertrauen dazu, denn allen ist die Geburt eines gesunden Kindes das Wichtigste." Roswitha Glimm rät werdenden Eltern, gut vorbereitet zur Geburt zu kommen. Denn wenn man die Schwangerschaft und den Geburtsvorgang versteht, erklärt sich manches von selbst.