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Denunziations-App in Polen: Ritter gegen die Presse


Denunziations-App in Polen
Ritter des Polentums gegen die kritische Presse

t-online, Lukas Latz

12.12.2017Lesedauer: 3 Min.
Demonstration am Unabhängigkeitstag 2016: Jedes Jahr am 11. November marschieren in Polen Nationalisten auf.Vergrößern des BildesDemonstration am Unabhängigkeitstag 2016: Jedes Jahr am 11. November marschieren in Polen Nationalisten auf. (Quelle: Marcin Obara/epa/dpa)
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Eine polnische Stiftung entwickelt eine App, um ausländische Medien zu beobachten. Geht es darum, Polens guten Ruf zu schützen oder sollen Kritiker eingeschüchtert werden?

Von Lukas Latz

Wenn eine deutsche Nachrichtenseite künftig kritisch über die polnische Regierung berichtet, könnte sie es mit Rittern zu tun bekommen. "Ritter", polnisch "Rycerz", soll eine neue App heißen, die vom Außenministerium mitfinanziert wird. "Ritter" sollen auch die Nutzer heißen, die sich über sie organisieren, um den guten Namen Polens zu schützen.

Schon lange müht sich die Regierung, gegen geschichtsverzerrende oder auch nur kritische Berichterstattung vorzugehen. Mit der App "Ritter" unterstützt sie jetzt eine Infrastruktur, um Kritik systematisch zu sammeln, zu denunzieren und womöglich im großen Stil öffentlich anzuprangern. Und sie fördert dabei eine Stiftung, die selbst Kritik an rechtsextremen Aufmärschen für ungerecht hält.

Das Außenministerium gibt wohl Geld

Diese Stiftung trägt ihr Programm bereits im blumigen Namen: "Festung des guten Namens", heißt ihr polnischer Name direkt übersetzt. Von dieser Festung aus beobachtet sie, wie Polen im Ausland wahrgenommen wird. Und sie greift ein, wenn Polen ihrer Einschätzung nach diffamierend dargestellt wird, etwa in Zeitungsartikeln oder Schulbüchern.

Die App ist ein aktuelles Projekt der Stiftung. Nach Informationen des polnischen Fernsehsenders TVN24 unterstützt das Außenministerium die Entwicklung mit rund 60.000 Euro. Eine offizielle Bestätigung gibt es bisher nicht. Auf eine Anfrage von t-online.de reagierte das Ministerium nicht. Doch auf der Website der App findet sich das Logo des polnischen Außenministeriums.

Wie "Ritter" funktionieren soll, erklärt eine Sprecherin der Stiftung: "Jeder, der sich um das Wohlergehen des Vaterlandes sorgt", könne sich als Freiwilliger melden und die Polenberichterstattung ausländischer Medien verfolgen. Wenn er diffamierende Aussagen über Polen finde, könne er dies an einen sogenannten Korrespondenten melden. Bislang gebe es 17 davon, jeder sei für ein Land zuständig.

Der Korrespondent, so die Idee, kontaktiert daraufhin die Redaktion des Mediums und bittet um Korrektur. So weit, so unspektakulär. Doch wenn die Redaktion den Artikel nicht ändern will, soll der Korrespondent alle in der App registrierten Freiwilligen bitten, die Redaktion anzuschreiben. Die Ritter sollen die Postfächer der Redaktionen fluten. Oder soziale Netzwerke.

Auch aktuelle Berichte werden überwacht

Dabei ist unklar, welche Inhalte die "Ritter" beanstanden sollen. Was ist für die Bewahrer des guten Namens Polens diffamierend, was legitime Kritik?

In der Vergangenheit verfolgte die Stiftung vor allem historische Aussagen. Der Klett-Verlag verlegte ein Schulbuch, in dem NS-Konzentrationslager auf polnischem Boden als "polnische Konzentrationslager" bezeichnet werden. Die Bezeichnung suggeriert, dass die Konzentrationslager nicht von Deutschen, sondern von Polen betrieben wurden. Dem polnischen Vater eines Oberstufenschülers in Bayern fiel das auf. Er wandte sich an die Stiftung. Und auf Druck der Stiftung zog der Klett-Verlag die Auflage aus dem Verkehr.

Aber es geht der Stiftung nicht nur um historische Fakten wie diese – sondern auch um aktuelle politische Bewertungen. "Wir prüfen auch Zeitungsartikel, die über die aktuelle Ereignisse in Polen berichten", sagt die Sprecherin. Nach welchen Maßstäben? "Jeder hat eine andere patriotische Sensibilität."

Die Opposition ist alarmiert

Wie sensibel die Stiftung ist, zeigt ein aktuelles Beispiel. Am 11. November, dem polnischen Unabhängigkeitstag, kam es in vielen polnischen Städten zu Massendemonstrationen. Vielfach wurde dokumentiert, wie Demonstranten den Hitlergruß zeigten oder dass in Sprechchören ein Holocaust an Muslimen gefordert wurde. Bei einer Kundgebung in Wrocław sagte ein Redner: "Dass Synagogen auf polnischem Boden entstehen konnten, dass Juden sich darin in einen Rausch talmudistischen Hasses versetzen konnten, ist das Ergebnis unserer Toleranz, der es an Vernunft fehlt."

Die Bewertung der Auslandspresse war klar: Sie nannte die Demonstranten "Faschisten", "Rechtsextreme", "Rassisten", "Antisemiten" oder "Nazis". Angesichts der Ereignisse ließ sich diese Beschreibung gut begründen. Die "Festung des guten Namens" aber fand das ungerecht. Die Stiftung richtete eine Petition an eine Journalistin der Nachrichtenagentur AP. Der Vorwurf: Sie habe "manipulierte Depeschen" aus Warschau verschickt.

Auf Ihrer Webseite verlinkte die Stiftung zudem 33 Artikel aus internationalen Medien zu den Demonstrationen. Sie forderte Besucher ihrer Webseite auf, einen vorbereiteten Brief an diese Redaktionen zu schicken. Polen sei das Land, das am stärksten von den Gräueln des Zweiten Weltkrieges betroffen gewesen sei, heißt es in dem Brief. Deshalb sei es für Polen "die schlimmste Beleidigung", sie als "Nazis" oder "Faschisten" zu bezeichnen. Offenbar selbst dann, wenn die so bezeichneten Polen in der Öffentlichkeit den Hitler-Gruß zeigen.

Politiker der Opposition sind alarmiert. Sie befürchten angesichts solcher Beispiele, die "Ritter" könnten systematisch Journalisten angreifen, nur weil sie die Regierung kritisieren – zum Beispiel, weil sie die aktuelle Justizreform für eine Aushöhlung des demokratischen Rechtsstaates halten, wie es auch die EU tut.

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