Wegen krimineller Vergangenheit Netanjahu muss wichtigen Minister entlassen
Der Start der neuen israelischen Regierung ist turbulent. Netanjahu muss einen engen Vertrauten entlassen und in Tel Aviv gingen Hunderttausend auf die Straße.
Nach einem Urteil des Höchsten Gerichts hat Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu einen seiner wichtigsten Minister entlassen. Der Ministerpräsident teilte die Entlassung von Arie Deri nach Medienberichten am Sonntag während der wöchentlichen Kabinettssitzung in Jerusalem mit. Deri ist Vorsitzender der strengreligiösen Schas-Partei.
Das Höchste Gericht hatte am Mittwoch die Ernennung Deris zum Innen- und Gesundheitsminister wegen dessen krimineller Vergangenheit als "unangemessen" eingestuft. Die Richter begründeten ihr Urteil mit der wiederholten Verurteilung Deris. Zudem führten sie an, dass Deri im vergangenen Jahr bei einem Verfahren wegen Steuervergehen vor Gericht versichert habe, er werde sich aus der Politik zurückziehen.
Regierung hatte noch Gesetz geändert
Deris Ernennung war eine entscheidende Forderung der Schas-Partei bei den Koalitionsverhandlungen mit Netanjahu. Mitglieder der Partei drohten vor dem Urteil, die Regierung zu verlassen, falls Deri seinen Posten verlieren sollte. Die Partei hält elf der 64 Sitze der Regierungskoalition im Parlament. Damit Deri trotz Verurteilung Minister werden konnte, hatte die neue Koalition eigens ein Gesetz geändert.
Es wird befürchtet, dass das Urteil den Streit in Israel um Reformen des Justizsystems noch weiter befeuern könnte. Der neue Justizminister Jariv Levin teilte mit, er werde "alles Notwendige tun, um das Unrecht gegenüber Deri wiedergutzumachen". Er hatte vor wenigen Wochen bereits Pläne zur gezielten Schwächung des Höchsten Gerichts vorgestellt.
Eine Mehrheit im Parlament soll demnach ein Gesetz verabschieden können, auch wenn es nach Ansicht des Höchsten Gerichts gegen das Grundgesetz verstößt. Levin will außerdem die Zusammensetzung des Gremiums zur Ernennung von Richtern ändern. Er wirft dem Höchsten Gericht eine übermäßige Einmischung in politische Entscheidungen vor. Die tiefgreifenden Veränderungen könnten Netanjahu auch bei einem laufenden Korruptionsprozess gegen ihn in die Hände spielen.
Hunderttausend demonstrieren in Tel Aviv
Unterdessen steigt der Frust in der Bevölkerung gegenüber der Regierung. Mehr als hunderttausend Menschen gingen am Samstag in der israelischen Küstenstadt Tel Aviv auf die Straße. Der bisher größte Protest richtete sich vor allem gegen Levins höchst umstrittene Pläne, die Kritiker als gezielte Schwächung des Justizsystems betrachten.
Der israelische Schriftsteller und Friedensaktivist David Grossman sprach auf der Demonstration von einem "großen Erwachen" der Öffentlichkeit in Israel, dem "Beginn der Rückkehr aus der lähmenden inneren Emigration". Mit Blick auf die umstrittene Justizreform verglich er das Land mit einem Haus, das in Flammen steht. "Ich weigere mich, Heimatloser im eigenen Land zu sein", sagte Grossman.
- Nachrichtenagentur dpa