Bewohnerin aus Butscha: "Sie haben alle misshandelt"
Die Bilder vom Massaker in Butscha gehen um die Welt. Eine Augenzeugin berichtet nun, was sie erlebt hat. Das Γberraschende: Sie erzΓ€hlt auch von "guten Kerlen".
Einige Wochen nach der Einnahme der ukrainischen Stadt Butscha durch russische Truppen nahm Olena eine VerΓ€nderung zum Schlechteren wahr. Γltere, hΓ€rtere Soldaten kamen in die Stadt und verbreiteten Angst, erinnert sich die 43-jΓ€hrige Bewohnerin der Stadt. "Direkt vor meinen Augen schossen sie auf einen Mann, der zum Einkaufen in einen Supermarkt gehen wollte", sagt Olena, die ihren Nachnamen vorsichtshalber nicht nennt.
Butscha wurde am 27. Februar, in den ersten Kriegstagen, von den russischen Einheiten erobert und einen Monat lang von ihnen kontrolliert. Nachdem die Bombenangriffe gestoppt hatten, eroberten ukrainische Einheiten am vergangenen Donnerstag die Stadt zurΓΌck. Sie fanden zahlreiche Tote in ziviler Kleidung in den StraΓen vor.
"Sie haben alle misshandelt"
Olena verbrachte den MΓ€rz mit ihren sieben und neun Jahre alten Kindern im Keller eines vierstΓΆckigen Hauses. Ohne Strom. Zusammen mit anderen Bewohnern. "Es gab keine ukrainische Armee in der Stadt, nur die territoriale Verteidigung aus ΓΌberwiegend unbewaffneten Wachposten von ΓΆrtlichen Unternehmen. Und die sind geflohen", erzΓ€hlt sie.
Anfangs seien vorwiegend junge russische Soldaten gekommen, erzΓ€hlt Olena. "Dann, zwei Wochen spΓ€ter, kamen andere, Γ€ltere." Sie seien Γ€lter als 40 gewesen. "Sie waren brutal. Sie haben alle misshandelt. Und dann begannen die Massaker", fΓΌgt Olena hinzu und hΓ€lt mit finsterem Blick gedankenvoll inne.
Russland wies am Montag alle Anschuldigungen im Zusammenhang mit der TΓΆtung von Zivilisten "kategorisch" zurΓΌck.
"Es gab einige gute Kerle unter den russischen Soldaten"
Olena zufolge waren die Γ€lteren Soldaten "sehr gut ausgerΓΌstet" und trugen schwarze und dunkelgrΓΌne Uniformen β anders als die Standarduniform der russischen Armee. "Es gab einige gute Kerle unter den russischen Soldaten, und da waren einige sehr raue MΓ€nner, vor allem vom FSB", dem russischen Geheimdienst, erzΓ€hlt Olena.
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Sie sei zu den Soldaten gegangen, um sie zu fragen, was sie ihren Kindern zu essen geben solle, "und sie haben uns Lebensmittelrationen und Essen gebracht", schildert sie. "Sie waren es, die uns gesagt haben, dass der FSB uns verboten habe, herumzulaufen, dass es sehr gewalttΓ€tige Spezialeinheiten sind", erzΓ€hlt sie. "Es waren Russen, die das ΓΌber Russen gesagt haben."
"KΓΆrper lagen mit Schusswunden in einer Blutlache"
Nur Frauen erhielten die Erlaubnis, Wasser und Lebensmittel zu holen. Die MΓ€nner mussten drinnen bleiben. "Unsere Nachbarn sind abends um 17 Uhr rausgegangen, um den MΓΌll wegzubringen. Zwei MΓ€nner und eine Frau. Einer der MΓ€nner hatte in der Armee gedient. Sie sind nicht zurΓΌckgekommen", erinnert sich Olena. Eine Frau aus dem Haus habe sie spΓ€ter im Hof eines Hauses gefunden, als sie Holz sammeln wollte. "Die KΓΆrper lagen mit Schusswunden in einer Blutlache", sagt Olena.
"Als die FSB-Agenten ankamen, haben sie gefragt, warum ich die Stadt nicht verlassen habe. Ich habe ihnen gesagt, dass ich seit 43 Jahren hier lebe und ein friedliches Leben hatte. Warum sollte ich also gehen?" Daraufhin hΓ€tten die FSB-Agenten sie "VerrΓ€terin" geschimpft.
280 Menschen in MassengrΓ€bern bestattet
In einer einzigen StraΓe der Stadt hatten AFP-Reporter am Samstag 22 Tote in ziviler Kleidung gesehen. Bei einer mΓ€nnlichen Leiche waren die HΓ€nde hinter dem RΓΌcken zusammengebunden.
Am Montag wurden laut Generalstaatsanwaltschaft im Untergeschoss eines Kindersanatoriums von Butscha die Leichen von fΓΌnf MΓ€nnern gefunden. Laut dem BΓΌrgermeister von Butscha wurden 280 Menschen von Ukrainern in MassengrΓ€bern bestattet, die Zahl der Toten steige.
Eine StraΓe der Stadt ist ΓΌbersΓ€t mit rund 20 Wracks von Truppenfahrzeugen, gepanzerten Fahrzeugen, von denen einige schon zu rosten anfangen. Die Kolonne wurde vermutlich von ukrainischen Bombenangriffen getroffen, als sie Ende Februar in die Stadt einzog.
Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte am Montag, russische Verteidigungsexperten hΓ€tten in den von den ukrainischen BehΓΆrden verbreiteten Videos "Zeichen von Fake-Video und andere FΓ€lschungen" gefunden.
- Nachrichtenagentur AFP