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Ukraine-Krieg: Russische Sträflinge taugen offenbar kaum für Krieg


"Sie nehmen jeden"
Russlands Sträflinge taugen offenbar kaum für den Krieg


Aktualisiert am 20.09.2022Lesedauer: 3 Min.
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Insassen einer russischen Strafkolonie: Die Söldner-Truppe Wagner rekrutiert verstärkt in Gefängnissen für den Krieg gegen die Ukraine. (Quelle: IMAGO/Ilya Naymushin)

Russland rekrutiert Häftlinge für den Krieg gegen die Ukraine. Kampftauglich scheinen die Verbrecher nicht zu sein.

Im Krieg gegen die Ukraine hat die russische Armee nicht nur mit entschlossenen Verteidigern zu kämpfen, sondern auch mit massiven Personalproblemen auf der eigenen Seite. Da der Kreml vor einer Generalmobilmachung zurückschreckt und sich kaum noch Freiwillige für den Feldzug finden, heuert die berüchtigte Söldnertruppe Wagner inzwischen im großen Stil Insassen russischer Gefängnisse für Fronteinsätze an – doch offenbar nur mit mäßigem Erfolg.

Allein in den jüngst zurückeroberten Gebieten in der Region Charkiw haben ukrainische Truppen zuletzt um die 30 Russen gefangen genommen, die vor ihrem Kriegseinsatz im Gefängnis saßen, berichtet das Portal "Middle East Eye" unter Berufung auf einen Kämpfer in der ukrainischen Fremdenlegion. Insgesamt habe die Einheit zuletzt 400 russische Kämpfer gefangen genommen. Wie viele von ihnen Häftlinge seien, müsse zuerst durch Befragungen ermittelt werden. "Die meisten der Häftlinge waren von Militärgerichten verurteilt worden, zum Beispiel, weil sie Befehlen nicht gehorcht hatten", zitiert "Middle East Eye" den Ukrainer.

Wagner verspricht Geld und Freiheit

Eine andere Quelle berichtet dem Portal von 500 bis 600 russischen Häftlingen, die in den vergangenen Monaten in die Ukraine gebracht worden seien. "Sie benutzen diese Leute normalerweise als Kanonenfutter an der Front", zitiert "Middle East Eye" die anonyme Quelle. Die meisten russischen Häftlinge, die in ukrainische Gefangenschaft gingen, hätten keinerlei Kampferfahrung. Offiziell will sich Kiew in der Sache bislang nicht äußern, um die laufenden ukrainischen Gegenoffensiven im Nordosten und im Süden des Landes nicht zu gefährden.

Der "Washington Post" zufolge hat die private Söldnertruppe Wagner schon kurz nach Kriegsbeginn im März angefangen, Häftlinge zu rekrutieren. Unter dem Eindruck der akuten Personalnot der russischen Armee habe Wagner diese Bemühungen ab Juli intensiviert. Dem unabhängigen russischen Portal "Verstka" zufolge hatten Wagner-Vertreter bis Mitte August in 13 Regionen Russlands 21 Strafkolonien besucht, um für den Kriegseinsatz zu werben. Den Rekruten würden umgerechnet 3.350 Euro und Straffreiheit versprochen, wenn sie ein halbes Jahr lang durchhielten, so "Verstka". Vorige Woche wurde ein Video öffentlich, in dem Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin persönlich in einem russischen Gefängnis um Häftlinge wirbt.

"Sie nehmen jeden, egal wofür er im Gefängnis ist"

Der russischen Menschenrechtsorganisation "Russia Behind Bars" zufolge haben sich bislang schätzungsweise 7.000 bis 10.000 Häftlinge auf diese Weise für den Kriegseinsatz anwerben lassen – weitere 50.000 bis 60.000 Kämpfer könnten in naher Zukunft dazukommen. Die US-Regierung nannte am Montag die Zahl von etwa 1.500 Häftlingen, die bereits am Krieg gegen die Ukraine teilnähmen. "Russia Behind Bars" zufolge handelt es sich bei etwa 20 Prozent der Rekruten um verurteilte Mörder und Räuber – auf die hat es Wagner offenbar besonders abgesehen.

"Sie nehmen jeden, egal wofür er im Gefängnis ist", berichtete auf YouTube kürzlich die Leiterin von "Russia Behind Bars", Olga Romanowa. "Sie haben sogar einen psychisch kranken Mann rekrutiert und in den Krieg geschickt, dem Kannibalismus vorgeworfen wird. Aber Wagner-Chef Prigoschin hat selbst gesagt, dass sie Mörder und Räuber bevorzugen und gerne auch Leute nehmen, die wegen schwerer Körperverletzung einsitzen. Selbst Vergewaltiger nehmen sie inzwischen, auch wenn die in eine eigene Abteilung kommen." Dieses auf Twitter verbreitete Video soll russische Häftlinge auf ihrem Weg in die Ukraine zeigen:

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"Wer einen Fehler machte, wurde neutralisiert"

Für die Häftlinge selbst dürfte der Kriegseinsatz auch kein Vergnügen sein. So berichtete ein in der Ukraine gefangener russischer Häftling kürzlich, dass Kämpfer wie er in der russischen Armee schon wegen Kleinigkeiten einfach erschossen würden. "Neutralisieren nennen sie das", schilderte der Kriegsgefangene Jewgeni N. dem Journalisten Juri Butusow auf YouTube. "Wer den Anweisungen nicht folgte oder einen Fehler machte, wurde neutralisiert."

Noch im Ausbildungscamp sei er Zeuge geworden, wie einer der rekrutierten Häftlinge vor etwa 60 anderen Männern erschossen worden sei, nur weil dieser dem Ausbilder widersprochen habe. Später habe er erfahren, dass noch ein anderer Häftling aus der Gruppe "neutralisiert" worden sei. Das unabhängige russische Investigativportal Meduza hat die Schilderungen Jewgeni N.s überprüft und bestätigt.

Jewgeni N. ist offenbar froh, dass er sich in ukrainische Kriegsgefangenschaft retten konnte. "Ich hab mir gesagt, wenn die mich in die Ukraine schicken, tue ich alles, um mich zu ergeben." Jetzt will er auf ukrainischer Seite in der "russischen Legion" gegen die Besatzer kämpfen. "Weil nicht die Ukraine Russland angegriffen hat, sondern Putin die Ukraine."

Verwendete Quellen
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