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"E-Autos sind Batterien auf vier Rädern": Ausbau der Ladeinfrastruktur


Neue Herausforderungen
"Beim Laden von E-Lkw darf nichts schiefgehen"

  • Christopher Clausen Porträt
InterviewVon Christopher Clausen

10.10.2023Lesedauer: 8 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Elektro-Lkw-Studie von MANVergrößern des Bildes
Herausfordernd: Die Ladeinfrastruktur für elektrische Lkw hat besondere Anforderungen. (Quelle: Hersteller-bilder)

Wie geht es mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos voran und was passiert, wenn auch noch Lkw mit Strom fahren? Ein Experte gibt Einschätzungen.

E-Autos sind immer noch umstritten: Fast 60 Prozent der Deutschen können sich einer NDR-Umfrage aus dem Sommer zufolge nicht vorstellen, jetzt einen Stromer zu kaufen. Die Gründe sind vielfältig: zu hoher Preis, zu geringe Reichweite – und zu wenig Ladestationen. Die Angst, nicht am Ziel anzukommen oder nur mit großer Verspätung, sitzt tief. Gleichzeitig wird die Elektromobilität immer mehr zur Realität: Der Markt wächst ebenso wie das Angebot, und spätestens 2035 soll in der EU Schluss sein mit dem Verkauf neuer Verbrenner. Hinzu kommen auch noch Lkw, die den Schwerlastverkehr sauberer und leiser machen sollen.

Was sich am Ladenetz ändern muss und wie Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern in puncto Netzausbau dasteht, schätzt Nicolai Woyczechowski vom Unternehmen Virta ein.

t-online: Der Lkw-Verkehr soll in Zukunft auf E-Mobilität umsteigen. Angesichts der benötigten Strommengen und der Infrastruktur dürfte dies noch eine deutlich größere Herausforderung werden.

Nicolai Woyczechowski: Dieses Segment gerät immer mehr in Bewegung. Betonunternehmen, Stahlunternehmen, Logistikketten gehören zu den Interessenten. Wir haben im ersten Halbjahr zwei Unternehmen als Kunden, bei denen es eine klare Routenplanung gibt: Die Lkw fahren maximal 200 Kilometer von einem Werk zur Halde, von der Halde zum Werk. Und an dem Werk gibt es unterschiedliche Fuhrunternehmen. Das heißt, sie müssen nicht nur Ladeinfrastruktur anbieten, sondern auch unterschiedliche Abrechnungssysteme, damit sie korrekt abrechnen können.

Große Lkw-Anbieter wie Scania oder Daimler Trucks haben ihre Fahrzeuge mittlerweile in der Serienproduktion, die Lieferzeiten werden immer kürzer. Die Stadtwerke München haben kürzlich 90 E-Busse bestellt. Natürlich muss hier viel investiert werden, aber die technischen Lösungen gibt es bereits.

Aber solche Fahrzeuge fahren nur kurze Strecken. Langstrecken-Lkw haben ja noch ganz andere Herausforderungen. Mercedes hat gerade einen Lkw vorgestellt, der 500 Kilometer weit mit einer Batterieladung fährt.

Ja, das ist wirklich herausfordernder. Man muss Ineffizienz in Kauf nehmen durch längere Stand- und Ladezeiten. Auch die Routen müssen anders geplant werden. Auch an den Ladepunkten braucht man Hochspannung, das wiederum bedarf eines guten Lademanagements. Nicht alle Trucks, die an einem Parkplatz ankommen, brauchen immer sofort die volle Leistung, sondern sie können die ganze Nacht laden. Verlässlichkeit ist in der Logistik ein extrem wichtiges Thema. Beim Laden darf nichts schieflaufen, weil der Fahrer im Zweifelsfall eine kritische Route hat. Daher sind wir als Anbieter von digitalen Ladelösungen hier besonders gefordert.

Nicolai Woyczechowski
Nicolai Woyczechowski (Quelle: Virta)

Über den Gesprächspartner

Nicolai Woyczechowski (40) ist seit sechs Jahren Geschäftsführer und Vertriebsleiter bei der Virta International GmbH für die Region DACH und CEE plus Griechenland und die Türkei. Das Unternehmen wurde 2013 in Helsinki, Finnland, gegründet. Seit 2016 gibt es das Büro in Berlin.

Virta ist die am schnellsten wachsende Plattform für das Laden von Elektrofahrzeugen in Europa und bietet Zugang zu über 400.000 Ladepunkten. Mit seinen Lösungen für das Energiemanagement und Vehicle to Grid (V2G) hat sich Virta zum Ziel gesetzt, E-Mobilität und Energiesysteme in einem einzigen Ökosystem zu integrieren.

Die Förderung für Photovoltaikanlagen für E-Auto- und Eigenheimbesitzer wurde kürzlich nach wenigen Stunden gestoppt, weil der Fördertopf von 300 Millionen Euro für dieses Jahr leer war. Ist die hohe Nachfrage ein Zeichen dafür, dass E-Mobilität in den Köpfen der Menschen angekommen ist?

Definitiv. Ich glaube, dass auch die 200 Millionen, die dann ab Januar zur Verfügung stehen werden, auch innerhalb eines Tages abgegriffen sein werden. Trotz berechtigter Kritik daran, dass die Förderung nur eine bestimmte Klientel trifft: Für die Branche und die Technologie ist das ein klares Zeichen, dass die Nachfrage da ist und wir dringend Autos, Photovoltaikanlagen und den Wechsel zu E-Autos brauchen.

Der Fokus liegt bei dem Förderprogramm auch darauf, Solarstrom und Energiespeicherung für private Haushalte miteinander zu verbinden. Ein sinnvoller Ansatz?

Parkende Elektroautos sind eine große Batterie auf vier Rädern. Denn sie haben täglich eine genauso lange Standzeit wie Diesel oder Benziner. Diese Zeit können wir nutzen, um E-Autos als Zwischenspeicher für Solar- und Windstrom zu nutzen. Aus der Batterie lässt sich der Strom wieder einspeisen, wenn er im Netz benötigt wird. So kann man Schwankungen im Netz verhindern.

Was bringt das für private Haushalte?

Eine durchschnittliche E-Auto-Batterie ist 80 Kilowatt groß. Ein durchschnittliches Einfamilienhaus hat grob gerechnet einen Verbrauch von zehn Kilowattstunden am Tag. Das heißt, mit der Energie aus dem Akku könnte man eine Woche lang ohne externe Stromzufuhr auskommen, wenn man das Auto nicht bewegt. Und in der Zwischenzeit lädt die Photovoltaikanlage wieder Energie nach. Man ist also viel unabhängiger von den Stromanbietern und zahlt weniger Stromkosten. Und durch das Einspeisen kann man sogar Geld verdienen – ohne Energiespeicher würde der ungenutzte Strom einfach "verpuffen".

Das lässt sich auch auf Unternehmen übertragen: Wenn die Fahrzeugflotte nachts steht, können die Fahrzeuge als Energiespeicher dienen und den Strom bei Bedarf gegen Geld einspeisen. Dafür braucht es entsprechende Lösungen, um das zu verrechnen. Daran arbeiten wir mit unserem Unternehmen.

Gleichzeitig würde einer Umfrage zufolge fast die Hälfte der jetzigen E-Auto-Besitzer kein neues Elektrofahrzeug kaufen. Vor allem wegen schlechter Erfahrungen beim Laden des Akkus. Welche Hebel sehen Sie, um die Zufriedenheit zu steigern?

Die Frage ist: Was genau ist der Frust? Wurde die Ladesäule nicht gefunden, weil sie vielleicht an der Rückseite eines Hotels aufgebaut ist? Oder liegt es daran, dass es eine alte Ladesäule ist und man nicht weiß, wie man den Ladevorgang startet? Oder ist die Lademöglichkeit von einem anderen Auto zugeparkt? Unsere Analysen haben gezeigt, dass vor dem eigentlichen Ladevorgang das meiste Frustpotenzial herrscht, also beim Auffinden der Ladesäule oder bei der Frage, welcher Stecker zuerst eingesteckt werden muss. Während des Aufladevorgangs und danach gibt es in der Regel die wenigsten Probleme.

Nachholbedarf gibt es vor allem im Bereich des öffentlichen Ladens. Aber auch da verbessert sich die Situation. Beispielsweise muss es künftig an allen öffentlichen Ladepunkten die Möglichkeit geben, mit Kreditkarte bezahlen zu können.

Wie steht es um das nicht öffentliche Laden, also zu Hause oder am Arbeitsplatz?

Wir gehen sehr stark davon aus, dass der Großteil der Ladevorgänge in Zukunft im privaten oder beruflichen Umfeld stattfinden wird, wahrscheinlich mehr als zwei Drittel. In diesen Fällen entstehen zum Beispiel Probleme der Auffindbarkeit oder die Frage nach dem Start des Ladevorgangs nicht. Auch hier wird es weitere Verbesserungen geben. Nehmen wir das Thema "Plug and Charge": Demnächst muss man nicht mehr seine Karte vor die Ladestation halten oder mit einer App den Ladevorgang starten. Wie bei Tesla-Superchargern startet der Ladevorgang automatisch und wird abgerechnet. Das ist komfortabel, aber es braucht hohe Sicherheitsstandards.

Gleichzeitig stehen auch nicht bei jedem Arbeitgeber unendlich viele Ladesäulen zur Verfügung, und auch die Ladeleistung ist begrenzt.

Man kann zum Beispiel unterschiedliche Nutzergruppen priorisieren. So lassen sich Lieferwagen schneller laden als die Autos von Mitarbeitern, die sowieso acht Stunden vor Ort sein werden. So kann man die Ressourcen einfacher verteilen. Und intelligent gesteuertes Laden kann auch Netzkosten senken.

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Das ändert aber nichts an den Problemen mit den öffentlichen Lademöglichkeiten, auf die einige E-Auto-Fahrer angewiesen sind.

Das will ich auch nicht herunterspielen. Beim öffentlichen Laden ist man allerdings an bestimmte Realitäten gebunden, die man schwer ändern kann. Wir können nicht jeden Falschparker vor einer Ladesäule abschleppen. Aber natürlich können wir das Laden verbessern, indem wir die Daten weiter anreichern. Nicht nur für die Auffindbarkeit, sondern auch, um den Status der laufenden Ladevorgänge in Echtzeit abzubilden: Wie lange ist die Ladesäule noch belegt, wann wird der Ladevorgang beendet? Entsprechend können andere E-Auto-Fahrer ihre Route besser planen. Erst dann kann auch die Ladeerfahrung verbessert werden.

Es gibt aktuell eine große Konsolidierung auf den Märkten, und das kann für die Zukunft für E-Auto-Fahrer ein Vorteil sein. Das gesamte System der Ladeinfrastruktur ist momentan fragmentiert, jeder Anbieter kocht sein eigenes Süppchen. Aber so kann man die Qualität nicht übergreifend anheben. Erst durch ein Zusammenwachsen kann das besser werden.

Es gibt verschiedene Ansichten über den Ausbau der Ladeinfrastruktur: Der Verband deutscher Automobilhersteller fordert einen großflächigen Ausbau. Viele Ladenetzbetreiber sagen, dass die Zahl der Lademöglichkeiten ausreicht.

Die Diskussion ist grundsätzlich nicht falsch, aber teils verkürzt. Sie darf nicht auf das öffentliche Laden reduziert werden, sondern muss auch die Orte betrachten, wo die meisten Ladevorgänge stattfinden. Sowohl am Arbeitsplatz als auch zu Hause muss in Ladetechnik investiert werden. Dann wird auch die öffentliche Ladeinfrastruktur nicht mehr im Juli und August, wenn jeder durch die Gegend fährt, maximal ausgelastet sein. Wenn man mit vollem Akku losfährt, weil man beim Arbeitgeber aufgeladen hat, ist die Fahrt entspannter. Und bei all den Zahlen wird zum Beispiel gern unterschlagen, dass bei den Autoherstellern auf dem Gelände etliche Ladestationen stehen. Die Versorgung dort ist also recht sicher.

Das heißt, die vorhandene öffentliche Ladestruktur reicht schon aus?

Das öffentliche Laden muss weiter ausgebaut werden, aber eben zusammen mit anderen Lademöglichkeiten. Abgesehen davon plädiere ich dafür, dass Normalladen an öffentlichen Säulen immer mehr abnimmt und stattdessen durch Schnellladen ersetzt wird. Das ist vor allem in Städten wichtig, wo es teils weder an den Mietshäusern noch bei den Arbeitgebern Lademöglichkeiten gibt. In diesem Fall möchte ich ein- oder zweimal pro Woche für eine halbe Stunde beim Einkaufen oder dort, wo mein Auto sowieso steht, aufladen. Und danach fahre ich weg und gebe die Ladesäule für den nächsten E-Auto-Fahrer frei.

Die Autohersteller machen aktuell in dem Bereich auch spannende Entwicklungen durch und eröffnen eigene Ladeparks in urbanen Gebieten mit vielen Ladepunkten für mehrere Autos gleichzeitig. Das wird die Nutzerfreundlichkeit und die Qualität des Ladens deutlich verbessern. Wichtig ist nur, dass diese Ladeparks für Fahrer aller Marken zugänglich sind.

Ihr Unternehmen ist in verschiedenen Ländern aktiv. Wie steht Deutschland im internationalen Vergleich da?

Wir sind nicht die Schnellsten und wollen alles perfekt machen. Aber die Prozedere bei den Netzbetreibern dauern, es braucht lange, um eine Antwort zu bekommen, ob noch genug Anschlusskapazität an diesem Standort vorhanden ist für neue Ladeinfrastruktur, weil die Infrastruktur nicht digitalisiert ist.

Da sind andere pragmatischer. Vor allem im skandinavischen Markt ist man weiter in der Realisierung. Allerdings ist das Energienetz in diesen Ländern deutlich weiter und liberaler. Das fängt damit an, dass es nur einen Ladenetzbetreiber für das gesamte Land gibt. In Deutschland ist das durch historische Entwicklungen anders. Hier gibt es vier davon, dazu knapp 900 Stadtwerke mit unterschiedlichen technischen Voraussetzungen. Der andere Punkt ist die Vernetzung von Daten: In Finnland kommen vernetzte, digitale Stromzähler schon in der siebten Generation zum Einsatz. Hier beginnen wir mit dem Einsatz der ersten Generation. Auch das komplizierte Eichrecht erschwert den Aufbau von Ladestationen: Es wurden schon Stationen gesperrt, weil sie keinen eichrechtkonformen Zähler hatten. Dabei wurden Steuergelder investiert. Das ist doch schade. Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Gleiches gilt für den Datenschutz. Der ist ein ziemlicher Hemmschuh. Ein wichtiges, aber langwieriges Thema: Prozesse müssen sauber aufgesetzt und juristisch gründlich geprüft werden. Das braucht Zeit.

Was ist in Deutschland gut gelaufen?

Zum Beispiel das Dienstwagen-Privileg. Aus meiner Sicht wurde da unglaublich viel Positives gemacht. Das war eine sehr effiziente Maßnahme, denn Deutschland ist ein Dienstwagenmarkt. Damit hat man viel geschafft und E-Fahrzeuge für Dienstwagenflotten deutlich attraktiver gemacht. Auch das Förderprogramm für private Photovoltaikanlagen ist ein richtiger und wichtiger Schritt.

Entwurf für einen Ladepark.
Entwurf für einen Ladepark. (Quelle: Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur)

Das Deutschlandnetz

Mit dem Deutschlandnetz an mehr als 1.000 Standorten mit rund 9.000 Schnellladepunkten will der Bund "weiße Flecken" auf der Ladelandkarte schließen. So soll der nächste Schnellladepunkt in wenigen Minuten erreichbar sein. Jeder Ladepunkt im Deutschlandnetz muss technisch in der Lage sein, eine maximale Ladeleistung von mindestens 300 kW abgeben zu können. Zudem muss jeder Ladepunkt eine Nennladeleistung von mindestens 200 kW bereitstellen können. Die 900 Suchräume, in denen die Schnellladestandorte entstehen, verteilen sich auf 23 sogenannte Regionallose in insgesamt sechs Regionen, die an Unternehmen vergeben werden. Insgesamt zehn verschiedene Firmen werden die 900 Standorte mit rund 8.000 neuen HPC-Schnellladepunkten für Elektroautos errichten und betreiben.

Was halten Sie vom Deutschlandnetz, mit dem die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur das Schnellladen bedarfsgerecht vorantreiben will?

Das Funktionsprinzip, nach Loszuteilung vor allem ökonomisch schwache Regionen zu fördern, bevor Investoren ihre eigenen, privaten Ladesäulen aufbauen, kann weitere Frustration verhindern. Hier besteht in Deutschland noch ein enormes Potenzial. Die Ladeinfrastruktur muss immer weiter entwickelt sein als die Zulassungszahlen der Autos. Aber man darf auch nichts aufbauen, was dann von niemandem genutzt wird.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Nicolai Woyczechowski
  • nationale-leitstelle.de: "Das Deutschlandnetz"
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