Konflikt in Nahost Hamas: Keine Entwaffnung ohne Palästinenserstaat

Die USA haben einen Plan zur Beendigung des Gaza-Krieges. Die Hamas will die Waffen aber nur unter einer Bedingung niederlegen.
Die islamistische Hamas im Gazastreifen lehnt eine Niederlegung ihrer Waffen entschieden ab, solange es keinen unabhängigen palästinensischen Staat gibt. Der bewaffnete Widerstand könne nur dann aufgegeben werden, wenn die Rechte der Palästinenser vollständig verwirklicht seien, insbesondere die Errichtung eines unabhängigen und vollständig souveränen palästinensischen Staates mit Jerusalem als Hauptstadt, hieß es in einer Erklärung der Terrororganisation.
Die Hamas reagierte damit auf Äußerungen des US-Sondergesandten Steve Witkoff. Dieser soll Medienberichten zufolge bei einem Treffen mit Angehörigen der im Gazastreifen weiterhin festgehaltenen Geiseln gesagt haben, dass die Hamas nach eigenen Aussagen zur Entmilitarisierung bereit sei. "Wir stehen kurz vor dem Ende dieses Krieges", sagte Witkoff einer Mitteilung des Forums der Geiselfamilien zufolge bei dem Treffen in der israelischen Stadt Tel Aviv. "Wir haben einen Plan, den Krieg zu beenden und alle nach Hause zu bringen."
"Keine stückweisen Deals"
Der US-Nachrichtenseite "Axios" und israelischen Medien zufolge will die US-Regierung ihre Gaza-Politik ändern. Statt wie bisher zunächst nur über eine Waffenruhe und die stufenweise Freilassung der Geiseln zu verhandeln, strebe US-Präsident Donald Trump jetzt einen umfassenden Deal an, der den Krieg beende und alle verbleibenden Geiseln auf einmal zurückbringe, hieß es. Das habe Witkoff auch den Geiselfamilien bei ihrem Treffen in Tel Aviv gesagt.
"Keine stückweisen Deals. Das funktioniert nicht", wurde der US-Sondergesandte zitiert. Seine Äußerungen seien ein Eingeständnis, dass die monatelangen Bemühungen, durch indirekte Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas eine Waffenruhe herbeizuführen und die Freilassung der Geiseln zu bewirken, gescheitert sind, schrieb "Axios". Bei einer Massendemonstration in Israel forderten die Teilnehmer einen Deal zur Freilassung aller Geiseln.
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Hamas schockiert mit Gräuel-Video
In einem zuvor veröffentlichten Propaganda-Video der Hamas ist der bis auf die Knochen abgemagerte 24 Jahre alte Evjatar David in einem engen Tunnel in Gaza zu sehen, wie er sein "eigenes Grab" schaufelt. "Beenden Sie diesen Alptraum, der seit 666 Tagen andauert. Unterzeichnen Sie ein umfassendes Abkommen, das alle 50 Geiseln zurückbringt und die Kämpfe beendet", forderte das Forum der Angehörigen der Geiseln. Mindestens 20 der Geiseln sollen noch am Leben sein.
Netanjahu traf sich am Abend laut Mitteilung seines Büros mit den Familien von David und einer weiteren Geisel. "Während der Staat Israel humanitäre Hilfe für die Bewohner des Gazastreifens zulässt, lassen die Terroristen der Hamas unsere Geiseln absichtlich hungern und dokumentieren sie auf zynische und bösartige Weise", wurde Netanjahu zitiert.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas schrieb auf der Plattform X: "Die Bilder der israelischen Geiseln sind erschütternd und decken die Barbarei der Hamas auf. Alle Geiseln müssen unverzüglich und bedingungslos freigelassen werden." Die Hamas müsse entwaffnet und ihre Herrschaft im Gazastreifen beendet werden. Gleichzeitig müsse "umfangreiche humanitäre Hilfe die Bedürftigen erreichen dürfen".
Arabische Staaten forderten Ende der Hamas-Herrschaft
Mehrere arabische Staaten, darunter Ägypten und Katar, die in den indirekten Gesprächen zwischen den Kriegsparteien vermitteln, hatten kürzlich bei einer UN-Konferenz in New York ein Ende der Hamas-Herrschaft in dem Küstengebiet gefordert. "Im Rahmen der Beendigung des Krieges im Gazastreifen muss die Hamas ihre Herrschaft im Gazastreifen beenden und ihre Waffen mit internationalem Engagement und Unterstützung an die Palästinensische Autonomiebehörde übergeben", hieß es.
Die Hamas beansprucht das gesamte historische Palästina - also einschließlich des heutigen Staatsgebietes Israels. In einem Grundsatzpapier von 2017 akzeptiert die Gruppe jedoch einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967 - das heißt bestehend aus dem Westjordanland, dem Gazastreifen und Ost-Jerusalem. Das Existenzrecht Israels erkennt die Hamas nicht an.
Auch Israels Regierung lehnt Zweistaatenlösung ab
Israels Regierung ist ebenfalls gegen eine Zweistaatenlösung. Dort herrscht die Ansicht vor, dass das Westjordanland und Ost-Jerusalem aus historischen und religiösen Gründen Israel zustehen.
Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU) hatte Israel am Freitag mit deutlichen Worten vor einer Annexion des Westjordanlandes gewarnt. Nach einem Gespräch mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas in Ramallah betonte er: "Wir unterstützen das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat zum Ende eines politischen Prozesses."
Israels Polizeiminister ruft zu Wiederbesetzung Gazas auf
Bei einem provokativen Besuch auf dem Tempelberg in Jerusalem rief der rechtsextreme israelische Polizeiminister Itamar Ben-Gvir unterdessen zu einer Wiederbesetzung des Gazastreifens auf. Mit den Videos der Geiseln versuche die islamistische Hamas, Druck auf Israel auszuüben, sagte er. Als Reaktion müsse Israel aber vielmehr "noch heute den ganzen Gazastreifen besetzen, Souveränität im ganzen Gazastreifen erklären", sagte Ben-Gvir. Gleichzeitig müsse man die palästinensische Bevölkerung zu "freiwilliger Auswanderung ermutigen". Israel wird immer wieder vorgeworfen, es plane eine "ethnische Säuberung" des umkämpften Küstenstreifens. Die israelische Führung bestreitet das.
Jordanien spricht von "nicht hinnehmbarer Provokation"
Jordaniens Außenministerium verurteilte den Besuch Ben-Gvirs auf dem Tempelberg auf das Schärfste und sprach von einer "nicht hinnehmbaren Provokation". Die "Übergriffe" auf die Al-Aksa-Moschee durch Ben-Gvir wie auch durch extremistische Siedler seien ein "offenkundiger Bruch des historischen und rechtlichen Status quo". Netanjahus Büro teilte dazu mit, der Status quo bleibe unverändert.
Der Tempelberg (Al-Haram al-Scharif) mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam. Für Juden ist der Tempelberg mit der Klagemauer die heiligste Stätte, weil an dem Ort früher zwei jüdische Tempel standen.
Terroristen der Hamas und anderer Islamistenorganisationen hatten am 7. Oktober 2023 mehr als 250 Menschen aus Israel in den Gazastreifen verschleppt. Etwa 1.200 Menschen wurden getötet. Das beispiellose Massaker sowie die Geiselnahmen lösten den Gaza-Krieg aus. Seither wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mehr als 60.000 Menschen in dem abgeriegelten Küstengebiet getötet. Die unabhängig nicht überprüfbare Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.
- Nachrichtenagentur dpa