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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Alain Favey im Gespräch Peugeot-Chef: "Haben uns von Kunden distanziert"

Als neuer Peugeot-Chef will Alain Favey die traditionsreiche Marke aus Frankreich neu ausrichten. Auf welches Modell er Hoffnungen setzt – und was nicht mehr wiederkommt.
Seit Februar 2025 ist Alain Favey CEO von Peugeot – in einer für die Autobranche kritischen Zeit: wachsende Konkurrenz durch chinesische Hersteller, Herausforderungen durch E-Mobilität und Digitalisierung. Der gebürtige Franzose und Absolvent der HEC Paris hat bereits lange Vorerfahrung, hat fast zwei Jahrzehnte bei der PSA-Gruppe verbracht, später internationale Führungsrollen bei Volkswagen, Skoda, Bentley und zuletzt der Europcar Mobility Group übernommen. Jetzt steht er an der Spitze der französischen Traditionsmarke – und sieht deren Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft.
Drei Prinzipien für die Marke
In seinen ersten 100 Tagen habe er sich vor allem mit einer Frage beschäftigt: Wofür soll Peugeot stehen? Faveys Antwort lässt sich in drei Schlagworten zusammenfassen: Driving sensations (Fahrspaß), Designed to last (Haltbarkeit), French Charisma (französisches Charisma).
Fahrspaß und Agilität seien ebenso zentral wie Qualität, Verlässlichkeit und ein guter Service. Das Ziel sei, dass Kunden der Marke treu bleiben.
Verlorene Nähe
Favey spart nicht mit interner Kritik: "Wir haben uns etwas distanziert von Kunden, Händlern, Partnern – es ist wichtig, dass wir wieder Nähe suchen." Zu oft seien Qualitätsprobleme nicht offen adressiert worden, sowohl den Kunden als auch den Händlern gegenüber. "Kunden hatten den Eindruck, die Marke steht nicht an ihrer Seite und versucht, Probleme zu leugnen." Das wolle man nun korrigieren.
"Wir müssen ein profitables Geschäft führen und Problemen vorgreifen", sagt Favey. Daher habe er zahlreiche Gespräche geführt und sich klar zum Handel bekannt.
Neue Modelle, neuer Schub
Der Marktanteil in Europa lag in den ersten vier Monaten des Jahres bei 6,1 Prozent – ein Plus von 0,4 Prozentpunkten. Weltweit wurden bis Ende April rund 400.000 Fahrzeuge ausgeliefert – acht Prozent mehr als im Vorjahr. In Deutschland waren es 20.773 Autos, was einen Marktanteil von 2,4 Prozent macht. Europa ist der wichtigste Markt für die Marke: 2024 hat Peugeot hier rund 800.000 der 1,1 Millionen verkauften Fahrzeuge abgesetzt.
Zugpferde sind die jüngsten Modelle 3008 und 5008. Sie gibt es sowohl mit klassischem Verbrenner samt milder Hybridisierung (einem Riemenstartergenerator, um den Verbrauch zu senken), aber auch als reine E-Autos. Letztere kommen nun auch als Dual-Motor-Version mit Allradantrieb – für Märkte wie die Schweiz oder Skandinavien ein wichtiger Faktor, so Favey.
Im Juni will Peugeot mit dem neuen 208 GTi in Le Mans ein weiteres Kapitel aufschlagen. "Wir hatten in der Vergangenheit gute Erfolge mit dem 205 GTi", erläutert Favey – anknüpfen will er mit dem neuen, elektrischen Modell, das 2026 in den Handel kommt.
Kein Kampfpreis, keine Premiumträume
Der vollelektrische E-208 bleibe das zentrale Angebot im unteren Preisbereich der Marke – Preisdumping will Favey nicht mitmachen. Aber auch ein kleineres Modell wie der eingestellte 108, der seinerzeit in Zusammenarbeit mit Toyota und Citroën entwickelt und gebaut wurde, sei nicht geplant. Peugeot sehe sich als Marke des "Upper Mainstream", also als etwas höher positionierte Marke für den Massenmarkt.
Zugleich grenzt sich Favey von einer Premiumstrategie ab: "Upper Mainstream ist nicht Premium. Wir wollen keine Premiummarke werden." Peugeot fokussiere sich vorwiegend auf das C-Segment, also die Kompakt- und untere Mittelklasse.
Nutzfahrzeuge bekommen neue Ausführungen
Peugeot ist traditionell stark bei leichten Nutzfahrzeugen – mit rund zehn Prozent Marktanteil sogar erfolgreicher als im Pkw-Bereich. Dieser Bereich soll ausgebaut werden, auch mithilfe des Stellantis-Konzerns (ging 2021 aus der Fusion der Automobilkonzerne Fiat Chrysler Automobiles (FCA) und Groupe PSA, bestehend aus Peugeot und Citroën, hervor): "Ich glaube, es gibt im Bereich der kleineren Nutzfahrzeuge ein Lifestyle-Potenzial, wo wir die Markenwerte integrieren können – zum Beispiel durch gewisse Ausstattungspakete."
Ein Teil der Strategie: Sogenannte Avantage-Modelle, also individualisierte Lifestyle-Modelle, werden künftig direkt im Werk angepasst. "Wir verstärken hier und nutzen die Power innerhalb des Konzerns." Diese Individualisierung namens "Custom Fit" betrifft alle Nutzfahrzeuge und wird als Ein-Rechnungs-Geschäft umgesetzt. Vorher wurden solche Umbauten von externen Unternehmen mit separater Rechnung umgesetzt – das war umständlich für Kunden, so Favey.
Es braucht entsprechende Modelle und Investitionen.
Alain Favey
Was Peugeot vom Stellantis-Konzern braucht
Damit all dies gelingt, sei auch der Rückhalt im Konzern und vom neuen Chef des Mutterkonzerns Stellantis, Antonio Filosa, nötig. Favey: "Marken brauchen Modelle, Produkte – es braucht entsprechende Projekte und Investitionen." Das C-Segment sei in Europa zentral – Peugeot müsse darin eine führende Rolle spielen. Dafür brauche es Entscheidungen und Weitsicht: "Wir sind in einem Geschäft, das fünf Jahre im Voraus planen muss."
- Pressegespräch mit Alain Favey