Anschlag auf Trump vor einem Jahr "Dieser Moment hat den Lauf der Geschichte verändert"

Ein Jahr nach dem Anschlag auf Donald Trump hat sich das Bild seiner erhobenen Faust tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Die Geste ist längst Teil eines politischen Mythos.
Die rechte Faust in die Höhe gereckt, das Gesicht blutverschmiert und dann der Ausruf "Kämpft, kämpft, kämpft!" (Fight, fight, fight): Kaum ein Bild von Donald Trump hat sich so in das Gedächtnis eingebrannt wie seine Reaktion auf das Attentat auf ihn in der Kleinstadt Butler in Pennsylvania am 13. Juli 2024. Zum Jahrestag am Sonntag hat Trump den gescheiterten Anschlag als "unvergesslich" bezeichnet.
"Ich wurde von Gott gerettet, um Amerika wieder großartig zu machen" – das sagte Trump am 20. Januar in seiner Antrittsrede im Kapitol. Damit festigte der "Amerika-zuerst"-Politiker das Bild eines Auserwählten, der diabolischen Mächten trotzt.
- Donald Trump: Einer, dem die Welt zu Füßen liegt
Das Bild Trumps mit gereckter Faust gilt längst als ikonisch. Im Weißen Haus ließ der Präsident ein Porträt von sich in der Kampfespose aufhängen. Auch auf Trumps Kryptowährung ist er so zu sehen. Kremlchef Wladimir Putin ließ den Vorfall sogar nach New York verlegen und auf Leinwand bannen. Er schenkte dem US-Präsidenten ein Bild, das ihn mit gereckter Faust vor der Freiheitsstatue zeigt.
Wendepunkt des Wahlkampfs
Der gescheiterte Anschlag auf Donald Trump wurde zum Wendepunkt des Wahlkampfs – nicht durch die Tat selbst, sondern durch Trumps Reaktion darauf. Aus einem traumatischen Moment schuf er ein Symbol für Macht, Männlichkeit und Unerschütterlichkeit. Diese Inszenierung hat wesentlich zu seinem politischen Comeback beigetragen.
Der heute 79-jährige Trump hat die Geste zu seinem Markenzeichen gemacht. Es gibt keinen öffentlichen Auftritt, bei dem er nicht die Faust ballt. Mit dem Eindruck kraftstrotzender Männlichkeit will er sich von seinem Vorgänger Joe Biden absetzen, den er "schläfrig" nennt und der für alles steht, was Trump und seine Anhänger verachten.
Zum Jahrestag des Attentats hat Trump seiner Schwiegertochter Lara, der Frau seines Sohnes Eric, ein Interview gegeben. Wie üblich ist es ein monologartiger Gedankenstrom, den Trumps Haussender Fox News am Samstagabend ausstrahlt.
Laut vorab veröffentlichten Auszügen sagt Trump über die Schüsse auf ihn: "Es war unvergesslich. Ich wusste nicht genau, was vor sich ging. Ich wurde erwischt. Daran besteht kein Zweifel. Und glücklicherweise bin ich schnell zu Boden gegangen." Der Präsident spricht darin auch kurz den durch einen Schuss getöteten Feuerwehrmann Corey Comperatore an.
"Dieser Moment hat den Lauf der Geschichte verändert"
Auf Fernsehaufnahmen ist zu sehen, wie sich Trump nach einigen Schrecksekunden mithilfe der herbeigeeilten Personenschützer aufrappelt, zuerst nach seinen Schuhen verlangt und dann instinktiv die Faust ballt. Während er zu einem Wagen geleitet wird, skandiert die Menge "USA, USA, USA".
"Dieser Moment hat wirklich den Lauf der Geschichte verändert", sagt die frühere Fernsehmoderatorin Lara Trump. Es habe den Siegeswillen ihres Schwiegervaters bestärkt. Auch viele Politikexperten meinen, dass Trumps ungewöhnliche Reaktion auf das Attentat dazu beigetragen habe, ihm später nach dem Rückzug Bidens den Sieg gegen Kamala Harris zu sichern.
Nur zwei Tage später stand Trump wieder auf einer Bühne und gab sich kämpferisch. Mit Verband am rechten Ohr ließ er sich von Anhängern in Milwaukee wie ein Held feiern. Anfang Oktober, nur einen Monat vor der Präsidentschaftswahl, trat er erneut in Butler auf. Der vermeintliche Märtyrer-Mythos passt zu Trumps Kommunikationsstrategie: Er kämpft nicht nur gegen politische Gegner, sondern gegen ein ganzes System, das ihn angeblich vernichten wolle.
Über Motive so gut wie nichts bekannt
Den Attentäter nannte Trump damals ein "bösartiges Monster". Über die Motive des Schützen ist auch ein Jahr nach dem Attentat so gut wie nichts bekannt. Die "New York Times" und andere US-Medien haben nachgezeichnet, wie aus dem ruhigen Studenten der Ingenieurwissenschaft, Thomas Matthew Crooks, der 20-Jährige wurde, der auf ein Gebäude stieg und acht Schüsse auf Trump abfeuerte.
Weder ein besonderer Hass auf Trump lässt sich bei Crooks nachweisen noch eine politische Ideologie. Er scheint jedoch unter psychischen Problemen gelitten und sich zunehmend zurückgezogen zu haben. Er selbst kann sich nicht mehr äußern. Ein Scharfschütze des Secret Service tötete Crooks kurz nach seinen Schüssen auf Trump.
Und Trump? Wird die Geschichte des Anschlags weiter erzählen. Sie gibt seinem politischen Comeback eine emotionale Dimension, die weit über Sachfragen hinausgeht. Die Faust ist längst mehr als eine Geste – sie ist ein Symbol, mit dem er in die Geschichte eingehen wird.
- Eigene Recherche
- Nachrichtenagentur AFP
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